Im Ländervergleich steht Bayern vergleichsweise zunächst gut da: Mit einem Anteil von 12,6 Prozent an der Gesamtbevölkerung hat der Freistaat die niedrigste Armutsquote. Das geht aus einer aktuellen Untersuchung hervor, die der Paritätische Gesamtverband am Dienstag auf der Bundespressekonferenz in Berlin präsentiert hat. Laut dem Armutsbericht des Verbands waren im Jahr 2022 rund 14,2 Millionen Menschen in Deutschland von Armut betroffen. Und auch in Bayern sind die Zahlen – wie auch bundesweit – zuletzt gestiegen.
- Zur Datenanalyse: Wer ist in Bayern eigentlich arm?
Armutsbericht: Kinder und Alleinerziehende stark betroffen
Mit einer Quote von 16,8 Prozent bleibe die Armut laut Verband bundesweit auf einem hohen Niveau. Im Vergleich zu 2019 gelten sogar eine Million Menschen mehr als arm. Gründe für diesen Anstieg sind nach Angaben des Paritätischen Gesamtverbands vor allem die Pandemie, die Energiekrise und die hohe Inflation.
Laut Bericht sind Kinder und Jugendliche (rund 22 Prozent) sowie Alleinerziehende (rund 43 Prozent) besonders stark von Armut betroffen. Aber auch Senioren, Menschen aus kinderreichen Familien, mit niedrigen Bildungsabschlüssen oder ohne deutsche Staatsbürgerschaft gehören zu den betroffenen Personengruppen.
Große Unterschiede zwischen den Bundesländern
In Bayern war 2022 laut Bericht jede achte Person arm. Mit einer Quote von 12,6 Prozent, dicht gefolgt von Baden-Württemberg (13,5 Prozent) und Brandenburg (14,2 Prozent), liegt Bayern damit unter dem Bundesdurchschnitt. Angeführt wird das Ranking von Bremen mit 29,1 Prozent. Dort ist somit fast jede dritte Person von Armut betroffen.
Im Vergleich zu 2013 ist die Armutsquote in Bayern laut Bericht allerdings um 1,3 Prozent gestiegen. Zudem gibt es regionale Unterschiede: Das östliche Oberfranken liegt mit einer Armutsquote von 17,1 Prozent sogar über dem bundesweiten Durchschnitt, München hingegen mit einer Quote von 9,5 Prozent deutlich darunter. Insgesamt geht die Schere zwischen ärmeren und reicheren Bundesländern laut Verband weiter auseinander.
Sozialministerin Scharf: Mehr Geld für Armutsbekämpfung
Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) sieht Bayern bei der Armutsbekämpfung auf einem guten Weg und sieht einen Zusammenhang mit der niedrigen Arbeitslosenquote – bei gleichzeitigem Beschäftigungsrekord. "Die beste Armutsprävention sind ein guter Arbeitsmarkt und ein möglichst durchgängiges Erwerbsleben", sagte Scharf BR24 in Bezug auf den Armutsbericht.
Bayern will laut Scharf in der Armutsbekämpfung aber nicht stehen bleiben, sondern noch mehr Geld ausgeben. Der Sozialhaushalt steige heuer (um 11,4 Prozent) auf mehr als acht Milliarden Euro, ein Rekordhaushalt, so Scharf. Strukturschwache Regionen habe die Staatsregierung besonders im Blick. Schließlich kritisiert der aktuelle Armutsbericht genau das: Innerhalb Bayerns gibt es starke regionale Unterschiede.
Kritik: Kinderarmut in Bayern alarmierend
Auch wenn Bayern bundesweit besser abschneide, sei die Kinderarmut im Freistaat alarmierend, sagt Bayerns größter Sozialverband VdK auf BR24-Anfrage. In Bayern sind laut Verband etwa 393.000 (17,4 Prozent) aller Kinder und Jugendlichen von Einkommensarmut betroffen. Der Sozialverband fordert, dass dringend in nachhaltige Instrumente gegen Armut von Kindern und Jugendlichen investiert werden müsse, um den Sozialstaat nicht zu gefährden – und kritisiert vor allem die ablehnende Haltung der CSU zu einer umfassenden Kindergrundsicherung. Der VdK fordert zudem eine Neuberechnung des Kinderregelbedarfs.
Doris Rauscher, SPD-Abgeordnete im bayerischen Landtag, kritisiert außerdem, im Freistaat gehe die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander: "Auch in Bayern ist Armut jung, alleinerziehend, kinderreich, im Alter oft weiblich und geprägt von einem niedrigen Bildungsniveau." Die Frauen müssten "raus aus der Teilzeitfalle". Es brauche mehr Kitaplätze und mehr bezahlbaren Wohnraum, sagte die SPD-Politikerin BR24.
Paritätischer Gesamtverband fordert Anhebung des Mindestlohns
Der Paritätische Gesamtverband betont, dass auch Erwerbstätigkeit nicht vor Armut schütze. Vielmehr müssten sich die Strukturen ändern. Um die Armut zu senken, fordert der Verband von der Bundesregierung, den Mindestlohn auf 15 Euro anzuheben.
Ferner fordert er den Ausbau der Kinderbetreuung, eine angemessen hohe Kindergrundsicherung, eine allgemeine Bürgerversicherung, eine solidarische Pflegeversicherung sowie mehr bezahlbaren Wohnraum.
💡 Wie der Bericht "Armut" definiert
Der Bericht des Paritätischen Gesamtverbandes basiert auf dem Mikrozensus des Statistischen Bundesamts. Die Bemessung der Armutsgrenze orientiert sich an dem von der EU definierten relativen Armutsbegriff, wonach eine Person als einkommensarm gilt, wenn ihr gesamtes Nettoeinkommen unter 60 Prozent des landesweiten mittleren Nettoeinkommens liegt. Die bayerischen Zahlen beziehen sich auf das mittlere Einkommen von Bayern. (Quelle: Paritätischer Gesamtverband).
Im Video: Der Paritätische Gesamtverband stellt den Armutsbericht vor
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