Die Corona-Pandemie macht uns das Leben schwer – das gilt auch für Kinder und vor allem für die Schule. Bereits vorangegangene Bildungsstudien haben gezeigt, dass die Unterrichtsversorgung durch die Pandemie leidet und dass Homeschooling die Vermittlung des Lernstoffs erschwert. Was das aber konkret für die Kompetenzen von Grundschülern in verschiedenen Fächern bedeutet, zeigt der heute vorgestellte IQB-Bildungstrend 2021.
Defizite in Deutsch und Mathematik
Bildungsforscher des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) an der Humboldt-Universität zu Berlin untersuchten das dritte Mal in Folge die Kompetenzen der Viertklässler in den Fächern Deutsch und Mathematik. Erhoben wurden die Daten der Studie von April bis August 2021, ein Jahr nach Beginn der Corona-Pandemie.
Das Ergebnis: Das Können der Schülerinnen und Schüler ist gegenüber den Jahren 2011 und 2016 bundesweit deutlich zurückgegangen. Schuld daran, da sind sich die Forscher einig, ist aber nicht nur das Pandemie-Geschehen. Die grundsätzlichen Befunde der Studie hatten die Bildungsforscher des IQB bereits im Juli vermeldet. Und schon damals lautete der Tenor, der sich jetzt im Detail bestätigt: Zu viele Kinder lernen in Deutschland viel zu wenig.
Viertklässler werden deutschlandweit schwächer
Nun, da die komplette Studie vorliegt, werden nicht nur Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern deutlich, sondern vor allem eine klare Tendenz in der Lernkurve deutscher Grundschüler, die steil nach unten zeigt. Der Anteil der leistungsstarken Schülerinnen und Schüler der vierten Klassen, die den Regelstandard Mathe und Deutsch erreichen oder übertreffen, hat deutschlandweit deutlich abgenommen. Zugleich nahm der Anteil jener Schülerinnen und Schüler, die den Mindeststandard in diesen Fächern nicht erreichen, in manchen Bundesländern deutlich zu.
Umso bemerkenswerter sei es, so die beteiligten Wissenschaftler der IQB-Studie, dass – entgegen der allgemein ungünstigen Entwicklung – in Bremen, Hamburg und Rheinland-Pfalz das erreichte Kompetenzniveau zwischen den Jahren 2016 und 2021 weitgehend gehalten werden konnte - wenn auch auf unterschiedlichem Niveau. Insgesamt seien die Ergebnisse allerdings besorgniserregend. "Die negativen Trends sind erheblich und der Anteil der Viertklässler:innen, die nicht einmal die Mindeststandards erreichen, ist zu hoch."
Probleme nicht erst seit Ausbruch der Corona-Pandemie
Der Vergleich mit den Erhebungen von 2011 und 2016 zeigt: Die Probleme an den Grundschulen existieren nicht erst seit Beginn der Corona-Pandemie. So stieg etwa die Zahl der Kinder, die in Mathe nicht einmal die Mindeststandards erreichen, 2021 gegenüber 2016 um sechs Prozentpunkte, gegenüber 2011 aber sogar um 10 Punkte. Gleiches gilt für die Lesekompetenz: Auch hier verschlechterten sich die durchschnittlichen Fähigkeiten der Viertklässler im Corona-Jahr 2021 nicht nur gegenüber den Leistungen 2016, sondern noch einmal deutlich gegenüber den Kompetenzen von 2011.
Als "ernüchternd" kommentierte Karin Prien (CDU), Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein und Präsidentin der Kultusministerkonferenz, die die IQB-Studie in Auftrag gegeben hatte, die Ergebnisse des IQB-Bildungstrend 2021. "Wir waren zwar bis 2016 in einzelnen Ländern auf einem guten Weg, die Bildungschancen der Viertklässlerinnen und Viertklässler zu verbessern. Jetzt aber sind wir deutlich zurückgefallen." Deutschland investiere zu wenig in den Elementarbereich, so Prien.
Mangelnde räumliche und technische Ausstattung
Die Gründe für das schlechte Abschneiden der Grundschüler sind vielfältig: Schulschließungen, Wechselunterricht und Distanzlernen während der Corona-Pandemie hat die meisten Kinder, aber vor allem jene aus sozial schwächeren Familien mit oder ohne Migrationshintergrund, beim Lernen zurückgeworfen.
