Welche Auswirkungen hat das Coronavirus auf Schwangere? Das ist insbesondere für Betroffene eine essenzielle Frage. Forscher um Shakila Thangaratinam vom WHO Collaborating Centre for Global Women’s Health an der University of Birmingham haben jetzt die Ergebnisse von insgesamt 77 Studien zu diesem Thema zusammengetragen. Dabei kam heraus: Mit dem Coronavirus infizierte schwangere Frauen haben im Vergleich zu nicht schwangeren Frauen mit einer Infektion seltener Fiebersymptome und Muskelschmerzen.
- Coronavirus-FAQ: Das sollten schwangere Frauen jetzt wissen
Außerdem werde laut der Analyse der Wissenschaftler, die im Fachblatt British Medical Journal (BMJ) veröffentlicht wurden, bei Corona-infizierten Schwangeren häufiger eine Geburt eingeleitet als bei nicht-infizierten Schwangeren. Die Rate spontaner Frühgeburten, also von selbst einsetzender Wehen, ist hingegen kaum erhöht. Dieses Ergebnis können auch Gynäkologen aus der Praxis bestätigen.
Erfahrungen der Gynäkologen mit schwangeren Covid-19-Patienten
So sagt Dietmar Schlembach von der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. auf Anfrage des BR, dass Schwangere nach der derzeitigen Kenntnis tatsächlich weniger die typischen Symptome einer Infektion wie Fieber und Muskelschmerzen zeigten. Bei Frauen mit Grunderkrankungen verlaufe die Infektion mit dem Coronavirus auch nach den Erfahrungen Schlembachs allerdings schwerer und gehe mit mehr Problemen einher. Dass es bei infizierten Frauen häufiger zu einer Frühgeburt komme, müsse aber nicht unbedingt eine Folge der Infektion mit dem Coronavirus sein.
"Bei einer Coronainfektion kommt es häufiger zu einer Frühgeburt. Ob dies durch einen direkten Einfluss der Infektion auf die Schwangerschaft verursacht ist oder eher auf die Notwendigkeit zurückzuführen ist, wegen einer Infektion der Mutter entbinden zu müssen, ist derzeit noch unklar.“ PD Dr. Dietmar Schlembach von der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. und Chefarzt an der Klinik für Geburtsmedizin am Vivantes Klinikum in Berlin-Neukölln
Schwangere mit Covid-19: Noch wenige Daten
Zuvor hatte sich schon Susanne Modrow, Professorin am Institut für Mikrobiologie und Hygiene in Regensburg und Expertin für Virusinfektionen in Schwangerschaften, zur Studienanalyse geäußert. "Akute Infektionen haben in der Spätphase der Schwangerschaft häufig das Risiko einer verfrühten Geburt", kommentierte sie die Ergebnisse. Eine generelle Gefährdung von Schwangeren mit einer Covid-19-Erkrankung sieht die Virologin aber nicht. "Dass Schwangere jetzt besonders gefährdet sind im Vergleich zu Nicht-Schwangeren - dafür gibt es noch zu wenige stichhaltige Daten." Klar sei aber - wie auch in der Studie beschrieben - dass es bei Vorerkrankungen der Mütter wie Bluthochdruck, Diabetes oder Übergewicht, bei einer Coronavirus-Infektion häufiger zu Komplikationen kommen könne.
Warum Schwangere weniger Symptome haben könnten
Dass bei Schwangeren mit einer Coronavirus-Infektion seltener Fiebersymptome und Muskelschmerzen auftreten, könnte nach Ansicht der Virologin auch eine ganz simple Ursache haben. So werden schwangere Frauen bei der Einweisung ins Krankenhaus grundsätzlich auf das Coronavirus getestet. Bei Frauen, die nicht schwanger sind, erfolge der Test hingegen nur, wenn sie Symptome zeigten.
Symptome bei infizierten Schwangeren: Immunsystem entscheidend
Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte, der sich ebenfalls zur Studie äußerte, führt die milderen Symptome hingegen auf das Immunsystem der schwangeren Frauen zurück. "Das Immunsystem von Schwangeren ist herunterreguliert, damit das Baby nicht als Fremdkörper erkannt und eine Abstoßungsreaktion eingeleitet wird." Wegen des heruntergefahrenen Immunsystems findet eine geringere Auseinandersetzung des Körpers mit den Krankheitserregern statt, was ein Grund für die schwächeren Symptome bei infizierten Schwangeren sein könne, so Albring.
Schwangere: Infektion mit Coronavirus vermeiden
Eine Infektion mit dem Coronavirus solle nach Ansicht Modrows, der Virologin aus Regensburg, aber schon allein deshalb bei schwangeren Frauen vermieden werden, weil eine Behandlung mit dem Medikament Remdesivir, das vor allem bei beatmeten Covid-19-Patienten eingesetzt wird, für Schwangere nicht zugelassen sei.
Keine Hinweise auf Langzeitschäden bei Ungeborenen
Es gibt aber auch beruhigende Aspekte für in der Corona-Krise schwangere Frauen: So sei eine Übertragung des Erregers auf das Ungeborene im Mutterleib "extrem selten" und auch für eine Schädigung des Ungeborenen aufgrund einer Coronavirus-Infektion mit lebenslangen Beeinträchtigungen gebe es "keine Hinweise", wird Modrow in einer Mitteilung der Deutschen Presseagentur zitiert. Auch die Anzahl von Totgeburten oder Todesfällen bei Neugeborenen war bei infizierten Schwangeren nach Auswertung der Studien nicht höher.
Empfehlungen für Schwangere werden laufend aktualisiert
Auf die Frage, ob die Empfehlungen für Schwangere aufgrund der neuesten Studienanalysen nun revidiert werden müssten, sagte der Gynäkologe Schlembach gegenüber dem BR, dass die aktuellen Empfehlungen der Fachgesellschaften dazu ohnehin laufend überarbeitet werden würden, um den Betroffenen stets aktuelle Empfehlungen geben zu können.
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