Dass das Bierbrauen in Bayern eine lange Tradition hat, ist nicht neu. Dass aber ausgerechnet untergärige Biere, zu denen unter anderem Lagerbiere, das Schwarzbier und eben auch das Pils gehören, ihren Ursprung in Bayern, ja sogar mitten in München, am alten Standort des Hofbräuhauses haben sollen, ist doch eher erstaunlich.
Zu diesem Ergebnis kommen aber Mathias Hutzler von der Technischen Universität München (TUM) und seine Kollegen. Für ihre Erkenntnis hatten sie zahlreiche Brauaufzeichnungen und Genanalysen aus Mitteleuropa unter die Lupe genommen.
Untergärige Biere: Wie die dafür nötige Hefeart entstanden ist
Etwa bis zum Jahr 1883 hätten Bierbrauer immer viel experimentiert, sagt der TU-Wissenschaftler im BR-Interview. So kam es auch, dass die Hefearten Saccharomyces cerevisiae und Saccharomyces eubayanus eines Tages miteinander gekreuzt wurden und daraus der Hefepilz Saccharomyces pastorianus entstand. Dieser Hefestamm ist für die Herstellung des untergärigen Bieres verantwortlich.
Doch wo kam es zu dieser Kreuzung, durch die die neue Hefeart entstanden ist? Genau dieser Frage gingen die Forscher um Hutzler in ihrer jetzt veröffentlichten Studie nach. Heraus kam: Die neue Hefeart zum Brauen des untergärigen Bieres ist vermutlich im Münchner Hofbräuhaus entstanden. Und eine wesentliche Rolle bei der Kreuzung der beiden Hefen spielte wohl Herzog Maximilian I. von Bayern.
Lagerbier-Ursprung im Hofbräuhaus: Fakten deuten darauf hin
Wie es genau zu der Kreuzung kam, ist allerdings nicht ganz klar. "Dieser Vorgang ist nicht dokumentiert", sagt Hutzler. Aber - nach dem, was die Dokumente und Analysen hergeben - gibt es dafür zwei Szenarien: Die seltene Hefe Saccharomyces eubayanus kam entweder über die Brauerei im oberpfälzischen Schwarzach ins damalige Münchner Hofbräuhaus und wurde dort mit dem wegen des in Bayern geltenden Reinheitsgebots ausschließlich verwendeten Hefestamms Saccharomyces cerevisiae vermischt. Dafür spricht: Herzog Maximilian I. von Bayern hatte die Brauerei 1602 übernommen.
Zweites mögliches Szenario: Es kam zu einer Vermischung der beiden Bierhefen durch Braumeister aus dem Ort Einbeck im Harz. Herzog Maximilian hatte Brauer aus dem Harz in der fraglichen Zeit, also zwischen 1602 und 1611, im Hofbräuhaus engagiert. Sie könnten die besondere Hefe zum Bierbrauen mit nach München gebracht haben. Schließlich war das Bier aus dem Harz damals sehr begehrt.
Die Forscher um Mathias Hutzler sind sich jedenfalls ziemlich sicher, dass die Kreuzung der Hefearten im Hofbräuhaus stattfand. "Die Fakten, die wir haben, deuten sehr darauf hin", sagt er.
Auf der Suche nach der Bierhefe - wie Wissenschaftler jetzt vorgehen
Um sicherzugehen, dass die Bierhefe für die untergärigen Biere tatsächlich aus dem alten Hofbräuhaus stammt, will Hutzler weiter recherchieren. Vor allem neben dem Zerwirkgewölbe, dem zweitältesten Bauwerk Münchens, wo das Hofbräuhaus damals stand. Im jetzigen Hofbräuhaus konnten die Wissenschaftler, nicht zuletzt aufgrund von baulichen Veränderungen, keine Nachweise mehr finden - wie in ganz Bayern nicht.
Dafür wurden Belege der Hefeart Saccharomyces cerevisiae in Irland, Patagonien und Tibet gefunden. Fest steht: Sie stammen alle von der damals aus der Kreuzung entstandenen Zelllinie ab. "Die kann man nicht mehr natürlich kreuzen", sagt Hutzler.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!