Mitte des Jahres begann die Reise für Euclid: Am 1. Juli 2023, nach einem über zehnjährigen Entwicklungsprozess, transportierte eine Falcon-9-Rakete von SpaceX, dem US-amerikanischen Raumfahrtunternehmen, das Weltraumteleskop in den Orbit. Das zwei Tonnen starke Weltraumteleskop Euclid hat einen klaren Auftrag: Es soll die Datenbasis für die bisher umfangreichste 3-D-Karte des Universums legen.
Im Video: Weltraumteleskop Euclid erfolgreich ins All gestartet
Für dieses Vorhaben ist Euclid, ein gemeinschaftliches Projekt der ESA und des EUCLID-Konsortiums, mit zwei Kameras ausgestattet: Eine, das sogenannte VIS (VISible instrument), soll den sichtbaren Teil des Lichtspektrums einfangen. Die andere soll Infrarotaufnahmen des Universums erstellen – es heißt NISP und ist ein Nahinfrarot-Spektro- und Photometer.
An Euclid beteiligt: Forschung aus Bayern
Verantwortlich für das NISP-Instrument von Euclid waren auch Wissenschaftler aus Bayern: Frank Grupp vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik (MPE) und der Universitätssternwarte München sagt zu dem Projekt: "Im Moment gibt es keinen Grund dafür anzunehmen, dass es nicht funktioniert. Das heißt, wir werden die größte und genaueste Karte der Galaxienverteilung am Himmel erstellen können, so wie sie mit Euclid geplant war. Und gegen diese Karte dürfen dann die gängigen Kosmologie-Modelle antreten."
Weltraumteleskop Euclid: 3-D-Kartierung des Himmels
Euclid unterscheidet sich klar von anderen Weltraumteleskopen wie dem James Webb, das gezielte Aufnahmen einzelner Himmelskörper anfertigt. Es kann rasiermesserscharfe und gleichzeitig großflächige Bilder des Himmels aufnehmen, im sichtbaren und im infraroten Bereich. Diese Daten sollen veröffentlicht – und dann in etwa sechs Jahren zu einer umfassenden 3-D-Karte des Universums zusammengesetzt werden.
Erste Einblicke: Fotos des neuen Weltraumteleskops Euclid
Doch schon jetzt ging die ESA mit ersten Einblicken an die Öffentlichkeit, die nicht nur die technischen Möglichkeiten des Weltraumteleskops verdeutlichen sollen:
Diese Aufnahme von Euclid zeigt an die tausend Galaxien des Perseushaufens und über 100.000 weitere, weiter entfernte Galaxien. "Hier finde ich die Tiefe des Bildes einfach faszinierend", äußert Frank Grupp seine Bewunderung. Er verdeutlicht: "Wenn man hineinzoomt, offenbart sich hinter jeder Galaxie noch eine weitere Galaxie. Die Bildtiefe ist wirklich so beeindruckend, dass man sich in diesem Bild verlieren kann", so der Forscher vom Max-Planck-Institut.
Das Euclid-Weltraumteleskop zeigt hier eine detaillierte Darstellung des Kugelsternhaufens NGC 6397. Er befindet sich in einer Entfernung von etwa 7.800 Lichtjahren und ist damit der zweitnächste Kugelsternhaufen zur Erde. Als einzige aktuelle Teleskop-Technologie kann Euclid dabei den gesamten Sternhaufen in nur einem einzigen Bild einfangen. Frank Grupp fügt hinzu: "Da sieht man einfach, wie scharf das Bild über seine ganze Fläche ist. Und zum ersten Mal kann man wirklich über einen großen Kugelsternhaufen bis weit in seine Außenbereiche runter die stellaren Quellen sehr genau charakterisieren."
Blick in die Vergangenheit: Euclid kartiert weit entfernte Galaxien
Die Euclid-Mission erlaubt es dabei nicht nur, den aktuellen Zustand des Universums zu analysieren, sondern gewährt auch Einblicke in seine Vergangenheit: Licht bewegt sich mit knapp 300.000 Kilometern pro Sekunde fort. Das heißt, dass das Licht von extrem weit entfernten Objekten im Universum eine beträchtliche Zeit benötigt, um in unserer Galaxie anzukommen. Macht Euclid also eine Galaxie, zum Beispiel auf dem Foto des Perseushaufens, sichtbar, die Millionen Lichtjahre entfernt ist, wird sie so abgebildet, wie sie zu dem Zeitpunkt aussah, als das Licht von dort ausgesandt wurde.
Großen Rätseln auf der Spur: Dunkle Materie und Dunkle Energie
So soll auch der Frage auf den Grund gegangen werden, was es einerseits mit der Dunklen Materie und andererseits mit der Dunklen Energie auf sich hat – zwei der größten Rätsel, die der Kosmos birgt. Beide sind unsichtbar. Und dennoch: In etwa 95 Prozent des Universums bestehen aus diesen unsichtbaren Elementen. Dunkle Materie verhindert durch ihre Gravitation das Auseinanderdriften der Galaxien, während Dunkle Energie vermutlich die beschleunigte Ausdehnung des Universums verursacht. Euclid soll helfen, diese Phänomene besser zu verstehen: "Wir können 'die Dunkle Materie' als solche nicht finden, aber wir können den Effekt der Dunklen Materie so sehr genau aufzeigen", bestätigt Frank Grupp.
Mit der Zeit werde die Qualität der Datenverarbeitung noch zunehmen, sagt der Stellarastronom. In den kommenden Jahren soll ein Team von Expertinnen und Experten die umfangreichen Datenmengen, die das Euclid-Weltraumteleskop übermittelt, fortlaufend weiterverarbeiten – auch am Max-Planck-Institut in München.
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