Man sieht es ihm auf den ersten Blick gar nicht an, aber unser Universum besteht zu rund 95 Prozent aus purem Mysterium: der Dunklen Materie und der Dunklen Energie. Die europäische Weltraumorganisation ESA würde diesen Rätseln gerne auf die Spur kommen und hat zu diesem Zweck ein Weltraumteleskop gebaut: Das Weltraumteleskop Euclid soll rund ein Drittel des gesamten Himmels kartieren und dabei zehn Milliarden Jahre in die Vergangenheit unseres Kosmos blicken.
Nach über zehnjähriger Entwicklungsarbeit war es am Samstag soweit. Eine Falcon 9-Rakete des US-Raumfahrtunternehmens SpaceX hob am Samstag von Cape Canaveral in Florida ab, um das zwei Tonnen schwere Teleskop in den Weltraum zu bringen.
ESA-Weltraumteleskop Euclid soll das Dunkle Universum erforschen
Auf der To-Do-Liste für Euclid steht dabei die Beobachtung des Dunklen Universums: Das ist ein Begriff, der die Tatsache umschreibt, dass nur rund fünf Prozent unseres Universums aus sichtbarer Materie besteht. Der Rest ist im wahrsten Sinne des Wortes unsichtbar.
Da wäre einerseits die Dunkle Materie. Forschende sind sich sicher, dass es sie geben muss, denn ohne die zusätzliche Masse dieser unsichtbaren Materie würden unsere Galaxien und Galaxienhaufen auseinanderfliegen, zahlreiche astronomische Beobachtungen keinen Sinn ergeben.
Andererseits – und noch mysteriöser – ist da die Dunkle Energie. Dieser Begriff der "Dunklen Energie" wurde eingeführt, um die Beobachtung zu erklären, dass sich unser Universum seit einigen Milliarden Jahren beschleunigt ausdehnt. Das heißt: Das Universum expandiert nicht nur seit dem Urknall, sondern es wird dabei auch noch immer schneller. Die Dunkle Energie, so die Vermutung der Forschenden, könne dabei wie eine Art negativer Druck wirken.
Euclid soll eine 3D-Karte der Vergangenheit unseres Kosmos anfertigen
Auch das über zwei Tonnen schwere und rund vier Meter mal fünf Meter große Weltraumteleskop Euclid kann weder die Dunkle Materie noch die Dunkle Energie direkt beobachten. Stattdessen soll es während seiner auf sechs Jahre angelegten Mission über ein Drittel des gesamten Himmels durchmustern und dabei bis zu zehn Milliarden Jahre in unsere kosmische Vergangenheit blicken, um so die Auswirkungen dieser beiden Mysterien auf unseren sichtbaren Kosmos zu beobachten.
"Das Einzigartige an Euclid ist dieses riesige Beobachtungsgebiet und die Tiefe, in die das Weltraumteleskop blickt", sagt Martin Kümmel von der Ludwig-Maximilians-Universität in München. So wird das Weltraumteleskop zahlreiche Galaxien beobachten, die wir noch nie zuvor beobachten konnten. Zwar ist Euclid bei Weitem nicht die erste Himmelsdurchmusterung, aber doch die erste Mission, die über ein dermaßen großes Gebiet dermaßen tief in die Vergangenheit unseres Kosmos blickt.
Euclid soll einerseits genauer kartieren, wie die "normale", sichtbare Materie im Universum verteilt ist. So wollen Forschende Einblicke in die Verteilung der Dunklen Materie erhalten. Und Euclid soll andererseits weit entfernte Galaxien und Galaxienhaufen beobachten. Damit wollen Forschende herausfinden, wie schnell das Universum zu verschiedenen Zeiten in seiner Vergangenheit expandiert ist.
Euclid durchmustert den Himmel
Das Weltraumteleskop Euclid funktioniert damit grundlegend anders als beispielsweise das James Webb-Weltraumteleskop der US-Weltraumbehörde NASA: Das James Webb-Weltraumteleskop kann hochaufgelöste Aufnahmen einer Vielzahl unterschiedlicher Himmelskörper anfertigen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können sich um Beobachtungszeit für dieses Teleskop bewerben und bestimmte Objekte oder Himmelsareale ins Visier nehmen.
Euclid hingegen führt eine Himmelsdurchmusterung durch: Das Weltraumteleskop wird Stück für Stück fast ein Drittel des Himmels beobachten. Die Daten werden anschließend zur Erde geschickt, dort aufbereitet und dann der wissenschaftlichen Gemeinschaft und der Öffentlichkeit in mehreren Datenveröffentlichungen zur Verfügung gestellt: Nach sechs Jahren soll Euclid die dann größte und genaueste 3D-Karte des Universums erstellt haben.
Am Weltraumteleskop Euclid sind auch Forschende aus Bayern beteiligt
Um das zu schaffen, hat das Weltraumteleskop Euclid zwei Kameras an Bord: eine Kamera für den sichtbaren Bereich sowie eine Kamera und ein Spektrometer für den Infrarotbereich. Gebaut wurde das Teleskop von der ESA und dem EUCLID-Konsortium, einem Zusammenschluss aus rund tausend Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Insgesamt betrug die Entwicklungszeit über zehn Jahre.
Unter den tausenden Menschen, die in den letzten Jahren an Euclid gearbeitet haben, befinden sich auch Wissenschaftler aus Bayern: Martin Kümmel zum Beispiel. Sein Team und er beschäftigen sich mit der Auswertung der Daten, die Euclid zurück zur Erde sendet, um diese auch mit Daten von Teleskopen auf der Erde zu kombinieren. Seit elf Jahren arbeitet Kümmel bereits an Euclid. Nach dem Start des Teleskops werden noch einmal mindestens fünf bis sechs Jahre während der aktiven Beobachtungsphase des Teleskops hinzukommen.
Nach dem Start braucht Euclid nun etwa vier Wochen, um sein Ziel in 1,5 Millionen Kilometern Entfernung von der Erde zu erreichen. Am sogenannten zweiten Lagrange-Punkt zwischen Erde und Sonne befindet sich auch schon das James-Webb-Teleskop. Anschließend wird das Teleskop Stück für Stück in Betrieb genommen und überprüft, bevor es dann gegen Ende 2023 seinen eigentlichen wissenschaftlichen Betrieb aufnehmen kann.
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