Verschwörungstheoretiker befürchten, dass der neue Mobilfunkstandard 5G zur Ausbreitung von Corona beiträgt.
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Verschwörungstheoretiker befürchten, dass der neue Mobilfunkstandard 5G zur Ausbreitung von Corona beiträgt.

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Nein, es gibt keinen Zusammenhang zwischen 5G und Corona

Nein, es gibt keinen Zusammenhang zwischen 5G und Corona

Immer wieder wird in sozialen Medien ein Zusammenhang zwischen Sars-Cov-2 und dem neuen Mobilfunkstandard 5G behauptet. Dabei wird gern auf einen vermeintlichen Fachartikel verwiesen, der bereits zurückgezogen wurde. Ein #Faktenfuchs

Die These ist nicht neu – aber sie taucht immer wieder auf und wird von erschreckend großen Teilen der Bevölkerung geglaubt, insbesondere der jungen: 21 Prozent der 18- bis 34-jährigen Deutschen glauben, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Ausbau des 5G-Internet-Netzes und der Corona-Pandemie gibt. Das hat eine repräsentative Umfrage ergeben, für die das Meinungs- und Marktforschungsinstitut Kantar 7.300 Menschen in verschiedenen Ländern im Auftrag der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit befragt hat.

  • Dieser Artikel stammt aus 2020. Alle aktuellen #Faktenfuchs-Artikel finden Sie hier

68 Prozent der Befragten gaben an, sich unter anderem auf Social Media über die Pandemie zu informieren. Und eben dort verbreiten sich Verschwörungserzählungen wie die, dass Corona durch 5G verursacht werde, besonders schnell. Das sieht dann zum Beispiel so aus:

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Beispiele für Tweets, die einen Zusammenhang zwischen Corona und 5G herstellen.

In Online-Postings zu dem Thema finden sich vor allem die folgenden "Belege":

  1. ein Interview mit dem britischen Verschwörungsideologen David Icke;
  2. eine (angeblich unter politischem Druck) zurückgezogene Studie, von der es heißt, sie würde erklären, wie 5G dazu beitrage, das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 zu produzieren;
  3. gelegentlich wird auch – wie in dem Tweet oben – ein räumlicher Zusammenhang zwischen Corona-Ausbrüchen und dem Ausbau von 5G konstruiert. Dafür werden teilweise Karten des 5G-Ausbaus und von Corona-Ausbrüchen über- oder nebeneinander gelegt.

Dass es für einen Zusammenhang zwischen 5G und dem neuartigen Coronavirus keinerlei Belege gibt, haben wir bereits hier erklärt. Einen Faktenfuchs zu der Frage, ob 5G in anderer Form die Gesundheit schädigen könnte, finden Sie hier.

Bei 5G und Corona passt viral Vieles zusammen

Dass die Behauptung eines Zusammenhangs von Corona und 5G so sehr verfängt, hat verschiedene Gründe. Zunächst gibt es eine heftige Debatte über die Gefahren von 5G-Mobilfunktechnik. Die Sorgen vor der zusätzlichen Handystrahlung sind in Teilen der Bevölkerung groß und die Community der Mobilfunkgegner ist sehr aktiv. Außerdem befeuert die Corona-Pandemie momentan den Meinungsaustausch über soziale Medien. Und da die Verunsicherung wegen der Pandemie verständlicherweise groß ist, verlaufen Diskussionen nicht unbedingt immer sachlich. So entsteht ein idealer Nährboden für Verschwörungstheorien.

Hinzu kommt, dass auch Prominente wie der US-Schauspieler Woody Harrelson die These weiterverbreiten. Auch manche Verschwörungsideologen wie der bereits erwähnte David Icke erreichen sehr viele Menschen: Auf Youtube folgen Icke über 800.000 Menschen. Er hatte unter anderem den Mythos in die Welt gesetzt, die Menschheit werde von Reptilienwesen kontrolliert.

Forscher bezeichnet die Behauptung als "Quatsch"

Die 5G-ist-schuld-an-Corona-Erzählung arbeitet mit unbelegten Behauptungen – etwa, dass 5G das Immunsystem schwächt und deshalb die Infektion mit dem Coronavirus begünstigt. Simon Clarke, Zellbiologe der Universität von Reading hat dies im Interview mit der "BBC" als "Quatsch" bezeichnet. Zwar könne Strahlung grundsätzlich den Körper aufheizen. Aber das Energieniveau von 5G-Strahlen sei nicht annähernd stark genug, um das Immunsystem zu beeinflussen.

