In Oberfranken sind 14.400 Flüchtlinge registriert (Stand: 21.05.24 - ohne Ukraine-Kriegsflüchtlinge). Noch zeigen wenige Gemeinden und Städte in Oberfranken Interesse daran, Geflüchtete gemeinnützig zu beschäftigen. Unter anderem schreckt die Bürokratie ab, aber auch die fehlende Betreuung für Asylbewerber, die angelernt werden müssen. Auch die Nachfrage von Seiten der Geflüchteten ist gering. Aktuell gehen rund 3.500 Asylbewerber bayernweit einer Arbeitsgelegenheit nach.
Hürden beim Beschäftigen von Asylbewerbern
Eine "Arbeitsgelegenheit nach dem Asylbewerberleistungsgesetz" [externer Link], wie es in der Fachsprache heißt, könnten sich theoretisch viele Gemeinden, Städte, aber auch Vereine in Bayern vorstellen. Seit Februar gilt ein neues Gesetz, das die gemeinnützige Arbeit von Asylbewerbern anschieben soll. Doch die Scheu vor Sprachproblemen, dem bürokratischen Aufwand und vor allem das fehlende Personal, das die Asylbewerber betreuen könnte, lässt in Oberfranken viele Verantwortliche zurückschrecken.
Beispiel: Landratsamt Coburg
Das Landratsamt Coburg geht es trotzdem an. Vier sogenannte Arbeitsgelegenheitsnehmer, sprich Asylbewerber, arbeiten seit Mitte Mai für das Amt. Einer von ihnen ist der Tschetschene Nordin Iosupow. Seit acht Monaten ist er zusammen mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in Deutschland. Der gelernte Sportlehrer lebt in einer Gemeinschaftsunterkunft und arbeitet insgesamt 20 Stunden wöchentlich im Obstlehrgarten des Landratsamtes.
Einen Deutschunterricht konnte er noch nicht besuchen, denn die Kurse sind ausgebucht. Deshalb ist er bei Ewald Schubert, dem Gärtner der Anlage, gut aufgehoben. Der Mitarbeiter vom Landratsamt erklärt mit Händen und Füßen, ist geduldig und sehr offen. Und Iosupow sagt, dass es für ihn sehr wichtig sei, dass er die Gelegenheit bekommt, hier arbeiten zu können. Damit gebe er ein Stück zurück an die Gesellschaft, die ihn aufgenommen habe. Dass Iosupow nur 80 Cent in der Stunde verdient, sei für ihn dabei überhaupt nicht entscheidend.
Landkreis will mehr Gemeinden dafür gewinnen
"Die Beschäftigung der vier Asylbewerber ist ein erster Test", so Tanja Altrichter vom Landratsamt Coburg. Läuft das gut, dann wolle die Behörde gezielt an weitere Gemeinden herantreten und offensiv für die Beschäftigung werben. "Es ist natürlich auch schwierig, Arbeitsgelegenheiten in den Gemeinden zu finden und es ist vor allem ein größerer bürokratischer Aufwand - auch für die Kommunen." Oft fehle das Personal vor allem in kleinen Gemeinden, um die Asylbewerber zu unterstützen, erklärt Altrichter. Das Glück im Landkreis Coburg: Hier gibt es engagierte Integrationslotsen, Ehrenamtliche und Helferkreise, die sich darum kümmern, Flüchtlinge zu finden, die gerne arbeiten möchten. Sie betreuen sie auch bei den Bewerbungsgesprächen, helfen in den ersten Tagen, um zu übersetzen und so die ersten Hürden zu nehmen.
Doch nicht zu vergessen sei der bürokratische Aufwand für die Landratsämter. Sie übernehmen dies in Oberfranken für die Gemeinden. Erst muss abgeklärt werden, ob der Asylbewerber überhaupt beschäftigt werden darf. Hier muss Rücksprache mit der Ausländerbehörde erfolgen. Dazu müssen dann Bescheide ausgestellt werden. Dann kommt die Verrechnung der Arbeit, was wiederum Personal in der Behörde bindet, denn die Stundennachweise müssen geprüft werden und eine andere Stelle das entsprechende Geld auf die Bezahlkarte buchen.
