Samstagabend um kurz vor zwanzig Uhr - im oberfränkischen Naila ist es still. Keine Menschen, keine Autos auf der Straße, die Stadt scheint bereits zu schlafen. Vor allem für Jugendliche und junge Erwachsene in der 7.000-Einwohner-Stadt ist das nicht ganz so toll. Nur aus einem Gebäude dringt leise Musik. Direkt gegenüber der evangelischen Kirche brennt Licht in einer Kneipe. "Täubla" steht auf dem Schild über der Tür.
Das Täubla - auf den ersten Blick eine ganz normale Kneipe
Drinnen steht ein hoher Tresen aus Holz mit Zapfhahn, darauf steht eine Hand aus Holz, die Mittel- und Zeigefinger wie ein "V" ausstreckt und damit die Friedensgeste Peace, also Frieden, zeigt. An der einen Wand hängt, in Gold gerahmt, ein Kranz aus Stacheldraht, auf eine andere Wand ist eine große Taube gesprayt. Hinter dem Tresen steht Dominik Rittweg, er ist Teil des Täubla-Vorstands und eigentlich evangelischer Pfarrer - und samstags ist er Barmann.
"Das Täubla ist ein schwellenfreier Ort, wo Menschen ankommen können, wo sie gute Gemeinschaft haben und wo sind allerbesten Fall auch Gott begegnen können, ihren Wert wiederfinden können", erklärt Dominik Rittweg. Auf den zweiten Blick ist das Täubla doch keine ganz normale Kneipe.
Jungen Leuten einen Raum und neue Perspektiven schaffen
Der Verein Hoffnung und Malz e.V. hat das Täubla gegründet, um jungen Menschen beizustehen. Grundsätzlich sei das Täubla natürlich für alle, sagt Dominik Rittweg, besonders aber für: "Junge Erwachsene, die er am Rande der Gesellschaft stehen, die vor allem keinen Ort mehr in der Kirche haben, oder vielleicht sogar noch nie hatten."
Kirche trifft in Naila auf Bartresen und wirkt dadurch gar nicht mehr, so "exklusiv", wie es Pfarrer Rittweg formuliert. Jeden Samstag zwischen 19 und ein Uhr können Jugendliche und junge Erwachsene herkommen und einen "ganz normalen" Kneipenabend verbringen, oder eben über ihre Situation, ihre Probleme sprechen.
Das Konzept scheint aufzugehen: Zwei Jugendliche, die sich vorher noch nie gesehen haben, sitzen zusammen am Tisch. Sprechen über ihr Leben, der eine steht kurz vor der Abschlussprüfung seiner Ausbildung, der andere weiß noch nicht so recht, was er nach der Schule machen will. Die beiden hören einander zu, geben sich Tipps, teilen Erfahrungen, und ganz nebenbei geben sie sich gegenseitig Halt.
Zahl der Kirchenaustritte so hoch wie nie
Diesen Zusammenhalt, den die Besucher im Täubla erleben, spürt die evangelische Kirche in Deutschland schon länger nicht mehr. Vergangenes Jahr haben über 600.000 Menschen die evangelische Kirche verlassen. Die Zahl der Austritte (380.000) übersteigt zum zweiten Mal in Folge die der Sterbefälle (340.000). Gründe sind, laut der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKB), unter anderen eine fehlende Mitgliederbindung und Unzufriedenheit mit der Institution Kirche.
Kirchliche Angebote für junge Leute schaffen
Der Weg raus aus der Kirche und rein in die Lebensrealität von (jungen) Menschen könnte ein Weg sein, um gegen den Mitgliederschwund anzugehen. Aktionen, wie eine Fahrradtour mit dem Landesbischof zum Landesjugendkonvent der Evangelischen Kirche in Bayern, gemeinsam einen alten Bus wieder fit machen, wie es Pfarrer Rittweg mit einigen Jugendlichen macht, oder eben gemeinsam Bier trinken und dabei gar nicht unbedingt den christlichen Aspekt in den Vordergrund rücken, sondern eher nebenbei einfließen lassen.
Trotzdem spielt der Glaube im Täubla für Dominik Rittweg eine untergeordnete Rolle. Ihm ist wichtig, den Menschen dort zu begegnen, wo sie gerade sind - so wie es wohl auch Jesus tat, als er den Menschen begegnete und sich nahbar gemacht hat. "Im Prinzip wollen wir Menschen genau da begegnen, auf der Straße, im Staub, dort, wo sie das Leben bricht und wo große Tragödien stattfinden", sagt Pfarrer Rittweg, "das ist der Ort, wo Gott auch wirkt und so einen Ort wollen wir hier schaffen, wo man schwach sein kann und zerbrochen sein kann und sich nicht schämen muss."
Auf den zweiten Blick eine "fast" ganz normale Kneipe
Mit dem Wissen um den christlichen Hintergrund ändert sich der Blick im Täubla etwas. Es wird klar: Der Stacheldrahtkranz symbolisiert Jesu Dornenkrone, unter der Holz-Hand, die Peace zeigt, steht "Friede mit dir" und die große Taube an der Wand ist Sinnbild für den Heiligen Geist, der durchs Täubla strömen soll und alle, die hier sitzen, unter seine Fittiche nimmt.
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