Laut dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) gibt es auch ansonsten keine wissenschaftlichen Hinweise darauf, dass 5G die Ausbreitung von Viren in irgendeiner Form beeinflussen oder Auswirkungen auf das Immunsystem haben könnte:

"Aus wissenschaftlicher Sicht entbehren alle Spekulationen jeglicher Grundlage. Weder in der Biologie noch in der Physik gibt es entsprechende Anhaltspunkte: 5G verursacht weder Zellabbau noch grippeähnliche Symptome. Auch eine negative Wirkung von hochfrequenten elektromagnetischen Feldern – und damit auch Mobilfunkstrahlung – auf das Immunsystem ist bislang nicht wissenschaftlich nachgewiesen." Bundesamt für Strahlenschutz

Eine zurückgezogene Studie wird häufig zitiert

Ein besonders aufwändiges Beispiel dafür, wie solche Erzählungen pseudowissenschaftlich belegt werden, ist ein vermeintlich wissenschaftlicher Artikel, der in einem fragwürdigen Fachmagazin zunächst publiziert und inzwischen zurückgezogen wurde. Über die sozialen Netzwerke wird der Artikel von Verschwörungsideologen jedoch weiterhin verbreitet – teilweise mit dem Zusatz, dass der Artikel inzwischen "auf politischen Druck hin" zurückgezogen worden sei.

Der Artikel trägt den Titel "5G Technology and the induction of coronavirus in cells" (Die 5G-Technologie und die Einführung des Coronavirus in Zellen). Die zentrale These lautet:

“5G-Millimeterwellen könnten von dermatologischen Zellen, die sich wie Antennen verhalten, absorbiert und an andere Zellen übertragen werden und die Hauptrolle dabei spielen, Coronaviren in biologischen Zellen herzustellen“.

Der vermeintliche Fachartikel war am 16. Juli 2020 zunächst in einem Magazin namens "Journal of Biological Regulators and Homeostatic Agents" erschienen und wurde auch in Pubmed, einer Meta-Datenbank für medizinische Fachartikel der "Nationalen Medizinischen Bibliothek" der Vereinigten Staaten aufgenommen. Pubmed macht Zusammenfassungen ("Abstracts") von mehr als 30 Millionen wissenschaftlichen Artikeln durchsuchbar und stellt sie seinen Lesern zu Verfügung. Das Magazin hat den Artikel – offenbar auf Kritik von Faktencheckern hin inzwischen zurückgezogen; auch auf Pubmed erscheint nun der Hinweis "retracted" (zurückgezogen).

"Der schlechteste Artikel des Jahres 2020?"

Für den Artikel wurden keinerlei Versuche durchgeführt. Er enthält auch keinerlei Belege für seine Hypothesen. Mahadevappa Mahesh, Professor für Radiologie und Kardiologie an der Johns Hopkins University School of Medicine, sagte gegenüber der französischen Nachrichtenagentur AFP, die darin enthaltenen Diagramme machten "keinen Sinn" und die niederländische Mikrobiologin und Beraterin für wissenschaftliche Integrität Elisabeth Bik fragt in einer ausführlichen Analyse, ob es womöglich der "schlechteste Artikel des Jahres 2020" sei.

Sowohl die Autoren des Artikels als auch das Fachjournal, in dem der Artikel zunächst erschien, fielen in der Vergangenheit durch dubiose Praktiken auf: So hat einer der Autoren für frühere Studien Vögel enthauptet, um zu beweisen, dass diese auch ohne Kopf weiterleben könnten. Er behauptet außerdem, dass weibliche und männliche DNA Radiowellen aussenden, die sich gegenseitig löschten.

Das Magazin, in dem der Artikel veröffentlicht wurde, gibt auf seiner Webseite zwar an, dass alle Einreichungen von Experten gelesen und bewertet werden ("peer-reviewed"), wirbt aber mit auffälligen Praktiken um Einreichungen, verlangt nicht näher bezifferte Geldbeträge für die Veröffentlichung und führt in einem kaum leserlichen Abdruck seines "editorial board" (Redaktion) unter anderem Wissenschaftler auf, die bereits verstorben sind.

Fazit: Die Verschwörungserzählung, dass 5G-Wellen das neuartige Coronavirus produzieren, zu seiner Verbreitung beitragen oder diese erleichtern, indem sie das Immunsystem schwächen, ist bereits seit Monaten im Umlauf. Die Behauptungen entbehren jeder wissenschaftlichen Grundlage und wurden von verschiedenen Forschern und dem Bundesamt für Strahlenschutz bereits als haltlos zurückgewiesen.

In den letzten Wochen wird ein Zusammenhang zwischen 5G und dem neuartigen Coronavirus wieder vermehrt unter Berufung auf einen vermeintlichen Fachartikel behauptet. Der Artikel erschien kurzzeitig auf einer seriösen US-amerikanischen Medizin-Metadatenbank, wurde aber inzwischen zurückgezogen. Sowohl die Autoren als auch das vermeintliche Fachmagazin, in dem er veröffentlicht wurde, sind in der Vergangenheit durch dubiose Praktiken aufgefallen.

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