Ein Straftäter steht vor einem vergitterten Fenster in einer Klinik für Forensische Psychiatrie in Brandenburg (Archivbild).
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Ein Straftäter steht vor einem vergitterten Fenster in einer Klinik für Forensische Psychiatrie in Brandenburg (Archivbild).

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Schuldunfähigkeit: Was es bedeutet und wie viele es betrifft

Schuldunfähigkeit: Was es bedeutet und wie viele es betrifft

"Keine Strafe ohne Schuld", das gilt in Deutschland. Damit verknüpft ist die Schuldunfähigkeit. Anstelle einer Haft kann die Unterbringung in einer Klinik angeordnet werden – ohne dass die Betroffenen zunächst wissen, wann die Behandlung beendet ist.

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Trotz Straftat sitzen Täter nicht in einem typischen Gefängnis – das sorgt in Kommentarspalten immer wieder für Unverständnis. Hintergrund ist die Schuldunfähigkeit.

In Deutschland kann eine Person nur bestraft werden, wenn sie auch schuldhaft gehandelt hat. Nur wer fähig ist, das Unrecht einer Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, kann eine Strafe erhalten.

Keine Strafe ohne Schuld

Ohne Schuld handelt jemand laut Strafgesetzbuch (StGB), wenn er bei der Tat diese Einsichts- und Steuerungsfähigkeit nicht hatte, weil einer der folgenden Gründe vorlag:

  • krankhafte seelische Störung (beispielsweise schizophren-affektive Psychosen)
  • tiefgreifende Bewusstseinsstörung ("Affekttaten")
  • Intelligenzminderung (unvollständige Entwicklung der geistigen Fähigkeiten)
  • schwere andere seelische Störung (zum Beispiel Neurosen)

Schuldunfähig ist in Deutschland außerdem, wer bei Tatbegehung noch nicht vierzehn Jahre alt war.

Wie viele Täter sind schuldunfähig?

In Bayern waren 2022 (externer Link) über alle Straftaten hinweg von insgesamt 114.815 Abgeurteilten (also Verurteilte und Personen, gegen die andere Entscheidungen wie Einstellung oder Freispruch getroffen wurden) 151 Personen schuldunfähig (rund 0,1 Prozent). Darunter gab es bei neun Personen keine Anordnung für eine weitere Unterbringung.

Für Deutschland liegen Daten für 2021 (externer Link) vor. Damals gab es 1.147 schuldunfähig Abgeurteilte von insgesamt 815.199 Personen. 125 davon mussten nicht untergebracht werden. Der Anteil derer, die für schuldunfähig erklärt werden, ist über die vergangenen Jahre ähnlich geblieben.

Darüber hinaus kann jemand vermindert schuldfähig sein: Die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, war erheblich vermindert. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt dann beispielsweise eine Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. Darüber hinaus ist die Unterbringung in einer Klinik möglich.

Unterbringung in einer Klinik, wenn Person gefährlich

Aber was heißt "Unterbringung"? "Wenn die Schuldunfähigkeit feststeht, darf die Reaktion des Staates keine normale Strafe sein", erklärt Prof. Katrin Gierhake vom Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Internationales Strafrecht und Rechtsphilosophie an der Universität Regensburg im Gespräch mit BR24. Paragraf 63 des Strafgesetzbuchs regelt, wann das Gericht eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anordnen soll. Dort heißt es, dass von der schuldunfähigen Person infolge ihres "Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten" zu erwarten sind und sie deshalb für die Allgemeinheit gefährlich sei. Die Verhältnismäßigkeit muss dabei gewahrt werden.

Auch was "erhebliche rechtswidrige Taten" sind, wird näher erklärt: Entweder solche, die das Opfer seelisch oder körperlich erheblich schädigen oder gefährden – Gierhake nennt als Beispiel Körperverletzungen mit länger anhaltendem Leiden oder gravierende Angstzustände. Oder solche Taten, die schweren wirtschaftlichen Schaden anrichten – etwa Betrügereien, bei denen der Schaden höher als 5.000 Euro ist. Für die Einweisung in eine Klinik muss ein Psychiater oder Gutachter feststellen, dass der Täter für die Allgemeinheit oder sich selbst gefährlich ist.

Maßregelvollzug als Behandlung

Die Unterbringung in einer Klinik, der sogenannte Maßregelvollzug, wird dabei nicht als Strafe verstanden, sondern als Behandlung. So auch die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB). Dorthin kann jemand gebracht werden, der eine rechtswidrige Tat im Rausch oder im Zusammenhang mit einer Sucht begangen hat. "Es muss die Gefahr bestehen, dass die Person weitere erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird, sowie die Erwartung, dass die Person von ihrer Abhängigkeit geheilt werden kann", heißt es vom Zentrum Bayern Familie und Soziales (ZBFS).

