Schüler des Feuchtwanger-Gymnasiums vor der Arberger Skulptur.
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Statuen vor dem alten Schulhaus erzählen die Geschichte aus der NS-Zeit, als Kreszentia Hummel die zehnjährige Lotte vor den Nazis beschützt.

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Auf den Spuren von Charlotte Knobloch in Franken

Für ein Projekt im Ethik-Unterricht folgen Schülerinnen und Schüler des Feuchtwanger-Gymnasiums den Spuren von Charlotte Knobloch. Als Kind wurde sie 1942 vor den Nazis im mittelfränkischen Arberg versteckt und lebte dort drei Jahre als Lotte Hummel.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Zwei Bronze-Skulpturen vor dem alten Schulhaus in Arberg erzählen eine besondere Geschichte. Die zehnjährige Lotte wird von Kreszentia Hummel beschützt. Mehr noch – sie hat sie vor der Deportation oder sogar der Ermordung durch die Nazis gerettet. Nicht weit weg, in einem blauen Bauernhaus kam Lotte 1942 unter, lebte dort drei Jahre als angebliche uneheliche Tochter von Kreszentia "Zenzi" Hummel. Ein jüdisches Mädchen, mitten im streng katholischen Arberg. Dieses jüdische Mädchen ist Charlotte Knobloch.

Der Ethik-Kurs der Oberstufe des Gymnasiums Feuchtwangen ist sichtlich ergriffen, als Karl Ringer vom Kultur- und Heimatverein die Umstände dieser Rettung beschreibt. Die ehemalige Hausangestellte Zenzi Hummel kehrt mit dem Kind in ihr Heimatdorf zurück. Gibt es als ihr eigenes aus. Das Getuschel damals ist groß, doch anscheinend merkt keiner, dass hier ein jüdisches Mädchen vor der Verschleppung gerettet wird. "Gerade die streng katholische Familie Hummel mit einem unehelichen Kind", glauben damals die Leute. Vielleicht macht gerade das die Legende glaubwürdig. Nur der Dorfpfarrer ist eingeweiht, hilft dem jungen Mädchen bei den katholischen Ritualen, die in Arberg gepflegt werden.

Praktischer Unterricht vor Ort

"In der Schule erleben wir sehr viel Theorie", erklärt Schülerin Maria Bieringer. Aber es sei nochmal was ganz anderes, wenn man es sehen kann und vor Ort ist. So wie das blaue Bauernhaus, in dem Lotte damals unter dem Dach geschlafen hat. Ohne Heizung, im Winter bildete sich eine Eisschicht innen an den Ziegeln, berichtet Karl Rieger vom Kultur- und Heimatverein. "Nur wer die Geschichte kennt, in Arberg oder allgemein, kann auch die Zukunft vernünftig gestalten", ist sich der ehemalige Kriminalbeamte sicher.

Zur Vorbereitung auf die Exkursion haben sich die Ethik-Schüler mit der Biografie von Charlotte Knobloch beschäftigt. Vor Ort wird ihnen klar, wie groß die Angst gewesen sein muss, dass ihre Legende, ihre Tarnung auffliegen könnte. Auch als junges Mädchen wusste sie genau, wo die NSDAP-Anhänger im Dorf wohnten, zum Teil entlang ihres Schulwegs.

Preisgeld für das nächste Projekt

Organisiert hat das Projekt Barbara Haas. Die Ethik-Lehrerin wurde vor Kurzem mit dem Deutschen Lehrerpreis ausgezeichnet - für ein Projekt zum Schopflocher Judenfriedhof, ebenfalls mit ihrer Ethik-Klasse. Das Preisgeld hat sie gleich investiert, in das nächste Projekt. Gut angelegt, wie sie findet. "Solche Dörfer wie Arberg gab es hier zahlreiche, Feuchtwangen ist nicht weit weg, und damals hatten die Nazis hier das Sagen", resümiert die Pädagogin. "Und meine Ethiker sind gebannt von diesem Teil der Geschichte", bestätigt sie. Und vielleicht ziehen sie ja ihre eigenen Schlüsse, wie das im heutigen Kontext zu sehen ist. Und Arberg ist schließlich nicht weit weg von Feuchtwangen, knapp 30 Kilometer.

Zeitzeugengespräch mit Charlotte Knobloch

Doch die nächste Etappe der Exkursion ist noch aufregender für die Schülerinnen und Schüler. Sie haben einen Termin in München, bei Charlotte Knobloch persönlich. Einen ganzen Fragenkatalog dürfen sie der Präsidentin der Münchner israelitischen Kultusgemeinde stellen. Und sie nimmt sich Zeit für Details. Erinnert sich an das Klohäuschen auf dem Misthaufen vor der Tür. Ein ganz neuer Eindruck für die damals Zehnjährige, die bisher nur das bürgerliche Stadtleben kannte. Mit zehn musste sie in der Landwirtschaft mit anpacken. "Die Männer waren an der Front, Frauen und Kinder bestellten die Felder und versorgten in Arberg die Tiere", erinnert sich Knobloch.

Tiere als Zuflucht

Die Tiere hingen ihr besonders am Herzen. Eine Katze war ihre beste Freundin. "Wenn ich Heimweh oder Sorgen hatte, ging ich zu den Tieren und erzählte ihnen das. Keiner durfte sehen, wenn ich weinte", schilderte sie ihre damalige Gefühlslage. Die schwere Arbeit machte ihr nichts aus. Schwerer tat sie sich mit den katholischen Sitten und Gepflogenheiten, "ich wusste vorher gar nicht, wie oft Katholiken sich im Gottesdienst hinknieten".

Auf die Frage der Feuchtwanger, ob die Familie Hummel eine Gegenleistung oder Geld für das Verstecken wollte, erinnerte sich Charlotte Knobloch noch ganz genau. "Die wollten kein Geld. Auch später nicht. Sie sahen das als gute Tat an, als gläubige Katholiken hofften sie, so dazu beizutragen, dass die beiden Söhne der Familie gesund von der Front wiederkommen." Das sei auch tatsächlich so eingetreten.

Video für die Nachwelt

Sichtlich beeindruckt zeichnen die Schülerinnen und Schüler das Gespräch auf. Daraus soll ein Video und eine Dokumentation entstehen. Ergänzt werden die Eindrücke von einer Führung durch die Münchner Synagoge. Für einige Einblicke in eine andere Lebens- und Glaubenswelt. Ein anstrengender, aufregender Tag für die Ethik-Klasse. Das Preisgeld ihrer Lehrerin sei aber so sehr gut angelegt, da sind sich alle einig.

Im Video: Charlotte Knobloch zu "Die Rückkehr der Namen"

Charlotte Knobloch, Präsidentin IKG, Zeitzeugin
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Die Rückkehr der Namen

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