80 Cent pro Stunde, früher Arbeitsbeginn - abschreckend?
Im April hat auch Memmelsdorf einen Antrag auf Beschäftigung eines Arbeitsgelegenheitsnehmers gestellt. Memmelsdorf ist eine von insgesamt zwei Gemeinden im Landkreis Bamberg, die dafür überhaupt Interesse beim Landratsamt bekundet hat. Zwei Syrer aus Scheßlitz sollen sich jetzt beim Chef des Bauamtes vorstellen.
Ein Betreuer des Bayerischen Roten Kreuzes wird die beiden ins neun Kilometer entfernte Memmelsdorf zum Gespräch fahren. Um 7 Uhr morgens sollen sie dann zukünftig anfangen, was eine Umstellung für die Asylbewerber bedeutet. Um 6.43 Uhr geht es für sie los mit dem Bus. Hier will der Memmelsdorfer Bürgermeister Gerd Schneider auch noch die Monatskarte drauflegen, wenn sie wirklich kommen. Das Landratsamt habe aber schon einmal signalisiert, so der Bürgermeister, dass die Asylbewerber eher am Vormittag anfangen wollen und nicht ganz so früh. "Die Grundmotivation ist wichtig", so Schneider. "Die, die wollen, müssen sich anpassen, müssen um 7 Uhr früh am Bauhof erscheinen. Da werden sie sich wahrscheinlich daran gewöhnen müssen, dass, wenn bei uns 7 Uhr ist, dann ist das Deutsch und dann geht die Arbeit um 7 Uhr los. Ich bin gespannt, ob das funktioniert."
Arbeitswillige Asylbewerber müssten sich oft auch gegen Mitbewohner in den Unterkünften durchsetzen, die argumentieren, für 80 Cent in der Stunde gehe man nicht arbeiten. Das sei nicht einfach, so der Bürgermeister weiter.
Bürgermeister: Beschäftigung als Zeichen gegen Vorurteile
Sprachbarrieren oder einen Personalengpass sehe Schneider für seine Gemeinde nicht. "Die laufen halt mit. Die sind wie ein Praktikant. Ich habe einen Iraker beschäftigt. Das klappt gut. Ich habe eine Ukrainerin beschäftigt und das läuft super. Also gebe ich jetzt anderen Asylbewerbern eine Chance. Ich habe Arbeit, die wollen arbeiten, und so kann auch gezeigt werden, dass sie ein Stück an Hilfeleistung an die Gesellschaft zurückgeben." Außerdem sei das auch ein Zeichen der Integration und gegen Ausländerhass, meint Schneider.
"Wir haben hier auch Gastarbeiter in der Gemeinde, die in den 60er-Jahren zu uns kamen und auch die kritisieren, dass sie damals kamen und sich Arbeit gesucht haben. Und wir können nur gegen Tendenzen ansteuern, die eher AfD-nah sind. Ich möchte hier ein Zeichen setzen: Schau mal, die wollen schon arbeiten, wenn man ihnen Arbeit anbietet. Die lungern nicht nur rum." Dafür jedoch, so Schneider, müssten nun auch Asylbewerber aktiv werden und sich um Arbeit bemühen.
Unverständlich ist jedoch für ihn die Regelung mit 20 Stunden pro Woche. Er verstehe nicht, was gegen eine 38- oder gar 40-Stunden-Woche spreche. "In den Informationen des Innenministeriums steht drin: Sie können Asylbewerber bis zu 20 Stunden beschäftigen. Für mich stellt sich die Frage, warum sollen die nur bis zu 20 Stunden beschäftigt werden und nicht im gleichen Umfang wie ein deutscher Arbeitnehmer auch? Wir testen ja da im Grunde Potenziale aus: will der, kann der, weil, Arbeit haben wir immer."