Dauer der Unterbringung nach anderem Prinzip geregelt

Die Dauer einer Unterbringung steht zunächst nicht fest. Gierhake erklärt: "Sie richtet sich nicht nach der Schuld – das ist bei Strafunfähigkeit der Unterschied zum Strafvollzug. Wenn Schuld als Maßstab wegfällt, gilt ein anderes Prinzip – und das ist hier, solange man erwartet, dass die Person gefährlich ist." Der Zustand wird regelmäßig überprüft. Bei Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus lag die durchschnittliche Dauer zuletzt bei 7,79 Jahren, rechnete das Amt für Maßregelvollzug aus (wenn der Aufenthalt 2023 beendet wurde).

Nach der Entlassung aus dem Maßregelvollzug tritt für mehrere Jahre die sogenannte Führungsaufsicht ein. Die Personen werden nachsorgend betreut und überwacht.

In Kommentaren wird immer mal wieder gemutmaßt, was härter ist: Strafvollzug oder Maßregelvollzug? "Für Betroffene ist eine Einweisung nicht zwingend milder", sagt Gierhake bezüglich der Unterbringung in einer Klinik. Auch das ZBFS, zu denen das Amt für Maßregelvollzug gehört, verweist auf BR24-Nachfrage auf den "gerichtlich angeordneten Freiheitsentzug, der für die untergebrachten Personen selbstverständlich einen großen Eingriff darstellt".

In Bayern sind die Bezirke für den Maßregelvollzug zuständig. Derzeit gibt es im Freistaat laut ZBFS 14 Maßregelvollzugseinrichtungen. Dort waren Ende 2023 insgesamt 3.075 Personen untergebracht, wobei nicht alle im Moment der Tat als schuldunfähig oder vermindert schuldfähig galten.

Maßregeln verbessern?

"Strafe soll nicht in dem Sinne auf die Tat reagieren, als dass man einem Übel ein weiteres Übel zufügt", sagt Prof. Michael Kubiciel, Inhaber des Lehrstuhls für Deutsches, Europäisches und Internationales Straf- und Strafprozessrecht, Medizin- und Wirtschaftsstrafrecht der Universität Augsburg, zu BR24. Der Gedanke der Vergeltung liege nicht dem modernen Strafrecht zugrunde. Wenn jemand zum Tatzeitpunkt nicht in der Lage war, sich gemäß der Normen zu verhalten und Unrecht einzusehen, "dann ist der Vorwurf 'Du hast die Norm verletzt' ein sinnloser".

Die Kriterien, nach denen sich die Schuldfeststellung bemisst, haben sich seit Jahrzehnten nicht verändert. Über eine Verbesserung der Maßregeln könne man aber immer reden: "Wenn man etwas ändern wollte, was der Gesellschaft helfen würde, dann wäre das nicht die Forderung nach mehr Strafe und mehr Wegsperren im Strafvollzug", sagte Kubiciel. "Allerdings läge die Lösung in einem sehr teuren und arbeitsintensiven Verbessern der Maßregeln zur Besserung und Sicherung."

Aber er fügte hinzu: "Die Antwort kann nicht sein: Weil wir zu wenig Geld haben, sperren wir Menschen ins Gefängnis, ohne da irgendetwas für sie Besseres zu bewirken, wenn wir ihnen in Bezug auf die Tat, derentwegen wir sie einsperren, keinen Vorwurf machen können. Das wäre verfassungswidrig."

Strafen, wenn man sich vorsätzlich oder fahrlässig in Rausch versetzt

"Fein raus" ist jemand übrigens nicht, wenn er etwa nach zu starkem Alkoholkonsum eine schwere Straftat begeht und dann als schuldunfähig gilt. Denn im Strafgesetzbuch (§ 323a) steht: "Wer sich vorsätzlich oder fahrlässig durch alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel in einen Rausch versetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn er in diesem Zustand eine rechtswidrige Tat begeht und ihretwegen nicht bestraft werden kann (...)." Heißt also: Weil man schuldunfähig ist, wird man zwar nicht für die begangene Tat bestraft, aber womöglich dafür, dass man sich beispielsweise betrunken hat. Wann die Schuldunfähigkeit greift, wird auch hier im Einzelfall geprüft. Als Richtwert gilt ein Blutalkoholwert ab drei Promille.

Im Audio (Archiv): Wie ist der Alltag in der Forensik?

Symbolbild: Blick aus dem Fenster Patienten-Wohngruppe der LWL-Klinik für Forensische Psychiatrie Dortmund
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Symbolbild: Blick aus dem Fenster Patienten-Wohngruppe der LWL-Klinik für Forensische Psychiatrie Dortmund

Dieser Artikel ist erstmals am 16.04.2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel aktualisiert und erneut publiziert.

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