Nachdem das Landgericht München I die Überwachung von Telefonaten zwischen Journalisten und der "Letzten Generation" für rechtmäßig befunden hat, reicht der Bayerische Journalisten-Verband (BJV) nun Verfassungsbeschwerde für ein betroffenes Mitglied ein.
"Der Staat darf vertrauliche Gespräche von Journalist*innen nicht pauschal abhören. Das ist ein schwerer Eingriff in die Pressefreiheit", sagt der BJV-Vorsitzende Harald Stocker laut einer Pressemitteilung des Verbands. "Wir verurteilen scharf, dass hier keine sorgfältige Abwägung stattfand."
BJV kritisiert schwerwiegenden Eingriff in Pressefreiheit
Journalistinnen und Journalisten seien Berufsgeheimnisträger und dürften "nur bei Straftaten von erheblicher Bedeutung, und auch nur dann, wenn keine anderen Aufklärungsmöglichkeiten gegeben sind" abgehört werden, hießt es weiter in der Mitteilung.
Mit der Verfassungsbeschwerde wolle der Bayerische Journalisten-Verband erreichen, "dass jedes Gericht von Anfang an jeden schwerwiegenden Eingriff in die Pressefreiheit sorgfältig abwägt". Stocker wirft dem Gericht vor, den Eingriff in die Pressefreiheit nachträglich für rechtens erklärt und nicht gewissenhaft abgewogen zu haben.
Die Kanzlei des Würzburger Anwalts Chan-jo Jun vertrete im Auftrag des BJV das betroffene Mitglied bei der Verfassungsbeschwerde. Der BJV unterstütze dabei im Rahmen seines Rechtsschutzes.
Landgericht München I hatte Journalisten-Beschwerden abgewiesen
Das Landgericht München I sah den Schritt, Gesprächen zwischen Journalisten und Pressesprechern der "Letzten Generation" abzuhören, als verhältnismäßig an. Der als Pressekontakt der Klimaaktivisten deklarierte Anschluss habe einer Beschuldigten gehört, gegen die im Zuge des Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt werde, argumentierte das Gericht. Ohne eine Telefonüberwachung wären die Ermittlungen "wesentlich erschwert worden".
Fünf Beschwerden von Journalisten gegen entsprechende Beschlüsse des Amtsgerichts München wurden abgewiesen. Die Abhöraktion habe sich "nicht direkt gegen Medienvertreter gerichtet". Zudem sei der abgehörte Anschluss nicht nur für Telefonate mit Journalisten genutzt worden.
Auch "Reporter ohne Grenzen" prüfen weitere rechtliche Schritte
"Reporter ohne Grenzen" und die "Gesellschaft für Freiheitsrechte", die die beiden Beschwerdeführer unterstützt hatten, hatten bereits mitgeteilt, dass sie die Telefonüberwachung trotz des Gerichtsbeschlusses für verfassungswidrig hielten. Die Organisationen würden weitere rechtliche Schritte prüfen, hieß es. Wobei in diesem Fall als weiteres Rechtsmittel nur eine Verfassungsbeschwerde möglich ist.
Mit ihrer Beschwerde waren die beiden Journalisten schon beim Münchner Amtsgericht nicht erfolgreich gewesen. Das Gericht hatte Ende November 2023 seine eigene Zustimmung zum Abhören für rechtmäßig erklärt. Unter anderem die erhebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch Aktionen der Klimaaktivisten rechtfertige diesen Eingriff in die Pressefreiheit. Die Abhöraktion sei ein "intensiver, allerdings kurzer Eingriff" gewesen.
Mehrere Monate lang abgehört
Das bayerische Landeskriminalamt hatte auf Geheiß der Generalstaatsanwaltschaft München im Herbst 2022 mehrere Telefonanschlüsse, darunter auch ein Pressekontakt der Gruppe, abgehört. Ende April 2023 wurde sie nach Angaben der Ermittler wieder beendet. Nach BJV-Recherchen waren 171 Journalisten betroffen.
Die Maßnahme hatte zu heftiger Kritik geführt, auch weil das Amtsgericht die Pressefreiheit in der ursprünglichen Anordnung zur Telefonüberwachung samt Begründung nicht einmal explizit erwähnt hatte.
Mit Informationen von dpa und epd
Im Audio: Abhöraktion war laut Landgericht München I rechtens
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!