In Schneiders Gemeinde wurde erst im Januar eine Notunterkunft für 150 Menschen eröffnet. Im Landkreis und der Stadt Bamberg (Ankerzentrum) sind insgesamt derzeit (Stand: 21.05.24) rund 6.400 Geflüchtete untergebracht.
Andere Gemeinden tun sich schwerer
Die Stadt Ebermannstadt (Lkr. Forchheim) schreibt auf Anfrage von BR24: "Gerade, wenn Integration gelingen soll, müssen Initiativen gut durchdacht sein. Nur so können sie positiv wirken. Wir sind eine kleine Kommune und sehen uns derzeit nicht in der Lage, solch ein Projekt zu betreuen."
Auch Waischenfeld (Lkr. Bayreuth) sieht sich überfordert mit der Aufgabe, Asylbewerber in gemeinnützige Arbeit zu vermitteln: "Eine regelmäßige Beschäftigung bei uns in der Kommune (Bauhof, Verwaltung, Reinigungstätigkeit, etc.) scheitert meiner Meinung nach an den immer noch fehlenden ausreichenden Sprachkenntnissen und teilweise an der Komplexität der Aufgabe. Weiterhin ist die Bürokratie für einen längeren Einsatz (z. B. Information an die zentrale Ausländerbehörde, etc) auch immer zu bewältigen. Eine weiterhin größere Herausforderung für die regelmäßige Beschäftigung der Flüchtlinge im öffentlichen Bereich bei uns ist, da dies doch einen nicht unerheblichen Betreuungsaufwand durch unsere Stammbelegschaft bedeuten würde."
Thüringen will durchgreifen
Im Moment setzen die Landratsämter in Bayern bei der Beschäftigung von Asylbewerbern noch auf Freiwilligkeit. Gesetzlich ist es jetzt jedoch möglich, bei einer Arbeitsverweigerung die Geldleistungen um bis zu 180 Euro monatlich zu kürzen. In den Thüringer Landkreisen Saale-Orla und Schmalkalden-Meiningen ist das jetzt schon so. Alleine der Landkreis Schleiz will 150 Geflüchtete dazu einsetzen. Die Aufforderungen seien bereits verschickt worden. Sie sollen an täglich vier Stunden zunächst gemeinnützige Tätigkeiten wie Reinigungsarbeiten in oder Pflegearbeiten an der Gemeinschaftsunterkunft übernehmen. Später sollen sie auch für Vereine oder Kommunen arbeiten.
Im Landkreis Mansfeld-Südharz wurden nach Angaben der Mitteldeutschen Zeitung aktuell 64 Asylbewerber verpflichtet, Sandsäcke abzubauen, nachdem das erwartete Hochwasser ausgeblieben sei. 15 Flüchtlinge hätten ohne triftigen Grund die Arbeit verweigert, so der zuständige Landrat nach Angaben der Zeitung. "Eine entsprechende Leistungskürzung durch den Landkreis erfolgt jetzt umgehend", erklärte der Landrat.
"Ankerzentrum" schafft Beschäftigungsmöglichkeiten
Die Regierung von Oberfranken ist für das "Ankerzentrum" Bamberg (AOE) und für weitere Unterkünfte von Geflüchteten zuständig. Ende Februar standen nach einer BR24-Abfrage 167 Arbeitsgelegenheiten in Oberfranken in den Unterkünften zur Verfügung. 69 davon im Ankerzentrum selbst, 87 in den Gemeinschaftsunterkünften, neun in dezentralen Unterkünften und zwei bei kommunalen Trägern.