Ob ein Kind die notwendigen Fähigkeiten in Deutsch und Mathematik entwickelte, hing laut IQB-Bildungstrend eindeutig mit den Lernbedingungen während der Pandemie zusammen, insbesondere mit der räumlichen und technischen Ausstattung zu Hause. Kinder, die mehr in Präsenz lernen konnten und die im Distanzunterricht Unterstützung durch ihre Eltern erhielten, schnitten in der Regel besser ab.
Bayern ebenfalls schlechter - aber besser als die meisten
Auch in Bayern fielen die Ergebnisse in Lesen, Schreiben und Rechnen im vergangenen Jahr schlechter aus. Doch im Ländervergleich stehen die bayerischen Viertklässler noch relativ gut da. So erreichten im Bereich Rechtschreibung 58 Prozent der bayerischen Schülerinnen und Schüler der vierten Klassen den Regelstandard - mehr als in allen anderen Bundesländern, jedoch weniger als bayerische Viertklässler im Jahr 2016. Damals waren es noch 67,6 Prozent. Bundesweit lag der Wert bei der Rechtschreibung 2021 im Durchschnitt bei 44 Prozent (2016: 53,9 Prozent).
In Mathematik erreichten knapp zwei Drittel (66,2 Prozent) der Viertklässler in Bayern den Regelstandard. 2016 hatten in Bayern allerdings noch 73,3 Prozent den Regelstandard erreicht. Auch mit dem Lesen taten sich die Viertklässler in Bayern schwerer, 67,7 Prozent schafften den Regelstandard, gut sechs Prozentpunkte weniger als 2016. Allerdings erreichten rund 14 Prozent der Schülerinnen und Schüler im Lesen nicht einmal den Mindeststandard.
Auch beim Zuhören sank die Zahl der Viertklässlerinnen und Viertklässler, die die Regelstandards erreichten, deutlich. Insgesamt teilen sich jedoch Bayern und Sachsen im bundesweiten Vergleich die ersten und zweiten Plätze in allen Disziplinen des IQB-Bildungstrends 2021.
BLLV: Auch bayerische Kinder "abgehängt"
Dass die bayerischen Viertklässler im Bundesvergleich noch relativ gut dastehen, erklärt Simone Fleischmann, die Präsidentin des Bayerischen Lehrerinnen und Lehrerverbands (BLLV), mit der sozioökonomischen Struktur in Bayern, die sich von der in anderen Bundesländern unterscheide. Damit lasse sich aber nicht wegdiskutieren, wie viele Kinder "auch in Bayern abgehängt werden und nicht mehr mitkommen und unsere Unterstützung brauchen."
Der Bericht zeige genau auf, welche Defizite die Lehrkräfte an den Schulen auffangen sollten, sagt Simone Fleischmann. "Die Kinder brauchen jetzt Förderung, sie brauchen Differenzierung." Dies sei jedoch angesichts des derzeitigen Mangels an Lehrkräften schwierig zu bewerkstelligen, so die BLLV-Präsidentin.
Piazolo: Kultusminister müssen Hausaufgaben machen
Bayerns Kultusminister Michael Piazolo sieht den Grund für die schwächeren Leistungen der Viertklässler in Mathe und Deutsch in den "pandemiebedingten schulischen Einschränkungen." Es gelte insbesondere die Unterschiede bei den äußeren Lernbedingungen die Kinder zu verbessern, erklärt der Minister. "Bei aller Freude über die Leistungen der bayerischen Schülerinnen und Schüler: Die Studie gibt den Kultusministern bundesweit auch Hausaufgaben auf. Wir müssen gemeinsam darauf hinwirken, dass die Kompetenzwerte wieder steigen."
Rund 1.400 Grundschulen beteiligt
Das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) hatte im vergangenen Jahr im Auftrag der Kultusministerkonferenz zum dritten Mal nach 2011 und 2016 die Fähigkeiten von Viertklässlern in Deutsch und Mathematik untersucht. Mehr als 26.000 Schüler der vierten Jahrgangsstufe aus rund 1.400 Schulen wurden bundesweit in die Studie einbezogen. In Bayern beteiligten sich im Zeitraum von Mai bis Juli 2021 Schülerinnen und Schüler an 88 Grundschulen und zwölf Förderschulen an dem Ländervergleich.
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