Der Tatverdächtige mit einer Langwaffe und aufgepflanztem Bajonett, den Augenzeuge Tim R. gesehen hat.
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Der Tatverdächtige mit einer Langwaffe und aufgepflanztem Bajonett, den Augenzeuge Tim R. gesehen hat.

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Augenzeuge über Schüsse in München: "War ein Großfeuergefecht"

Augenzeuge über Schüsse in München: "War ein Großfeuergefecht"

"Der Mann schoss noch dreimal - dann hörte ich nur noch gefühlt 30 Sekunden lang Schüsse der Polizei". Augenzeuge Tim R. war nur wenige Meter vom Schützen am israelischen Konsulat entfernt. BR24 erzählt er, wie er die Tat erlebt hat.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 3-Nachrichten am .

Vor dem israelischen Generalkonsulat in München sind heute Morgen mehrere Schüsse gefallen - mittlerweile ist klar: Ein Tatverdächtiger feuerte mit einer älteren Langwaffe auf das Konsulat. Wenig später wird er von der Polizei erschossen, stirbt noch vor Ort.

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Nur 15 Meter entfernt hat Tim R. die Tat hautnah miterlebt. Er arbeitet als Mediengestalter an der Technischen Universität München. Sein Arbeitsplatz befindet sich direkt im Gebäude neben dem Konsulat, im ersten Stock. Heute Morgen, um 9.03 Uhr hatte er gerade seinen Computer hochgefahren. "Dann hörte ich so einen lauten Knall von draußen, einen Schuss". Zuerst dachte er sich nichts dabei. "Doch dann gab es noch einen Knall."

"Eine Waffe, gefühlt aus dem 18. Jahrhundert"

Tim R. schaut aus dem Fenster und sieht einen jungen Mann im Innenhof, auf dem Parkplatz zwischen seinem Bürogebäude und dem Konsulat. "Der hatte eine rotbraune Hose an und ein schwarzes Oberteil. Und dann noch eine Waffe, gefühlt aus dem 18. Jahrhundert - mit Bajonett vorne dran, bestimmt eineinhalb Meter lang." Der Mann läuft planlos durch den Hof - und schießt dann wieder willkürlich gegen die Fassade des Konsulats.

Wenig später lädt er seine Waffe neu, zielt auf etwas im anliegenden Garten. "Es schien dann auch kurz so, als würde er jemanden zu sich herwinken. So eine 'Komm mal rüber'-Geste", sagt Tim. Die Polizei geht mittlerweile davon aus, dass es nur einen Täter gibt. Der Mann hätte sich auch sehr merkwürdig bewegt: "Auch beim Schuss zuckt sein ganzer Körper, sein ganzes Bein ist vom Boden hoch - das sah so aus, als hätte er sich sehr erschrocken. Das war bestimmt kein Profi." Kurze Zeit später hackt der Mann mit seinem Bajonett auch auf ein Fenster des Konsulats ein. "Er wirkte total planlos, als wüsste er auch nicht, wohin er will."

"Unsere Zugangstür war sperrangelweit offen"

Tim und seine Kollegen sitzen währenddessen angespannt im Büro. Denn das Bürogebäude ist nicht besonders gesichert - es kann theoretisch jeder immer rein. "Unsere Zugangstür ist genau am Parkplatz - und die war sperrangelweit offen", erzählt Tim. "Der Täter hat mich auch gesehen, als ich aus dem Fenster geschaut habe." Dennoch versucht Tim ruhig zu bleiben.

Auch weil sie schnell die Sirenen der Polizei hören: "Das waren gefühlt nur zehn Sekunden nach dem ersten Schuss." Zwei Straßen weiter sei die nächste Polizeistation. Zuvor hatten außerdem schon Kollegen den Täter über die Straße laufen sehen. "Die haben bestimmt da schon die Polizei gerufen."

Ein Feuergefecht mit der Polizei - dann wurde es ruhig

Währenddessen verliert Tim den Mann aus dem Blick. Dann plötzlich wieder: Zwei bis drei Schüsse aus der Langwaffe. "Dann hörte ich nur noch, wie die Schüsse der Polizei fielen." Tim sieht noch, wie ein Panzerwagen des Spezialeinsatzkommando (SEK) vorfährt. "Das war ein Großfeuergefecht, bestimmt so 50 Schüsse, 30 bis 40 Sekunden lang. Danach wurde es ruhig."

Polizei schickte "alles, was geht"

Wenig später werden Tim und seine Kollegen von Polizisten aus dem Gebäude geholt. Es sei alles sehr organisiert vonstatten gegangen, erzählt er. Sie werden zu einem Lager der Polizei im Innenhof der BayernLB gefahren. Insgesamt seien dort 20 Augenzeugen. Tim fragt einen Beamten: "Ihr habt die komplette Münchner Polizei aufgefahren?", der Beamte erwidert Tim: "Alles, was geht." Den Augenzeugen wird vor Ort auch die Hilfe eines Kriseninterventionsteams angeboten.

"Ich finde es sehr gut, dass da nichts zurückgehalten wird, sondern direkt alle Einsatzkräfte hinzugezogen werden", sagt Tim zu BR24. Das gebe einem Vertrauen, man fühle sich nicht unsicher - trotz der Situation. Es seien zwar auch viele Schüsse abgefeuert worden - "aber wenn es das braucht, dann braucht es das". Dennoch bleibt auch bei Tim R. und seinen Kollegen die große Frage offen: "Wir rätseln alle: Was war der Sinn? Aber wir kommen alle nicht drauf."

Im Video: Sicherheitsexperte Peter Neumann analysiert die Lage

Sicherheitsexperte Peter Neumann im BR24-Interview
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