Lukas Schneider bei der peripheren Stammzellenspende in der Spendenambulanz der AKB in Gauting.
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Lukas Schneider bei der peripheren Stammzellenspende in der Spendenambulanz der AKB in Gauting.

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Kampf gegen Leukämie: Die Hoffnung auf eine Stammzellenspende

Kampf gegen Leukämie: Die Hoffnung auf eine Stammzellenspende

Pro Jahr erkranken in Deutschland rund 14.000 Menschen an Leukämie. Bis vor 30 Jahren war das noch ein Todesurteil. Heute ist das anders. Das BR-Politikmagazin Kontrovers hat Patienten und Spender auf ihrem Weg zur Stammzellentransfusion begleitet.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Matthias Mark aus Meitingen bei Augsburg ist 48 Jahre alt und hat Blutkrebs. Die Diagnose kam für ihn und seine Familie völlig unerwartet: Im November bemerkt der Rechtsanwalt immer wieder Entzündungen am Körper. Dazu bekommt er einen Husten, der nicht abklingen will, seine Nase wird rot und dick wie die eines Clowns. Im Januar dann schwillt seine Zunge so an, dass er nicht mehr sprechen kann. Er geht zum Arzt und erhält kurz darauf die Nachricht: Es ist Leukämie.

💡 Was ist Leukämie?

Bei Leukämie produzieren die Blutstammzellen zu viele weiße Blutkörperchen, die meist nicht funktionsfähig sind. Die weißen Blutkörperchen können dann ihre Aufgaben im Körper nicht mehr erfüllen und versagen beispielsweise bei der Abwehr von Krankheiten.

Matthias Mark muss nach der Diagnose sofort ins Krankenhaus. 66 Tage liegt er dort isoliert von Familie und Freunden. Erst eine zweite, hoch dosierte Chemotherapie schlägt an und der Blutkrebs wird zurückgedrängt - vorübergehend. Seitdem sucht Matthias Mark mit Hilfe der Stiftung "Aktion Knochenmarkspende Bayern" (AKB) einen Spender. Jemanden, der ihm Stammzellen spendet und das Leben rettet.

"Meine erste Frage an den Arzt war: Kann ich noch nächstes Jahr meinen Geburtstag feiern? Kann ich meinen Sohn noch aufwachsen sehen? Können wir als Familie noch viele Jahre verbringen?" Matthias Mark

Mehr potenzielle Knochenmarkspender gesucht

Anfang der 90er-Jahre waren in Deutschland nur 3.000 mögliche Spender registriert. Inzwischen sammelt aber eine ganze Reihe gemeinnütziger Organisationen Spender in einer Datei. Die größte ist die Deutsche Knochenmarkspenderdatei, DKMS, die 1991 gegründet wurde. Heute sind in Deutschland neun Millionen Menschen für eine Knochenmarkspende registriert. Doch das sind nicht genug.

In Bayern ist seit Beginn der Corona-Pandemie die Zahl der neu registrierten Spender um fast die Hälfte zurückgegangen, sagt AKB-Vorstand Hans Knabe dem BR-Politikmagazin Kontrovers:

"Wenn Sie davon ausgehen, dass wir im Jahr normalerweise zwischen 15.000 und 20.000 Spender aufnehmen, haben wir im letzten Jahr mit Müh und Not 9.000 Spender aufgenommen. Das wird dieses Jahr nicht furchtbar viel besser werden. Es ist schon wenig." Hans Knabe, Vorstand der Stiftung "Aktion Knochenmarkspende Bayern" (AKB)

Zu wenig Typisierungsaktionen

Was fehle, seien öffentliche Aktionen, bei denen sich Menschen zwischen 17 und 45 Jahren typisieren lassen können. Bei der Typisierung werden entweder Blutproben oder Zellen der Mundschleimhaut mit einem Wattestäbchen entnommen. Wegen der ausfallenden Spendenaktionen empfiehlt AKB-Chef Knabe jetzt dringend die Online-Registrierung, bei der sich Interessierte ein "Lebensretter-Set" nach Hause bestellen und sich einfach selbst mit dem Wattestäbchen typisieren können. Denn sollte der Pool aus Spendern weiter schrumpfen, so sinken auch die Chancen vieler Patienten - wie die von Matthias Mark.

