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E-Health: Was bringen Wearables?

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Wieviel Arzt brauchen wir noch?

Wieviel Arzt brauchen wir noch?

46 Prozent der Deutschen suchen im Internet Rat, wenn es um Gesundheitsthemen geht. "Dr. Google" wird als Zweitmeinung zum Arzt immer wichtiger, so eine aktuelle Studie. Doch inwieweit können Apps und Algorithmen den Arzt ersetzen?

Über dieses Thema berichtet: Evangelische Perspektiven am .

Mit dem Smartphone bestellen wir Medikamente, zählen Schritte und dokumentieren unsere Ernährung. Kommt die Gesundheit bald aus dem Netz? Rund die Hälfte aller Deutschen informiert sich heute online über Gesundheitsthemen und Krankheitssymptome, das zeigt eine aktuelle Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung.

Gefahr der Verunsicherung durch Informationsflut

Doch: Was heißt es, wenn man Schmerzen hat und im Internet auf eine Beschreibung trifft, die dazu passt? Ist damit die Erkrankung schon gefunden? Gerald Quitterer, Hausarzt im niederbayerischen Eggenfelden und Präsident der Bayerischen Ärztekammer, sieht den Trend, zuerst zu googeln, anstatt einen Arzt zu konsultieren, mit Sorge:

"Das hat nichts damit zu tun, dass der Patient heutzutage nicht informiert sein soll, was sein Beschwerdebild anbetrifft. Aber diese Information kann er in der Tat auch bei mir bekommen. Unter Umständen wird er durch viele Informationen, die ungefiltert auf ihn hereinbrechen, eher verunsichert, als dass es ihm mehr Sicherheit gibt." Dr. med. Gerald Quitterer, Präsident der Bayerischen Ärztekammer

Patienten fühlen sich vom Arzt oft emotional im Stich gelassen

Viele Patienten gehen ins Internet, wenn sie sich von ihrem Arzt ungenügend informiert oder emotional im Stich gelassen fühlen, ergab die Studie der Bertelsmann Stiftung. Besonders nach der Diagnose einer schweren Erkrankung wird Hilfe im Internet gesucht. Foren und Netzwerke mit Gleichgesinnten bieten Trost. Die Patienten fühlen sich mit ihrem Problem, ihrer Krise offensichtlich nicht mehr allein. Das Netz wiegt offenbar die Defizite der Ärzte auf, die sich zu wenig Zeit nehmen oder nehmen können, heißt es in der Studie.

Viele Patienten sehnen sich nach der Zeit zurück, in der der Arzt noch Heiler, Therapeut und Begleiter war. In unserem modernen Gesundheitssystem haben sich längst Zeitknappheit und Effizienz in die Behandlung eingeschlichen. Oft dominiert heute die Technik. Für ein Gespräch bleibt kaum Zeit. Dabei wäre dies für das Arzt-Patienten-Verhältnis von großer Bedeutung, sagt Michael Tischinger, Chefarzt in einer psychosomatischen Klinik in Oberstdorf im Allgäu:

"Galen, der nach Hippokrates wichtigste Arzt in der Geschichte der Medizin, hat davon gesprochen, dass diejenigen Menschen am besten helfen und heilen können, die das Vertrauen ihrer Patienten haben. So ist für mich der Arzt im Wesentlichen derjenige, der wirklich aufgrund einer Vertrauensbasis einen Menschen begleiten kann und ihm zu seiner Genesung, seiner Gesundheit verhelfen kann." Dr. med. Dipl. theol. Michael Tischinger, Chefarzt Adula Klinik

Big Data als Allheilmittel für Patienten?

Aber natürlich bringt der Einzug der digitalen Technologie in der Medizin auch eine Menge Vorteile mit sich. In der Medizinforschung werden mit digitaler Technik große Datenmengen gespeichert. Auf der Grundlage dieser Daten können Algorithmen beispielsweise berechnen, welcher genetische Typ dieses oder jenes Medikament besser verträgt. Es muss dann bei einer Krebserkrankung nicht mehr ausprobiert werden. Die Digitalisierung ist für die Forschung ein großer Gewinn. Während man früher biologisches Material wie Blut, Gewebe oder Haarproben verschicken und einzeln analysieren musste, wird es heute in Daten umgewandelt, gespeichert und für internationale Studien aus verschiedenen Kliniken weltweit zusammengeführt und analysiert.

Der Zukunftsrat der bayerischen Wirtschaft hat diese Woche bekannt gegeben, dass er in diesen Big-Data-Methoden ein großes Wertschöpfungspotenzial für die bayerische Wirtschaft - insbesondere im Bereich der Gesundheitstechnologien - sieht.

"Individualisierte Medikamente sowie die digitale Patientenakte und neue Diagnosemöglichkeiten sind nur einige Beispiele für die großen Potenziale von Big Data im Wachstumsmarkt Gesundheit." Alfred Gaffal, Präsident der vbw - Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. und Vorsitzender des Zukunftsrats

Datenschutz ist für Deutsche wichtiges Thema

Um eine Big-Data-basierte, personalisierte medizinische Diagnose und Therapie anbieten zu können, müssten, laut Zukunftsrat, die individuellen Gesundheitsdaten der Patienten umfassend erhoben, dokumentiert und gesammelt werden. Hier fehle aber bisher die Akzeptanz in der breiten Gesellschaft, räumt Gaffal ein. Der Datenschutz, gerade bei sensiblen Gesundheitsdaten, spiele für viele Deutsche eine große Rolle.

Auch viele Ärzte stehen Big Data skeptisch gegenüber. Sie befürchten, dass irgendwann nur noch auf die Empfehlung von Computern hin Behandlungen vorgenommen würden, da sich diese bei Behandlungsfehlern gegenüber der Versicherung besser rechtfertigen ließen. Gerald Quitterer von der Bayerischen Ärztekammer spricht von einer technik-getriggerten Entwicklung in der Medizin, der man sich nicht verschließen kann. Man müsse sie aber entsprechend begleiten. (Autoren: Rita Homfeld, Martin Jarde)