Das Stoffwechselprodukt Spermidin kann bei älteren weiblichen Mäusen die Eizell-Qualität und Fruchtbarkeit verbessern. Das stellten Forschende der Nanjing Agricultural University in China fest. Ältere Mäuse weisen im Vergleich zu jüngeren zunächst einmal einen niedrigeren Spermidin-Spiegel auf, was in letzter Konsequenz mit einer reduzierten Eizell-Qualität verbunden ist.
Reproduktionsmedizin: Entwicklung von Fruchtbarkeits-Medikamenten möglich?
Laut den Studienergebnissen, veröffentlicht im Fachjournal "Nature Aging", verbessert sich durch die Verabreichung von Spermidin die Eizell-Reifung und Fruchtbarkeit der Mäuse. Diese Befunde könnten zur Entwicklung von Medikamenten beitragen, die dann auch beim Menschen Einsatz finden und die Fruchtbarkeit von Frauen verlängern könnten. Das legen zumindest die Studienautoren nahe.
"Wundermittel" Spermidin: Kommt auch in Lebensmitteln vor
Spermidin, ein natürliches Polyamin, ist für das Überleben und Wachstum von Zellen essenziell. Es wird von unserem Körper produziert, kommt in fast jeder Körperzelle, aber auch in einigen Lebensmitteln vor. Im Körper unterstützt Spermidin den zellinternen Abfallentsorgungsprozess und verhindert so das "Verstopfen" der Zellen. Eine zusätzliche Zufuhr von Spermidin kann die Lebensdauer und Gesundheit von Organismen wie Fliegen oder eben Mäusen verbessern. Mit dem Alter verringert sich der natürliche Spermidin-Gehalt im Körper. Studien stellten dabei auch einen Zusammenhang zwischen einem niedrigen Spermidin-Spiegel und altersbedingten Krankheiten her.
Übertragbarkeit auf den Menschen: Spermidin-Wirksamkeit bleibt fraglich
Trotz der Tatsache, dass die Studie alles in allem fundiert und überzeugend sei, so Verena Nordhoff, Leiterin des reproduktionsmedizinischen Labors am Universitätsklinikum Münster: Mäuse und Menschen haben unterschiedliche Fruchtbarkeits- und Eierstockfunktionen. "Labormäuse sind Inzuchttiere und somit genetisch sehr ähnlich, leben nur etwa zwei Jahre und haben keine Menopause. Im Gegensatz dazu ist der Mensch genetisch sehr vielfältig, und die weibliche Fortpflanzungszeit dauert einige Jahrzehnte, wobei man auch sagen muss, dass die Abnahme der Fruchtbarkeit sehr individuell ist", sagt die Reproduktionsmedizinerin.
Multitalent Spermidin weckt dennoch Interesse
Dieser Einschätzung stimmt Michele Boiani vom Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin in Münster weitestgehend zu: Die in der Studie verwendeten Mäuse seien besonders fruchtbar, was möglicherweise als nicht repräsentativ für menschliche Unfruchtbarkeit gewertet werden können. "Es bleibt also zu sehen, ob Spermidin auch bei Frauen die bei Mäusen beobachteten Wirkungen hat." Unabhängig von der Größe des Effekts könnte Spermidin, wenn es keine negativen Nebenwirkungen aufweise, für den Menschen aber durchaus von Interesse sein, betont Michele Boiani.
Bei oraler Einnahme wirkt Spermidin wohl nicht
Erst im Frühjahr 2023 hatte eine Studie der Uni Lübeck darauf hingewiesen, dass bei oraler Einnahme Spermidin gar nicht richtig in den Zellen ankomme. Die Wirkung sei damit dahin. Dennoch würden die Labordaten, die zum Beispiel aus Mäuse-Studien stammten, für das Marketing entsprechender Produkte genutzt. Fest steht daher, dass trotz erster teils vielversprechender Ergebnisse noch von einem voreiligen Erwerb von Spermidin als Nahrungsergänzungsmittel abgesehen werden sollte.
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