Die Bilder, die auf den großen Monitoren im Gerichtssaat zu sehen sind, sind verschwommen und unscharf. Sie zeigen hellere und dunklere Schatten. Trotzdem legte sich der Gutachter Prof. Friedrich Wilhelm Rösing mit einiger Wahrscheinlichkeit fest, dass sie die beiden Angeklagten zeigen. Der Anthropologe nutzt bei seiner Methode Köpermerkmale, um Menschen zu identifizieren. Also zum Beispiel die Körpergröße und die Form von Kopf und Ohren. Mehr als 3.500 solcher Gutachten hat er schon erstellt, sagt er.
Verteidigung lehnt die Gutachten als nicht fundiert ab
Das Wichtigste sei dabei die Qualität der Bilder. Und die ist im Fall Alexandra R. "lausig“ wie der Professor zugibt. "Was ist ein Bart, was ist ein Schatten?" Er habe aus den Bildern herausgeholt, was möglich war. Außerdem schaut er sich die Kleidung der Personen auf den Videos an. Dabei fand er charakteristische Spuren. Er gibt seinen Daten eine drei minus. Heißt: Es sei gerade noch möglich, sich auf die beiden Angeklagte festzulegen. Deren Anwälte lehnen das Gutachten den auch als "nicht fundiert" ab. Es habe keine Beweiskraft.
Die Bilder stammen aus Überwachungs-Videos, die im Schwabacher Ortsteil Limbach aufgenommen wurden. Alexandra R. besaß dort ein Haus, das sie verkaufen und am Tag ihres Verschwindens für einen Besichtigungstermin herrichten wollte. Die Polizei hat Material von drei Kameras auf Privatgrund ausgewertet. Sie überwachen normalerweise eine Einfahrt, eine Garage und eine Baustelle. Doch im Hintergrund sind immer auch die Straßen im Wohnviertel zu sehen.
Radkappen geben einen wichtigen Hinweis
Die Polizei hat die Videos Bild für Bild ausgewertet, sagt ein Beamter aus. Dabei wurde auch das Auto von Alexandra R. aufgenommen. Und 18 Sekunden später ist auf den Bildern der Mitsubishi zu sehen, mit dem Ugur T. und Dejan B. unterwegs gewesen sein sollen. Drei Mal fuhr der Wagen durch die Siedlung. Der Beamte hat ihn anhand der Radkappen und eines Schadens an der Karosserie identifiziert. Auf den Bildern will der Beamte zuerst einen und dann zwei Männer erkannt haben. Das sind die Bilder, die für das anthropologische Gutachten verwendet wurden.
Am Vormittag beschreiben Zeugen den Angeklagten Ugur T. als hilfsbereiten und bescheidenen Menschen. Man habe sich auf ihn verlassen können und er habe beim Einbau einer Küche geholfen, sagt ein Zeuge. Er war früher gemeinsam mit Ugur T. als Security-Mitarbeiter tätig. Ein weiterer Zeuge hatte eine Lagerhalle in dem Anwesen in Kalchreuth gemietet, in dem auch Ugur T. wohnte. Der Zeuge beschreibt, dass Ugur T. ihm immer wieder bei seinem Handel geholfen habe. Nach dem Verschwinden von Alexandra R. habe ihm der Angeklagte Ugur T. erzählt, dass er anonyme Drohbriefe erhalten habe und sein Haus und ein Lieferwagen mit dem Schriftzeug "Mörder" besprüht worden sei.
Ein Mediziner mit Motorrad hilft
Ugur T. fuhr offensichtlich gerne Motorrad. Bei diesem Hobby hatte er einen Chefarzt aus der Oberpfalz kennengelernt. Man freundete sich an und machte regelmäßig Ausfahrten, sagt der Mediziner. Schließlich habe er dem Angeklagten mehrere zehntausend Euro geliehen. Ugur T. habe das Geld benötigt, weil nach den Ermittlungen zum Verschwinden von Alexandra R. seine Geschäfte nicht mehr liefen und er in einen finanziellen Engpass geraten sei. Als Sicherheit überließ ihm Ugur T. drei wertvolle Armbanduhren, sagt der Zeuge aus.
Er habe sich mit ihm auch über den Verbleib der damals hochschwangeren Alexandra R. unterhalten. Der Angeklagte habe gesagt, dass es doch keinen Sinn mache, jemanden zu töten, der einem noch Geld schulde. Zuvor hatte eine Rechtspflegerin von den Forderungen der Firma der beiden Angeklagten gegen Alexandra R. berichtet. Es sei um mehr als 700.000 Euro gegangenen, die gepfändet werden sollten. Dazu sei es jedoch nicht gekommen, weil zwischenzeitlich Alexandra R. gegen die Vollstreckung geklagt und Recht bekommen hatte. Deshalb sei der Vorgang eingestellt worden.
Lebensgefährtin beeidet Verlobung
Schlusspunkt des Verhandlungstages ist der Auftritt von Nicoletta H., der Partnerin des Angeklagten Dejan B.. Sie sagt, sie kenne den Mann seit 27 Jahren. Und seit September 2022 sei sie mit ihm verlobt. Sie habe ihre Einstellung zu Ehe geändert, sich zur Heirat entschieden und bereits beim Standesamt nachgefragt, welche Unterlagen für eine Hochzeit notwendig seien. Zu mehr kam es dann jedoch nicht mehr, weil die Ermittlungen gegen Dejan B. dazwischen kamen.
Ob es ihr nichts ausgemacht habe, dass Dejan B. eine private Beziehung zu Alexandra R. und zu anderen Frauen gehabt habe, fragt der Vorsitzende Richter. Sie hätte nur vor geschäftlichen Verbindungen zwischen den beiden gewusst, sagt sie. Und von anderen Frauen wisse sie nichts. Den Vorsitzenden Richter überzeugt das nicht. Er hat Zweifel an der Verlobung und vereidigt die Frau. „Ich bin verlobt, ich fühle mich verlobt, ich will heiraten“, sagt Nicoletta H.. Beim Hinausgehen sucht sie den Blickkontakt mit ihrem Verlobten. Doch Dejan B. schaut an ihr vorbei in den Gerichtssaal.
Der Mordprozess ohne Leiche wird fortgesetzt. Vermutlich im Juli dieses Jahres soll ein Urteil gegen die beiden Angeklagten fallen.
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