Die Abkehr von fossilen Brennstoffen, die der Klimagipfel in Dubai heute Morgen beschlossen hat, ist ein Klima-Kompromiss, den viele Beobachter begrüßen. Einen "historischen Pakt", wie Konferenzpräsident Sultan Al-Dschaber, zugleich Chef des staatlichen Ölkonzerns der Vereinigten Arabischen Emirate, den Abschlusstext bezeichnete, sehen die meisten Experten allerdings nicht.
Erstmals hatte eine UN-Klimakonferenz die Weltgemeinschaft aufgefordert, sich von Kohle, Öl und Gas ab- und zu erneuerbaren Energieträgern hinzuwenden. Ein zuvor von mehr als 100 Staaten, darunter auch von der EU, geforderter klarer Ausstieg fand in dem Abschlusstext von Dubai allerdings keinen Niederschlag.
Keine historische Lösung
Fachleute sehen das COP28-Abschlusspapier dementsprechend eher als Schritt in die richtige Richtung denn als "historische" Lösung. Der Beschluss der Klimakonferenz sei "zu schwach und trotzdem ein Riesenschritt", sagte der Politische Geschäftsführer der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch, Christoph Bals. Die im Abschlussdokument enthaltene Zielvorgabe, die weltweiten Kapazitäten an erneuerbaren Energien bis 2030 zu verdreifachen und die Energieeffizienz im selben Zeitraum zu verdoppeln, sei "ein starkes Signal an die Welt", aber "zu wenig", um das Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken, in Reichweite zu halten.
Auch Julia Pongratz, Klimaforscherin an der Ludwig-Maximilians-Universität München, äußert sich eher enttäuscht zu den Beschlüssen von Dubai. "Das Dokument ist stark im Signal, aber schwach in der Substanz", sagte die Wissenschaftlerin. Sehr viel Schlupflöcher seien bei der COP28 bewusst offengelassen worden. Beispielsweise sei nicht klar festgelegt worden, welche Art von fossilen Energieträgern in welchem Zeitraum wirklich abgeschaltet werden soll.
Ende des fossilen Zeitalters
Optimistischer bewertetet der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Ottmar Edenhofer, die Beschlüsse von Dubai: "Jetzt geht es um das Ende des fossilen Zeitalters – das ist ein echter Fortschritt", sagte der Wirtschaftswissenschaftler. Positiv hervorzuheben seien vor allem die Aussagen der COP zur Verdreifachung der Kapazität für erneuerbare Energien bis zum Jahr 2030 sowie zu Finanzhilfen für den Ausgleich von Klimaschäden und für Klimawandel-Anpassung. Gleich zu Beginn der Weltklimakonferenz war ein Fonds zur Behebung von Klimaschäden beschlossen worden.
Auch umstrittene Technologien sollen unterstützen
Das Abschlussdokument von Dubai hält fest, dass eine Verringerung der globalen Treibhausgasemissionen um 43 Prozent bis 2030, um 60 Prozent bis 2035 und Treibhausneutralität bis 2050 notwendig ist, um die durchschnittliche globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken. Um dies zu erreichen, fordert die Konferenz die Vertragsstaaten unter anderem zu einer Verdreifachung der globalen Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen und zu einer Verdopplung der Energieeffizienz auf. Zudem sollen emissionsarme oder -freie Technologien schneller zum Einsatz kommen. Ausdrücklich werden dabei auch umstrittene Technologien wie Kernenergie oder CO2-Speicherung (CCS - Carbon Capture and Storage) erwähnt. Bei letzterer wird Kohlendioxid bei der Produktion eingefangen und in geologische Speicher unterirdisch eingelagert.
CO2-Speicherung hat nur geringes praktisches Potenzial
Eine Technologie, die als Schlupfloch von Experten wie LMU-Klimaforscherin Julia Pongratz kritisch gesehen wird: "Es gibt sehr großes hypothetisches Potenzial in ganz vielen Methoden durch CCS. Die Frage ist, was sind denn die praktischen Potenziale?" Diese seien viel geringer und mit großen Risiken verbunden und machten, "wenn man sich großskalig auf CCS verlässt, ökonomisch keinen Sinn". Und auch die Rückkehr zur Atomkraft sei kein gangbarer Weg, so Pongratz: Es sei schwierig, das Risiko des Klimawandels gegen das von nuklearem Abfall abzuwägen.
Neben LMU-Forscherin Julia Pongratz beklagen auch andere Experten wie Oxfam-Klimaexperte Jan Kowalzig "problematische Schlupflöcher" im COP28-Abschlussstext. Als Beispiel nennt Kowalzig den Verweis auf Erdgas als Übergangslösung, welcher der fossilen Industrie "als Rechtfertigung für den weiteren Ausbau der Gasförderung" dienen könne.
Wandel mit offenen Armen empfangen
LMU-Klimaforscherin Pongratz appellierte, "den Wandel mit offenen Armen zu empfangen". Die Wissenschaft sei in ihren Aussagen absolut klar. Und deshalb sei es schade, dass die Aussagen in Dubai ein Signal brächten, aber nicht wirklich aufgezeigt werde, wie konkret der Pfad zu den Zielen verlaufen soll.
Wichtig sei es, dass es bei Klimamaßnahmen nicht um eine Verzichtsdebatte gehe, ergänzt Klimaforscherin Julia Pongratz. "Natürlich werden sich Bedingungen verschieben, das muss man transparent machen." Gleichzeitig hätten die CO2-emittierenden Staaten aber auch eine Verantwortung gegenüber dem globalen Süden, wo die Folgen des Klimawandels viel stärker zu spüren seien. "Von daher müssen wir uns hier im globalen Norden für eine globale Gerechtigkeit mehr an der Nase packen und voranschreiten."
Der Artikel vom 13.12.2023 wurde aufgrund neuer Informationen am 18.12.2023 aktualisiert.
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