Beteigeuze ist der zehnthellste Stern am Nachthimmel, doch seit Oktober 2019 wurde er deutlich dunkler. Im Februar 2020 war seine Helligkeit auf unter 40 Prozent gesunken. Manche interpretierten dies als Vorboten seines bevorstehenden Sternentods: Bald werde er in Form einer gewaltigen Supernova explodieren. Doch seit April 2020 strahlt Beteigeuze wieder mit gewohnter Helligkeit.
Großteil von Beteigeuze von Flecken bedeckt
Ein Forscher-Team unter Leitung der Astronomin Thavisha Dharmawardena vom Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) in Heidelberg konnte nun zeigen, dass Temperaturschwankungen der Photosphäre die Helligkeit von Beteigeuze veränderten. Die plausibelste Ursache für derartige Temperaturänderungen auf der leuchtenden Oberfläche des Sterns sind den Wissenschaftlern zufolge gigantische Sternflecken, die den Sonnenflecken ähneln. Bei Beteigeuze waren jedoch 50 bis 70 Prozent der Sternoberfläche mit den kühleren Flecken bedeckt, wie die Wissenschaftler in der Zeitschrift The Astrophysical Journal Letters berichten.
Riesengroß und gleißend hell
Beteigeuze bildet am Firmament die Schulter des Himmelsjägers Orion und ist der zweithellste Stern dieses Sternbilds. Schon mit bloßem Auge ist er als - jetzt weniger - heller roter Punkt am Himmel erkennbar. Der Riesenstern hat etwa zwanzig Mal so viel Masse wie die Sonne. Noch größer ist der Unterschied bei Ausdehnung und Strahlkraft: Beteigeuze hat mehr als tausend Mal so viel Durchmesser wie unser Heimatstern und leuchtet zehntausend Mal heller.
Als wahrscheinlichste Ursache für den starken Helligkeitsabfall galt, dass Beteigeuze Staub produziert und abstößt, der dann sein Licht absorbiert. Um diese Hypothese zu überprüfen, werteten Dharmawardena und ihre Kollegen Daten des Atacama-Pathfinder-Experiments und des James-Clerk-Maxwell-Teleskops aus. "Was uns überraschte: Beteigeuze wurde auch im Bereich der Submillimeterwellen um 20 Prozent dunkler", erklärte Steve Mairs vom East Asian Observatory, der an der Studie beteiligt war. Ein solches Verhalten lasse sich erfahrungsgemäß nicht mit der Anwesenheit von Staub vereinbaren.
Für eine präzisere Bewertung berechnete die Forschungsgruppe, welchen Einfluss Staub auf die Messungen in diesem Spektralbereich haben würde. Dabei stellte sich heraus: Eine Abnahme der Helligkeit im Submillimeterbereich lässt sich tatsächlich nicht mit einer Zunahme der Staubproduktion erklären. Das bedeutet: Der Stern muss die von den Astronomen gemessene Helligkeitsänderung selbst verursacht haben.
Beteigeuze - die Hand der Riesin
Im deutschen Sprachraum wird der Stern meist Beteigeuze genannt. Die offizielle Bezeichnung der Internationale Astronomische Union ist jedoch Betelgeuse. Die Schreibweise mit "i" statt "l" bürgerte sich vermutlich vor Jahrhunderten beim Kopieren von Handschriften ein. Damals wurde das "i" noch ohne Pünktchen geschrieben. Auch der Anfangsbuchstabe "B" von Betelgeuse ist nicht korrekt. Der Name des Sterns stammt aus dem Arabischen von yad al-ǧauzāʾ, übersetzt "Hand der Riesin". Beim Übertragen ins Lateinische wurde jedoch aus dem "Y" ein "B".
Beteigeuze ist mal heller, mal dunkler
Dass die Strahlkraft von Beteigeuze variiert, ist nicht ungewöhnlich. Die Ursache der Helligkeitsschwankungen des Roten Riesen ist jedoch ungewiss. Möglicherweise schlucken Wolken aus Materie, die der Riesenstern ins All bläst, vorübergehend das Licht. Im Dezember 2019 hatten Forscher um Edward Guinan von der Villanova-Universität in den USA die geringste Helligkeit von Beteigeuze seit den ersten derartigen Messungen vor knapp hundert Jahren gemeldet. Die auffällige Schwächeperiode scheine daher zu rühren, dass zwei Aktivitätszyklen des Sterns gleichzeitig ein teils ungewöhnlich tiefes Minimum erreicht hätten, schrieben die Forscher in Astronomer’s Telegram.
Früher Sternentod
Beteigeuze ist etwa acht Millionen Jahre alt. Das ist blutjung im Vergleich zur Sonne mit über 4,5 Milliarden Jahren. Doch Beteigeuze hat eine vergleichsweise geringe Lebenserwartung. Der Rote Riese verbrennt seine Energievorräte extrem schnell und wird deshalb bald als Supernova explodieren.
"Bald" ist allerdings relativ: In astronomischen Maßstäben bedeutet das irgendwann in den kommenden 100.000 Jahren. Möglicherweise dauert es aber noch viel länger, bis Beteigeuze explodiert. Wenn es aber einmal so weit ist, wird die Supernova am irdischen Himmel ein spektakulärer Anblick sein. Beteigeuze ist nur rund 640 Lichtjahre von der Erde entfernt. Als Supernova wird er vermutlich kurze Zeit so hell wie der Vollmond strahlen und auch am Tag zu sehen sein.
Der außergewöhnliche Helligkeitsverlust war also kein Vorbote für eine Supernova. Thomas Janka vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching bei München hielt solche Spekulationen auch im Januar 2020 nicht für plausibel. Wenn es überhaupt eine Veränderung gebe, sei eher zu erwarten, dass der Rote Riese vor einer Supernova-Explosion heller werde.
"Die Helligkeit der Hülle ist unabhängig vom Kern. (...) Beteigeuze ist ein Supernova-Kandidat, aber wann es soweit ist, lässt sich momentan nicht vorhersehen. Es kann in ein paar Jahren, in ein paar Jahrhunderten oder in ein paar Jahrtausenden soweit sein." Thomas Janka, Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching bei München, im Januar 2020
Beteigeuze interessiert nicht nur Astronomen. Der helle Stern hat auch zahlreiche Autoren inspiriert. Beteigeuze ist in der Romanreihe "Per Anhalter durch die Galaxis" von Douglas Adams das Heimatsystem der Protagonisten Ford Prefect und Zaphod Beeblebrox. Auf einem fiktiven Planeten um Beteigeuze spielt Pierre Boulles mehrfach verfilmtes Buch "Der Planet der Affen". Und der deutsche Schriftsteller Arno Schmidt bezieht sich in den physikalischen Abhandlungen seiner Erzählung "Leviathan" auf Beteigeuze.