Zahlreiche mit Sprengstoff beladene russische Drohnen haben am Morgen die ukrainische Hauptstadt Kiew und andere Städte attackiert. Laute Explosionen erschütterten die Stadt, Gebäude brannten, Menschen retteten sich in Schutzräume. Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko sagte, es sei unter anderem das zentrale Stadtviertel Schewtschenko getroffen worden. Die Einwohner der Stadt rief er auf, Schutz zu suchen.
Bisher drei Tote in Kiew - landesweit mindestens sechs
Laut Kyrylo Tymoschenko, dem stellvertretenden Leiter des Präsidialbüros, wurden in Kiew drei Menschen getötet, als eine der Drohnen in ein vierstöckiges Wohnhaus gekracht sei. 19 Menschen seien aus den Trümmern gerettet worden, vier davon verletzt. Rettungskräfte suchten nach weiteren Opfern. Einer der Angriffe schien auf das Heizungsnetz der Stadt abzuzielen - eine Betriebszentrale wurde getroffen. Klitschko sprach von 28 Drohnen, die die Stadt in mehreren Wellen attackiert hätten.
Laut Behördenangaben wurden landesweit mindestens sechs Menschen getötet. Nach Angriffen auf wichtige Infrastruktur in drei ukrainischen Regionen waren hunderte Städte und Dörfer ohne Strom.
Karte: Die militärische Lage in der Ukraine
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Iranische Kamikaze-Drohnen im Einsatz
Der Leiter des ukrainischen Präsidialbüros, Andrij Jermak, schrieb in der Messaging-App Telegram, Russland habe Kiew unter anderem mit mutmaßlich vom Iran gelieferten Schahed-Drohnen angegriffen. Russland hat die sogenannten Kamikaze-Drohnen in den vergangenen Wochen mehrfach eingesetzt, um Stadtzentren und Infrastruktur zu attackieren. Der Iran hat in der Vergangenheit abgestritten, Russland mit Waffen beliefert zu haben, wenngleich der Chef der Revolutionsgarden sich damit brüstete, "Weltmächte" mit Waffen versorgt zu haben.
Ein Pressefotograf, der unterwegs war, um morgendliche Szenen einzufangen, fotografierte eine der Drohnen in Kiew. Auf dem Bild war der Gefechtskopf des Flugobjekts deutlich zu erkennen. In einem online verbreiteten Video waren auch anhaltende Schüsse zu hören - offenbar ein Versuch, eine Drohne abzuschießen. Allein in der Region Kiew seien 13 Drohnen abgeschossen worden, die aus südlicher Richtung gekommen seien, sagte ein Sprecher der ukrainischen Luftwaffe.
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Selenskyj: "Der Feind terrorisiert die Zivilbevölkerung"
"Die ganze Nacht und den ganzen Morgen terrorisiert der Feind die Zivilbevölkerung", erklärte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. "Kamikaze-Drohnen und Raketen greifen die ganze Ukraine an." Selenskyj betonte: "Der Feind kann unsere Städte angreifen, aber er wird nicht in der Lage sein, uns zu brechen." Präsidialamtsleiter Andrij Jermak erklärte, die Ukraine brauche "mehr Luftverteidigungssysteme und zwar so schnell wie möglich". Er forderte "mehr Waffen, um den Himmel zu verteidigen und den Feind zu zerstören".
Vergangenen Montag hatte Russland mit etlichen Raketen viele ukrainische Städte angegriffen. Dabei waren unter anderem Raketen an einem Kinderspielplatz und einer Kreuzung nahe den Hauptgebäuden der Kiewer Nationaluniversität eingeschlagen. Mindestens 19 Menschen wurden getötet. Angriffe in Kiew waren in den Monaten zuvor zu einer Seltenheit geworden, nachdem dem russischen Militär die Einnahme der Hauptstadt zum Beginn des Krieges nicht gelungen war.
Angriffe auf Energie-Infrastruktur im ganzen Land
Nach Angaben des ukrainischen Militärs griff Russland in der Nacht und am Morgen auch andere Städte im ganzen Land mit Drohnen und Raketen an. Regierungschef Denys Schmyhal erklärte: "Russische Terroristen haben erneut die Energieinfrastruktur der Ukraine in drei Regionen angegriffen". Neben Kiew waren demnach die zentralukrainische Region Dnipropetrowsk und die Region Sumy im Osten der Ukraine betroffen.
Unterdessen erklärte das Verteidigungsministerium in Moskau, die russischen Truppen hätten erneut Militär- und Energieanlagen in der Ukraine mit Präzisionswaffen angegriffen. Alle Ziele des Einsatzes seien erreicht worden.
Ukraine: Kämpfe im Osten und Süden gehen weiter
Der neuerliche Angriff auf Kiew und andere Regionen an diesem Morgen fällt in eine Zeit, in der die Kämpfe in den von Russland illegal annektierten ukrainischen Regionen Donezk und Luhansk wieder an Intensität gewonnen haben. Das gilt auch für die fortgesetzte ukrainische Gegenoffensive im Süden, in den ebenfalls völkerrechtswidrig annektierten Regionen Cherson und Saporischschja. Selenskyj sagte in seiner Videoansprache am Sonntagabend, es gebe schwere Kämpfe um die Städte Bachmut und Soledar in der Region Donezk.
Der neue UN-Menschenrechtskommissar, der Österreicher Volker Türk, nannte die neuen Angriffe "zutiefst verstörend". Zivile Objekte und Zivilisten dürften nicht angegriffen werden, betonte er.
Mit Informationen von AFP, AP und dpa