Wenn Ulla und Uli Haurand mit ihrem Hund Gassi gehen wollen, dann führt ihr Weg erst einmal an Anhängern, Wohnwagen und Wohnmobilen vorbei. Ziemlich vielen sogar – denn der rund 900 Meter lange Seitenstreifen ihrer Straße am Münchner Waldfriedhof ist damit fast komplett zugeparkt. "Ungefähr 95 Prozent der Anhänger stehen länger als drei Monate hier. Manche sogar fast ein ganzes Jahr", erzählt Uli Haurand. Vor 17 Jahren ist er mit seiner Frau nach München gezogen. So schön wie damals sei es jetzt durch die vielen abgestellten Fahrzeuge und Anhänger nicht mehr.
Wohnmobile, Wohnanhänger, Imbissstandl und ein alter Stadtbus
An der Straße im Stadtteil Hadern stehen nicht nur viele Wohnmobile und Wohnanhänger: Ganz vorne parkt zum Beispiel ein alter Stadtbus mit einem Kennzeichen aus Fürstenfeldbruck. Und schräg gegenüber dem Wohnhaus der Haurands wurde der Imbisstandl-Anhänger eines bekannten Münchner Fischgeschäftes abgestellt.
Fast der ganze linke Seitenstreifen ist zugestellt, nur ab und zu gibt es ein paar kleine Lücken zwischen den Fahrzeugen. Und das, obwohl der Fußweg entlang der Straße Teil eines Naturlehrpfades ist.
Es geht nicht nur um die Optik, sondern auch um die Sicherheit
Ulla Haurand ärgert sich über die vielen abgestellten Fahrzeuge. Aber nicht nur, weil der Blick aus dem Garten vor allem durch die hohen Wohnmobile eingeschränkt ist. Ihr geht es dabei auch um die Sicherheit: "Hier sind auch Familien mit kleinen Kindern. Und hier wird ja rechts und links geparkt, die Busse kommen nicht vorbei, die Kinder können überhaupt nichts sehen: 'Kommt da ein Auto oder nicht?' Also wir haben immer schon gedacht: 'Eines Tages liegt ein Kind vor dem Auto und wird überfahren'."
Die Straße am Waldfriedhof ist da kein Einzelfall. Vor allem da, wo das Parken außerhalb der Münchner Innenstadt nichts kostet, klagen Anwohnerinnen und Anwohner über immer mehr abgestellte Fahrzeuge und Anhänger, vor allem Wohnmobile.
Anzahl der Wohnmobile in München seit 2019 mehr als verdoppelt
Die Zahlen belegen diese Wahrnehmung: Alleine in München hat sich die Anzahl der zugelassenen Wohnmobile seit 2019 mehr als verdoppelt. Aktuell sind nach Informationen des Kreisverwaltungsreferats fast 15.000 registriert. Hinzu kommen noch rund 4.500 Wohnanhänger.
Am Waldfriedhof stehen aber nicht nur Wohnmobile mit Münchner Kennzeichen, sondern auch solche, die in anderen Landkreisen oder sogar anderen Ländern zugelassen wurden. Wie viele das in der Stadt insgesamt sind, ist unklar.
"#vanlife": Campen ist wieder cool
Die Gründe für den sprunghaften Anstieg der Wohnmobile sind vielfältig. Durch die Beschränkungen in der Pandemie mit Hotel-Lockdowns, Grenzschließungen und "Urlaub dahoam" sind viele Menschen auf die Idee gekommen, sich ein solches Hotel auf vier Rädern zuzulegen.
Hinzu kommt, Campen ist in den letzten Jahren vor allem bei jüngeren Leuten wieder richtig beliebt geworden. Reichweiten- und bildstarke Posts in den einschlägigen Social-Media-Kanälen mit Hashtags wie "#vanlife" oder "#roadtrip" haben vermutlich ebenfalls zu dieser Entwicklung beigetragen.
Grafiken: Entwicklung der Wohnmobile und zugelassene Campingfahrzeuge in München
Wohnmobile dürfen unbefristet lange parken, Wohnwagen nicht
Nach der Straßenverkehrsordnung gilt ein Wohnmobil als Pkw, und damit darf das Fahrzeug - wie jedes andere Auto auch - unbefristet lange parken. Der Stadt München sind da die Hände gebunden, erklärt Georg Dunkel vom Mobilitätsreferat: "Rechtlich gesehen können wir als Kommune derzeit leider nichts machen, es sei denn, wir bekommen in Zukunft einen Passus in der Straßenverkehrsordnung oder eine Verwaltungsvorschrift dazu. Dass wir gesonderte Regeln auch für Wohnmobile erlassen dürfen".
