Es trägt die Inventarnummer P.Hamb.Graec. 1011. Jahrzehntelang lag es unbeachtet in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky. Man dachte von dem gerade mal elf mal fünf Zentimeter großen Stück Papyrus, es handle sich um einen Privatbrief oder eine Einkaufsliste. Doch weit gefehlt.
Frühes Zeugnis des Christentums
Als Forschende aus Berlin und Lüttich das Fragment nun kürzlich Buchstabe für Buchstabe verglichen, war schnell klar: Dieses Dokument ist ein sehr frühes Zeugnis des Christentums.
Es handelt sich um einen Teil des Kindheitsevangeliums von Thomas, das es nicht in die offizielle Bibel geschafft hat, also um Geschichten, die hinzugedichtet wurden, wie Dr. Lajos Berkes von der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität Berlin BR24 erklärt: "Manche vergleichen das in der Forschung gerne mit dieser modernen Gattung der Fan-Fiction. Das heißt, wie heute gerne Jugendliche über Harry Potter schreiben, wenn es ihnen sehr gefällt, und sie erfinden neue Geschichten. So waren die frühen Christen so begeistert, dass sie die Lücken füllen wollten."
Das Fragment enthält den Angaben zufolge Reste von 13 Zeilen in griechischen Lettern, ungefähr zehn Buchstaben je Zeile. Es stamme aus dem spätantiken Ägypten. Bisher habe ein Kodex aus dem 11. Jahrhundert als früheste griechische Textfassung des Thomas-Evangeliums gegolten, das vermutlich im 2. Jahrhundert nach Christus erstmals aufgeschrieben wurde.
Thomas-Evangelium erzählt Wunder aus Jesus’ Kindheit
Aus den wenigen Worten auf dem Fragment gehe hervor, dass der Text den Anfang der "Belebung der Spatzen" schildert, eine Episode aus der Kindheit Jesu, die als das "zweite Wunder" im Thomas-Evangelium gilt: Jesus spielt an der Furt eines reißenden Stroms und formt aus dem weichen Ton, den er im Schlamm findet, zwölf Spatzen. Als sein Vater Joseph ihn tadelt und fragt, warum er am heiligen Ruhetag Sabbat solche Dinge tue, klatscht der fünfjährige Jesus in die Hände und erweckt die Tonfiguren zum Leben.
Dieser Artikel ist erstmals am 07. Juni 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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