Bella schmiegt ihren Kopf an das Bein von Andreas Dengel. Sie kneift die Augen zu, genießt, dass er sie streichelt. Andreas Dengel ist Landwirt – und Bella sein Kalb. Noch steht sie in seinem Stall in Rettenberg. Aber gleich kommt sie hoch in die Berge. Das Kalb wird dort den Sommer verbringen, zum ersten Mal. Es ist erst elf Monate alt. Für junge Tiere wie Bella eine neue Situation, sagt Andreas Dengel: "Die kennen ja die Alpe noch nicht und müssen sich da erst mal zurechtfinden."
30.000 Tiere kommen auf die Alpen
Bella ist eines von rund 30.000 Tieren, die im Allgäu jedes Jahr den Sommer in den Bergen verbringen: Überwiegend junge Rinder, aber auch Kühe, Schafe, Hühner oder Pferde. Ihr neues Zuhause sind dann die "Alpen", die hochgelegenen Viehweiden im Allgäu. Mehr als 700 gibt es davon. Für die Bauern ist die Alpwirtschaft wichtig: Sie können ihre Wiesen im Tal schonen und bekommen so leichter Heu zusammen, um die Rinder im Winter zu füttern, wenn sie zurück ins Tal kommen.
Andreas Dengel ist Bio-Landwirt, seine Tiere sollen frei leben, so gut es geht. Anfang Mai hat er seine Tiere schon vom Tal hoch auf seine Landalpe auf etwa 1.000 Metern getrieben. Gleich geht es für einige von ihnen mit Traktor und Hänger noch höher – zur Alpe Kammeregg am Grünten. Das kräuterreiche Gras oben in den Bergen hält die Rinder gesund, sagt Andreas Dengel.
Ein Ritual soll die Tiere schützen
Fünf Rinder hat er schon eingeladen – jetzt fehlt nur noch Bella. Andreas Dengel führt sie mit einem Seil aus dem Stall zum Anhänger, aber Bella bleibt mit ihrem Huf an der Laderampe hängen und fällt. Ein kurzer Schreck, dann steht sie wieder auf. Nichts passiert, Bella läuft weiter nach oben.
Der Hänger ist für sie eine neue Erfahrung. Alle sechs Rinder sind eingeladen - jetzt spritzt Andreas Dengel noch Weihwasser über sie. "In Gottes Namen und dem Heiligen Kreuz, dass ihr wieder gesund heimkommt und dass nix passiert", sagt er währenddessen. Das Weihwasser - eine Tradition: "Man glaubt, man kann vielleicht ein Schutzschild über die Tiere drüberlegen. Damit sie unfallfrei wieder von der Alp kommen, dass nichts passiert", sagt Andreas Dengel.
Wie reagiert Bella auf die neue Umgebung?
Dann fährt die Reisegruppe mit Traktor und Anhänger los – ein Alpauftrieb auf sechs Rädern. Nächster Halt: auf 1.200 Metern Höhe, in einem Waldstück, in der Nähe des Grünten. Das ist der Ort, an dem Bella und die anderen Rinder gleich ausgeladen werden. Anderas Dengel sagt: "Im schlimmsten Fall fallen sie irgendwo rein oder erschrecken sich, aber von dem gehen wir nicht aus."
Dann öffnet er den Anhänger. Wie Bella auf die neue Umgebung reagiert, wird sich jetzt zeigen. Sie steht ganz vorne im Hänger. Bella senkt den Kopf, schaut sich um, tastet sich vorsichtig an der Rampe des Hängers nach unten. Sie muss sich noch orientieren. Sich in der neuen Umgebung zurechtfinden.
Vor ihr geht es vier, fünf Meter eine matschige Böschung hoch, dahinter ist die Weide. Bella springt mit drei großen Schritten die Böschung hinauf und folgt gemeinsam mit den anderen Rindern dem Weg hoch zur Weide. Andreas Dengel schaut ihnen hinterher. "Das ist jetzt einfach schön, wenn sie in der Sommerfrische sind. Wunderbar", sagt er.
Wiedersehen im September
Ab jetzt kümmert sich Alphirte Stefan Schwarz um Bella und die anderen Rinder. Andreas Dengel wird sie Ende September wieder ins Tal zurückholen. Bis dahin sind die Berge ihr Zuhause.
Im Video: Im Allgäu startet die Alpsaison
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