Eigentlich hätte Imam Benjamin Idriz aus Penzberg am Montagabend auf dem Münchner Marienplatz ein Gebet gesprochen. Stattdessen musste das offizielle Gebet abgesagt werden – und Idriz war nur privat mit einigen anderen am Marienplatz zum Beten. Hintergrund war die Kritik an einzelnen muslimischen Teilnehmern, die am Wochenende immer lauter geworden war und deretwegen andere Religionsgemeinschaften kurzfristig abgesagt hatten. Im Zuge dessen zog auch Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) seine Schirmherrschaft zurück.
Imam Idriz: "Wir fühlen uns im Stich gelassen"
"Wir fühlen uns im Stich gelassen, so geht man nicht mit Menschen um", sagte Imam Idriz auf BR24-Anfrage. Die Planungen zum Friedensgebet hätten in Abstimmung mit dem Oberbürgermeister, dem Landesbischof und Vertretern der katholischen Kirche stattgefunden – "bis ins kleinste Detail und bis zur letzten Minute".
Nach einem Gespräch zwischen den Münchner Imamen und dem Münchner OB Reiter war vor zwei Wochen die Idee eines interreligiösen Friedensgebets entstanden, mit Vertretern der Israelitischen Kultusgemeinde, der evangelischen und katholischen Kirche sowie der muslimischen Gemeinschaft.
Kritik an fragwürdigen Positionen einzelner muslimischer Vertreter
Doch nach einer Wortmeldung des Grünen-Politikers Volker Beck, auch Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, sagten erst die Juden, dann die Kirchen und die Stadt München ab. Beck hatte in seinem Schreiben auf fragwürdige Positionen einzelner muslimischer Vertreter hingewiesen, die unter dem Dach des Münchner Muslimrats organisiert sind, darunter auch Mili Görüs und DITIB.
Besonders brisant: ein Facebook-Post eines deutsch-ägyptischen Imams. Von dem Post hatten sie, so betonen die muslimischen Veranstalter des Friedensgebets im Nachhinein, keine Kenntnis, der Mann hätte auch keine Rolle bei dem geplanten Friedensgebet am Münchner Marienplatz gehabt. Imam Benjamin Idriz hätte das Gebet gesprochen. Dieser zeigte sich daher sehr enttäuscht: "Die kurzfristigen Absagen haben uns Muslime nicht nur überrascht, sondern auch verletzt."
Abgesagtes Friedensgebet für Knobloch "die richtige Entscheidung"
Für die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, war es dagegen "die richtige Entscheidung", das Friedensgebet kurzfristig abzusagen. Auf X, ehemals Twitter, teilte sie am Montagabend mit: "Die offenen Fragen der letzten Tage haben gezeigt, dass diese Veranstaltung in ihrer geplanten Form nicht die richtigen Signale würde aussenden können."
Auch die Kirchen zogen am Montag ihre Teilnahme zurück, ohne jüdischen Vertreter hätte das Friedensgebet eine eigenartige Schieflage, so der evangelische Landesbischof Christian Kopp. Man sei im intensiven Dialog mit allen Beteiligten, um zu einem anderen Zeitpunkt ein solches Gebet zu ermöglichen.
Rat der Religionen nicht an Planung beteiligt
Der neue evangelische Landesbischof sieht eine der Ursachen fürs Scheitern darin, dass nicht von Anfang an ein interreligiöses Gremium die ganze Aktion geplant habe, sondern der Muslimrat, der dann die anderen mit ins Boot geholt hatte: "Das ist eines der Entstehungsprobleme, dass nicht der Münchner Rat der Religionen dahinterstand. Sondern zunächst die Imame mit dem Oberbürgermeister gesprochen haben. Der Oberbürgermeister hätte mit der Idee auch auf den Rat zugehen können", so Kopp. "Ich glaube, dann wäre das Ganze anders gelaufen", fügte er hinzu.
Der Rat der Religionen ist ein Zusammenschluss der in München vertretenen Religionsgemeinschaften – auch der Muslimrat ist dabei. Für die katholische Kirche engagiert sich der Theologe Andreas Renz in dem Gremium. Er sagt, dass man von katholischer Seite ein gemeinsames Zeichen der Religionen für den Frieden nach wie vor für wichtig halte. "Aber es ist auch eine wichtige Voraussetzung, dass die teilnehmenden Religionsvertreter mit Blick auf den Krieg im Nahen Osten keine Positionen vertreten, die absolut inakzeptabel sind."
Muslimrat verurteilt Angriff der Hamas auf Israel
Doch die Lage der muslimischen Verbände in München ist sehr vielstimmig, der fragliche Post des deutsch-ägyptischen Imams, an dem sich unter anderem der Streit entzündete, war beispielsweise auf dessen Privataccount veröffentlicht worden. Nach Bekanntwerden hatte der Münchner Muslimrat Stellung bezogen und sich von dessen Aussagen distanziert, sagt Sokol Lamaj, Vorsitzender des Münchner Muslimrats.
Den Angriff der Hamas auf Israel hatte der Muslimrat schon lange vorher verurteilt, auch gegenüber dem Münchner Oberbürgermeister, wie Lamaj betont: "Wir haben das in unseren Stellungnahmen deutlich gemacht, alle wussten, mit wem sie zusammenarbeiten."
Für Friedensgebete stehe man seitens des Muslimrats jedenfalls auch künftig zur Verfügung, obwohl der erste Anlauf gescheitert ist.
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