Können wir die Ausrottung bestimmter Arten verhindern? Zumindest beim Luchs scheint das bisher gut zu funktionieren: In den 1970er-Jahren setzten Naturschützer mehrere der bis dahin hierzulande ausgerotteten Tiere im Bayerischen Wald aus. Weitere Auswilderungen in den 1980er-Jahren folgten. Seitdem ist der Bestand der Luchse in dieser Region auf 140 Tiere angewachsen, wie Marco Heurich, Chef des Wildtiermonitorings im Nationalpark Bayerischer Wald und Luchsexperte, schätzt.
Ob die anmutigen und scheuen Großkatzen hierzulande auch langfristig überleben, ist jedoch fraglich. Bedenken diesbezüglich sind berechtigt - wie Forschungen zur Genetik ausgewilderter Luchse zeigen, die vor wenigen Wochen im Fachblatt "Biological Conservation" veröffentlicht wurden. Auch Experte Heurich ist besorgt, wie er im BR-Interview erklärt.
- Zum Artikel "Luchs in Bayern: Heimkehrer auf leisen Pfoten"
Ausgewilderte Luchse: Gründe für Verlust genetischer Vielfalt
Warum die genetische Vielfalt bei wieder angesiedelten Luchsen im Vergleich zu natürlich vorkommenden Luchsen sinkt, liegt laut Heurich vor allem an der geringen Anzahl der wieder angesiedelten Tiere. Inzucht sei da nicht selten die Folge. "Wir kennen das aus der Nutztierhaltung, wenn man weniger als 100 Tiere hat, das ist so ein Schwellenwert, dann paaren sich auch mal Geschwister miteinander. Das führt zu einer reduzierten Vitalität der Population", erklärt Luchs-Experte Heurich.
Inzucht sei aber nicht der einzige Grund für den Verlust der genetischen Vielfalt bei den ausgewilderten Luchsen. Auch durch die sogenannte "genetische Drift", also wenn ein Tier mit besonderen genetischen Kennzeichen stirbt, schrumpft laut Heurich der Genpool.
Maßnahmen gegen die schrumpfende genetische Vielfalt der Luchse
Um die genetische Vielfalt der wieder angesiedelten Luchs-Population zu erhöhen - und damit das Überleben der Tiere auch langfristig in Mitteleuropa zu sichern - "fängt man momentan Luchse in den Karpaten und bringt sie nach Kroatien, lässt sie dort frei, sodass sie für eine genetische Auffrischung sorgen können", sagt der Wissenschaftler.
Kurzfristig kann diese Maßnahme den Luchsen helfen. Um langfristig die genetische Vielfalt einer Population zu erhalten, brauche man aber zwischen 500 und 1.000 Tiere, die sich miteinander paaren können, ist sich Luchsforscher Heurich sicher. Deswegen müsse das Ziel sein, die Lebensräume der Tiere, die riesige Reviere für sich beanspruchen, europaweit miteinander zu vernetzen, erklärt er.
Ein Szenario für eine solche Vernetzung wäre laut Heurich zum Beispiel eine Wiederansiedlung von Luchsen im Thüringer Wald. Würde man dort zwölf bis 16 Tiere aussetzen, könnte das in 50 Jahren zu mehr als einer Verdoppelung der Tiere in dieser Region führen, so Berechnungen der Forscher um Heurich.
Luchse durch Jagd und Straßenverkehr bedroht
Aber nicht nur durch den Schwund der genetischen Vielfalt sind wieder angesiedelte Luchse in ihrer Existenz bedroht. Viele der Tiere fallen der illegalen Jagd zum Opfer. Laut einer im Jahr 2018 veröffentlichten Studie sollen etwa 15 bis 20 Prozent der Tiere in Mitteleuropa so zu Tode kommen. Weitere Gefahren für die Tiere sind der Straßenverkehr sowie der Verlust von Lebensräumen - durch den Eingriff des Menschen in die Natur.
Gesichtetes Luchspaar im Fichtelgebirge macht Hoffnung
Eine Beobachtung aus dem vergangenen Jahr macht allerdings Hoffnung: Ein ausgewildertes Luchsweibchen wurde gemeinsam mit einem Luchs-Männchen von einer automatischen Kamera abgelichtet. Wenn die Jungtiere weiter in Kontakt bleiben, könnte es im nächsten Jahr im Fichtelgebirge vielleicht Luchsnachwuchs geben, so die Hoffnung der Wissenschaftler. Es wäre in dieser Region der erste seit mehr als 300 Jahren.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!