Bei Wohnwagen und anderen Anhängern ist das etwas anderes: Da sie ja ohne Zugfahrzeug sind, müssen sie alle 14 Tage bewegt werden. Eigentlich. Denn Uli Haurand sagt, dass in seiner Straße kaum kontrolliert werde. Er zeigt dabei auf einen Anhänger mit einem Boot: "Dieses Schiff steht schon über ein Jahr hier, man sieht es ja an diesem Dreck, der da unten liegt. Früher war das mal ein tschechisches Schiff und jetzt hat es ein deutsches Kennzeichen. Es steht immer hier, es wird auch nicht irgendwo ins Wasser gelassen."
Polizei München: "Thema ist bekannt", Parküberwachung beauftragt
Die Polizei München teilt dazu auf BR-Anfrage mit: "Das Thema ist bekannt und ist bereits sogar beim Bezirksausschuss angesprochen." Auf die Frage, ob in der Straße Boote und diverse andere Anhänger wirklich monate- oder sogar jahrelang unbewegt an ein oder derselben Stelle stehen, heißt es von Seiten der Polizei: "Die Parküberwachung der Polizeiinspektion 41 ist bereits seit längerer Zeit damit beauftragt worden die Straße zu überwachen und dementsprechend die abgestellten Fahrzeuge mit samt Anhängern zu kontrollieren." Zudem sei, so die Polizei, die besagte Straße am Waldfriedhof kein reines Wohngebiet.
Wie lange ein Fahrzeug oder Anhänger an einer gewissen Stelle schon parkt, erkennt die Polizei übrigens mit einem kleinen Trick: Die Kontrollen werden üblicherweise anhand einer Notierung der Ventilstellungen durchgeführt. Sind die abgestellten Anhänger zwei Wochen lang nicht bewegt worden, werden die Halter per Brief informiert und müssen ein Verwarnungsgeld von 20 Euro bezahlen.
Viele Bauernhöfe und Grundstückseigentümer bieten Unterstellmöglichkeiten an
An den vielen Wohnmobilen vor der Haustüre der Haurands wird sich vorerst wohl nichts ändern, denn sie stehen dort ganz legal da und dürfen auf den Seitenstreifen der öffentlichen Straße beliebig lange parken. Vorausgesetzt, andere Fahrzeuge oder Einfahrten werden nicht blockiert.
Es gäbe aber für Camper noch andere Möglichkeiten, ihre Fahrzeuge abzustellen: Denn rund um München und im gesamten S-Bahn-Bereich gibt es viele private Grundstückseigentümer und Bauernhöfe, die Stellplätze für Wohnmobile oder Anhänger anbieten. In vielen Fällen sind sie sogar überdacht. Die Mieten dafür betragen meist zwischen 50 und 80 Euro pro Monat.
Mit Anwohnern vor dem Parken das Gespräch suchen
Wer sein Wohnmobil lieber in der Nähe haben möchte, sollte vor dem Abstellen das Gespräch mit den direkt betroffenen Anwohnern suchen. Das hat auch die Münchner Familie Geyer so gemacht. Da sie ihr Wohnmobil mehrmals im Jahr nutzen, kommt für sie ein Stellplatz außerhalb der Stadt nicht in Frage. Jetzt steht es in einem Wohngebiet in Obergiesing-Fasanengarten, nicht weit von der eigenen Wohnung entfernt: "Wir haben mit unseren Nachbarn das Abkommen beschlossen, dass wir es nicht direkt bei denen vor den Balkon stellen oder vor die Terrasse", erzählt Marion Geyer. Regelmäßig schaue sie auch am Stellplatz vorbei, ob noch alles passt. " Ich bin froh, dass wir die Lösung haben."
Den Verdruss mancher Anwohnerinnen und Anwohner kann Marion Geyer aber nachvollziehen: "Da kann ich den Ärger verstehen, wenn jemand gar nicht in der Nähe wohnt und dort einfach sein Fahrzeug abstellt." Sie ist davon überzeugt, wenn man vor dem Abstellen das Gespräch sucht, hilft das meistens. Man könne ja dann gemeinsam schauen, wo das Wohnmobil am wenigsten stört. "Wir haben einen guten Weg gefunden", so die leidenschaftliche Camperin.
Im Video: Abgestellte Wohnmobile in München
Dieser Artikel ist erstmals am 18. Mai 2023 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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