  • zum Artikel: Stammzellenspende: So leicht kann jeder zum Lebensretter werden

So viele Stammzellen spenden wie möglich

Lukas Schneider aus Kirchdorf hat sich bereits vor vier Jahren typisieren lassen, als ein Bekannter im Ort einen Spender brauchte. Seinen Spenderausweis räumte der 21-Jährige im Laufe der Jahre von Geldbeutel zu Geldbeutel, ohne noch viel darüber nachzudenken. Bis im Dezember die E-Mail eingeht: Er wurde als Stammzellenspender ausgewählt. Lukas zögert nicht lange und sagt zu.

Belastung für den Körper, aber es lohnt sich

Für seine Stammzellen-Spende nimmt er viel auf sich. Fünf Tage lang zwei Spritzen am Tag. Schmerzen, Übelkeit, Fieber. Die Spritzen sollen das Immunsystem pushen, damit es möglichst viel Stammzellen produziert. Er sagt: "Es ist schon eine Belastung für den Körper, aber ich denke mal, man kann damit Menschenleben retten und dann kann man das schon eingehen, dass einem am Wochenende mal nicht so gut geht. Das ist jetzt nicht so schlimm."

Kurz vor dem Termin in der Spendenambulanz Gauting ist Lukas nervös. Bis zu fünf Stunden kann die "periphere Blutstammzellspende" dauern. Wenn bis dahin nicht genug Stammzellen aus Lukas' Blut gefiltert wurden, müsste er den Vorgang noch einmal wiederholen. Lukas hängt während der gesamten Spende an einer Blutreinigungs-Maschine. Über den rechten Arm wird ihm das Blut mit seinen Stammzellen entnommen, über den linken ohne Stammzellen wieder in den Körper geführt. Das Risiko bei dieser Methode ist recht gering, alternativ hätte sich Lukas auch unter Vollnarkose Knochenmark entnehmen lassen können.

Das Blut von Lukas fließt ohne große Zwischenfälle durch die Schläuche und schon nach knapp drei Stunden hat er ausreichend Stammzellen abgegeben, die nun möglichst schnell zum Patienten gebracht werden. Dabei weiß Lukas nicht einmal, für wen er spendet, alles läuft streng anonym ab, um Spender und Patienten zu schützen. Erst nach zwei Jahren kann Lukas Schneider den Empfänger kennenlernen, wenn er will.

Eine Stammzellenspende kann Leben retten

Trotz aller Bemühungen finden immer noch viele Menschen mit Blutkrebs keinen Spender. Marcus Bornheim ist Chefredakteur bei der Tagesschau in Hamburg und hat vor 14 Jahren Leukämie bekommen. Zwölf Chemotherapien ließ er damals über sich ergehen, doch die Krankheit kam wieder zurück. Es gab nur eine Möglichkeit: Er brauchte einen Stammzellenspender. Obwohl Tausende sich für ihn typisieren ließen, fand sich kein genetischer Zwilling. Es blieb ihm nur eine extrem riskante Möglichkeit. Die Stammzellenübertragung seiner Mutter. Und Marcus Bornheim hatte unglaubliches Glück: Sein Körper nahm die Stammzellen an. Er wurde wieder gesund.

"Und dann fängt man wieder an, Pläne zu machen. Also, ich hab mir zu dem Zeitpunkt vorgenommen, ich möchte unbedingt mit einem Mountainbike noch mal über die Alpen fahren." Marcus Bornheim

Und Matthias Mark? Er hat vor wenigen Wochen überraschend einen Spender gefunden. Seit Samstag liegt er im Klinikum Augsburg. Komplett isoliert, er darf niemanden sehen. Gerade bekommt er die vorbereitende Chemotherapie. Und in wenigen Tagen dann seine Stammzellen-Transplantation und die Chance auf ein zweites Leben.

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