Auf dem Podium: Anne L'Huillier auf der Nobelpreisträgertagung in Lindau.
Bildrechte: Torben Nuding/Lindau Nobel Laureate Meetings

Anne L'Huillier auf der Nobelpreisträgertagung in Lindau.

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Nobelpreisträgerin in Lindau: Auf Tagung mit Anne L'Huillier

Anne L'Huillier ist Nobelpreisträgerin für Physik. Dieses Jahr ist sie das erste Mal auf der Nobelpreisträgertagung in Lindau. Wie ist es als der Star unter den Forschenden?

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Die Welt am Abend am .

Unerwartet und ohne jede Vorwarnung kommt der alles verändernde Anruf des Nobelkomitees - und plötzlich ist man Nobelpreisträgerin. So ging es Anne L'Huillier im Oktober 2023, als sie gemeinsam mit Ference Krausz und Pierre Agostini den Nobelpreis für Physik erhielt.

Dementsprechend ist sie dieses Jahr das erste Mal auf der Nobelpreisträgertagung in Lindau. Sie will endlich wieder über ihre Forschung sprechen und sich mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern über interessante Fragen austauschen.

Terminkalender einer Nobelpreisträgerin: Wenig Zeit für Forschung

Die letzten Wochen und Monate hingegen hatte sie keine Zeit mehr für ihre Forschung zu Elektronen in Lichtimpulsen. Diese Grundlagenforschung beschäftigt die Atomphysikerin seit 40 Jahren und führte schließlich zu der hohen Auszeichnung, die sie sich mit Ference Krausz und Pierre Agostini teilt.

Jetzt ist ihr Terminkalender prall gefüllt mit Interviewanfragen und Einladungen zu Veranstaltungen. Sie fühle sich verpflichtet, diese möglichst alle wahrzunehmen, vor allem, weil sie eine der wenigen Frauen sei, die bislang den Nobelpreis erhalten haben. Die Lindauer Nobelpreisträgertagung zeigt zwar, dass das Verhältnis von weiblichen und männlichen exzellenten Forschern mittlerweile ausgewogen ist, aber viele sind noch am Anfang ihrer Karriere und einige werden abgeworben von der Industrie.

L'Huillier will junge Forscher unterstützen

L'Huillier spricht gerne mit den jüngeren Kolleginnen und Kollegen und sieht neben der Forschung ihre Hauptaufgabe darin, diese auf ihrem akademischen Weg zu unterstützen. Aus aller Welt kommen die Nachwuchskräfte von Universitäten und Forschungseinrichtungen für die Tagung. Sie alle wissen, wie schwierig die akademische Laufbahn ist und dass die Chance, eine gute Mentorin oder einen guten Mentor zu finden, das Wichtigste ist, um voranzukommen.

Überall, wo L'Huillier in Lindau auftaucht, folgen ihr junge Forschende und versuchen, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Das ist gewollt - und im Programm gibt es kleine, exklusive Gesprächsrunden und Möglichkeiten, in den Pausen und bei den schön gestalteten Abendveranstaltungen miteinander zu sprechen.

Gefragt nach der eigenen Vision, gibt die Atomphysikerin offen zu, dass sie bislang keine Chance hatte, über ihre eigene Perspektive nach dem Nobelpreis nachzudenken. Sie will auf jeden Fall zu ihrer Forschung an die Universität Lund nach Schweden zurückzukehren und in der Lehre weitermachen. Als Leiterin der Gruppe für Attosekundenphysik kümmert sie sich neben fachlichen Fragen um die Finanzierung, stellt Anträge. Sie betont, wie wichtig die Ausbildung ist. Und sie ist auch gefragt in den Momenten, wo Forschende mit Frust zurechtkommen müssen, wenn wieder einmal ein Antrag für Fördergelder oder eine Veröffentlichung von Forschungsergebnissen in einer naturwissenschaftlichen Fachzeitschrift abgelehnt wurde.

Aktuell will sie aber vor allem endlich Urlaub machen in ihrem Heimatland Frankreich – aber auch für diese Zeit sind schon wieder Interviewanfragen in ihrem Postfach eingegangen. "Ich wollte nie ein Star sein", sagt sie und entschuldigt sich im nächsten Moment dafür. Sie sei einfach nur müde, aber natürlich auch stolz, denn L'Huillier bekam neben dem Nobelpreis auch noch die höchste Auszeichnung Schwedens verliehen: den Kommandeur des Nordstern-Ordens. Jeder kennt sie jetzt, und das wird so bleiben.

Preisträger: "Nicht weise geworden durch den Nobelpreis"

Auch eine Nobelpreisträgerin holt sich daher Rat auf der Nobelpreisträgertagung, und zwar bei Kollegen, die den Preis schon früher bekommen haben. Johannes Georg Bednorz zum Beispiel, Nobelpreisträger für Physik 1987, vom Forschungszentrum von IBM in Rüschlikon bei Zürich sagt dazu: "Tief Luft holen. Und man sollte bedenken, dass der Preis einen nicht zu einem allwissenden Wissenschaftler macht. Man ist vielleicht versucht, zu allen Fragen des Lebens kompetente Antworten geben zu müssen. Aber es ist nicht der Fall, dass man so weise geworden ist durch den Preis."

Gerade hat er ein Interview zum Thema Quantenphysik abgesagt, denn das sei nicht sein Forschungsfeld und er könne dazu nichts Vernünftiges sagen. Ähnliches gilt auch für viele andere Fragen. Nobelpreisträger der Physik möchten nicht zu Botschaftern gemacht oder als Meinungsträger in Bezug auf politische oder wirtschaftliche Fragen instrumentalisiert werden.

Ihre Motivation ist und bleibt die Neugier für ihre Forschung, die Begeisterung für wissenschaftliche Fragestellungen. Diese Bescheidenheit bei der eigenen Bewertung steht im starken Kontrast zur Bedeutung ihrer Forschungsergebnisse. Das wird spätestens dann klar, wenn man sich die Fachvorträge der vielen Postdoktorandinnen und Postdoktoranden anhört, deren Forschung maßgeblich von den Ergebnissen der großen Vorbilder geprägt ist.

Physik-Nobelpreis: Gamechanger für die Computertechnologie

L'Huilliers Entdeckung ist ein Gamechanger für viele Forschende, denn der Attosekundenpuls bietet neue und bessere Möglichkeiten, die Bewegungen von Elektronen zu untersuchen. Vorträge von anderen Forschenden machen deutlich, dass sich durch die Attosekundenphysik Laboranordnungen verändern und bessere Ergebnisse erzielt werden – und das ist eine große Chance für die molekulare Physik. Dadurch ergeben sich Anwendungsmöglichkeiten, etwa in Form besserer Computer oder Smartphones, sagt die Nobelpreisträgerin gespannt. Gefragt nach der Wahrnehmung von Wissenschaft in der Gesellschaft sagt sie nur, es brauche Respekt.

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