Die Regierung von Oberfranken dazu: "In der AEO helfen die eingesetzten Personen im Wesentlichen dabei, die Außenanlagen sauber zu halten, also z. B. herumliegenden Müll aufzusammeln. Zudem unterstützen sie in der Kantine und im Speisesaal. Manche sind auch als Ansprechpartner für neue Bewohnerinnen und Bewohner tätig, helfen diesen also dabei, sich zu orientieren, die Abläufe in der AEO kennenzulernen oder die richtigen Anlaufstellen zu finden. Die Arbeitsgelegenheiten in unseren Gemeinschaftsunterkünften bestehen im Wesentlichen in der Reinigung der Gemeinschaftsflächen wie der Flure, der Küchen oder der sanitären Anlagen."
Arbeit für Flüchtlinge – die Regelung
Dass Geflüchtete in Unterkünften arbeiten dürfen, ist nicht neu. Im Februar kam aber im Asylbewerberleistungsgesetz ein Paragraf hinzu: "Arbeitsfähige, nicht erwerbstätige Leistungsberechtigte, die nicht mehr im schulpflichtigen Alter sind, sind zur Wahrnehmung einer zur Verfügung gestellten Arbeitsgelegenheit verpflichtet."
"Darüber hinaus sollen soweit wie möglich Arbeitsgelegenheiten bei staatlichen, bei kommunalen und bei gemeinnützigen Trägern zur Verfügung gestellt werden. Die Arbeitsgelegenheit muss zwingend gemeinnützig sein, d. h. die Tätigkeit hat dem Gemeinwohl und nicht privaten Erwerbszwecken zu dienen. Der Einsatz von Arbeitsgelegenheiten bei privatwirtschaftlichen Unternehmen ist ausgeschlossen," heißt es dazu im Leitfaden des bayerischen Innenministeriums.
Nur aus der Ukraine Geflüchtete können sofort arbeiten
Als Arbeitsgelegenheitsnehmer kommen aber nur Asylbewerber in Frage, die entsprechende Leistungen beziehen, sprich, deren Asylantrag noch nicht beschieden wurde.
Ukrainer und Ukrainerinnen sind in der Regel davon ausgenommen, da sie nach Erhalt eines Aufenthaltsrechts sofort als Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Ausnahmen: Beschäftigungen zum Beispiel als Arzt, Lehrer, Erzieher. Sie können auch ein eigenes Unternehmen gründen oder freiberuflich arbeiten. Von den rund 1,2 Million Ukrainerinnen und Ukrainern, die seit 2022 nach Deutschland geflohen sind, sind nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums rund 114.000 erwerbstätig. Das seien 20 Prozent der Ukrainer im erwerbsfähigen Alter.
Asylbewerber dürfen frühestens nach drei Monaten arbeiten
Nach geltender Rechtslage dürfen Asylbewerber grundsätzlich erst nach drei Monaten einer Arbeit nachgehen - wer in einer Aufnahmeeinrichtung lebt und kein minderjähriges Kind hat, sogar erst nach neun Monaten.
Wenn das Asylverfahren nach sechs Monaten noch nicht endgültig abgeschlossen ist, besteht ein Anspruch auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis, wenn die Ausländerbehörde des zuständigen Kreises oder der kreisfreien Stadt sowie die Arbeitsagentur dies genehmigen. Erst danach ist es ihnen möglich, ohne Arbeitserlaubnis eine Arbeit zu suchen.
Asylbewerber und Asylbewerberinnen, deren Antrag positiv beschieden wurde, erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung und damit Zugang zum generellen Ausbildungs- und Arbeitsmarkt.
Besonders schwierig: Arbeit mit Duldung
Geflüchtete, deren Asylverfahren abgelehnt wurde, gelten als "geduldet". Sie dürfen mit einer Arbeitserlaubnis nach frühestens drei Monaten arbeiten. Alle sechs Monate muss diese Duldung verlängert werden. Das macht es für Flüchtlinge noch einmal schwerer, eine Arbeit zu finden. Asylbewerber aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten, die nach August 2015 ihren Asylantrag gestellt haben, haben grundsätzlich keinen Zugang zum Arbeitsmarkt. Dazu zählen Menschen aus Albanien, Georgien, Senegal, Serbien oder dem Kosovo.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!