Zwei Polizisten patrouillieren am Morgen um das Israelische Generalkonsulat.
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Zwei Polizisten patrouillieren am Morgen um das Israelische Generalkonsulat.

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Versuchter Terroranschlag in München: Was bisher bekannt ist

Versuchter Terroranschlag in München: Was bisher bekannt ist

Der Mann, der in München am israelischen Generalkonsulat um sich geschossen hat, war in Österreich polizeibekannt. Die Waffe hatte er erst in den letzten Tagen gekauft. Innenminister Herrmann hält das Oktoberfest trotz des Vorfalls für sicher.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Nach dem Schusswechsel in der Nähe des israelischen Generalkonsulats in München, bei dem Polizisten einen 18-jährigen Österreicher erschossen haben, erhärtet sich der Verdacht auf einen versuchten Terroranschlag. Was bisher bekannt ist.

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  • Was ist passiert?

    Am Donnerstagmorgen wurde die Polizei alarmiert. Wie sich später herausstellte, feuerte ein Mann mit einer älteren Langwaffe auf das israelische Generalkonsulat. Beamte schossen nach Angaben der Polizei den Verdächtigen nieder. Zunächst teilte die Polizei mit, dieser sei schwer verletzt und befinde sich noch am Einsatzort. Kurz darauf gab Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bekannt, der Niedergeschossene sei tot.

    Zahlreiche Polizisten waren vor Ort, auch ein Hubschrauber war im Einsatz. Die Polizei rief dazu auf, den Bereich von Briennerstraße und Karolinenplatz großräumig zu meiden. Dort seien Verkehrssperren errichtet worden. An den Straßensperren standen mit Maschinenpistolen bewaffnete Beamte.

    Auch am Freitagmorgen sind Bereiche um den Tatort am Morgen noch gesperrt. "Die Straßen sind frei, aber einzelne Gebäude oder Bereiche noch abgesperrt", sagte ein Polizeisprecher. "Da finden auch heute noch Spurensicherungsmaßnahmen statt." Es handle sich nach wie vor um einen Tatort. 

    Was ist bisher über den Tatverdächtigen bekannt?

    Wie im Laufe des Tages bekannt wurde, handelt es sich bei dem Tatverdächtigen um einen 2006 geborenen österreichischen Staatsangehörigen mit bosnischen Wurzeln. Sein Name wird mit Emra I. angegeben. Er war demnach nicht in Deutschland, sondern in Österreich wohnhaft und soll erst vor Kurzem eingereist sein. Er lebte mit seinen Eltern in Neumarkt am Wallersee im Salzburger Land. Das Wohnhaus und angrenzende Gebäude wurden durch die österreichische Polizei durchsucht. Zur Sicherheit seien das Wohnhaus und die benachbarten Gebäude evakuiert worden, sagte ein Polizeisprecher. Im Nachhinein habe aber sich herausgestellt, dass keine Gefahr bestanden habe. 

    Der BR erfuhr zudem aus Sicherheitskreisen, dass beim Täter dschihadistisches Material gefunden wurde. Auch habe er sich für Sprengstoff und Waffen interessiert, so die Salzburger Polizei. Demnach war vergangenes Jahr gegen ihn ermittelt und ein Waffenverbot verhängt worden. Dieses wäre noch bis mindestens Anfang 2028 in Kraft geblieben, hieß es von der Salzburger Polizei.

    Die Tatsache, dass es sich um einen sehr jungen Tatverdächtigen handelt, bezeichnete der Sicherheitsexperte Peter Neumann vom King’s College in London als "bemerkenswert". Vorfälle mit jungen Tätern beobachte er "seit einiger Zeit mit großer Besorgnis", sagte er im Gespräch mit BR24. Ungefähr zwei Drittel der Terrorverdächtigen, die in den letzten zehn Monaten in Europa verhaftet wurden, seien Teenager unter 19 Jahren gewesen. "Deswegen müssen wir auch unsere Präventionsmaßnahmen, Psychologiemaßnahmen, Frühwarnsysteme viel stärker auf ganz, ganz junge Attentäter ausrichten", forderte der Experte.

    Was ist über das Motiv bekannt?

    Zu den Hintergründen der Tat laufen derzeit Ermittlungen.

    2023 war der damals noch 17-jährige Tatverdächtige den Behörden bereits nach einer Drohung gegen Mitschüler und einer Körperverletzung aufgefallen. In diesem Zusammenhang sei ihm die Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen worden, hieß es. Beim Täter wurde dschihadistisches Propagandamaterial entdeckt. Doch die Staatsanwaltschaft Salzburg habe die Ermittlungen im April 2023 eingestellt, so die Polizei. Der Grund wurde nicht genannt.

    Nach BR-Informationen sympathisierte der Täter offenbar mit der Terrorgruppe Hayat Tahrir al-Sham (HTS). Die HTS konkurriert mit der Terrororganisation IS. Ihr wird eine Nähe zum Terrornetzwerk al-Qaida nachgesagt - auch wenn sie sich in den vergangenen Jahren distanzierte. Die HTS ist bis heute in Syrien aktiv - auch Kämpfer aus Bayern und anderen Teilen Deutschlands sind darunter. Im Messengerdienst Telegram verbreiten sie laut BR-Informationen massive antisemitische Propaganda.

    Ob ein Zusammenhang zwischen dem Schusswechsel und der Veranstaltung zum Gedenken an das Olympia-Attentat besteht, ist noch unklar. Auf den Tag genau vor 52 Jahren ereignete sich das Attentat auf die israelische Mannschaft bei den Olympischen Spielen in München. Auf jeden Fall hat die Polizei den Schutz für jüdische Einrichtungen intensiviert.

    Wer ermittelt?

    Das Verfahren wird von der Generalstaatsanwaltschaft München geführt - von der dort angesiedelten Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET). Nach derzeitigen Erkenntnissen gehe man bei dem Angriff des mit einem Gewehr bewaffneten 18-jährigen Österreichers von einem "Bezug zum Generalkonsulat des Staates Israel" aus, so Polizei und Generalstaatsanwaltschaft. 

    Der Freistaat habe sein Schutzversprechen, alle jüdische Einrichtungen vor Angriffen zu schützen, eingehalten, sagte Herrmann. Später bekräftige er im Interview mit BR24: Es sei "nun ganz eindeutig, dass das alles auf einen Anschlag auf das israelische Generalkonsulat oder deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hindeutet". Es würden vereinzelt noch Spuren aufgenommen, etwa werde an verschiedenen Gebäuden noch nach Einschusslöchern gesucht. Der Täter habe "eine ganze Reihe von Schüssen" abgegeben.

    Die österreichischen Behörden forschten intensiv, am Wohnort des jungen Mannes im Salzburger Land fänden Vernehmungen statt. Es gelte zu klären, mit wem er in Kontakt gestanden habe und wie seine vermutete Radikalisierung sowie eine zunehmende Nähe zu islamistischen Terrororganisationen vonstattengegangen sei.

    Im Video: Das sagt Innenminister Herrmann

    Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) äußert sich im BR24-Interview zum versuchten Terroranschlag in München.
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    Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) äußert sich im BR24-Interview zum versuchten Terroranschlag in München.

    Gibt es Verletzte?

    Nein. Es gibt laut Polizei aktuell keine Erkenntnisse zu weiteren Verletzten. "Nach unserem jetzigen Kenntnisstand ist keiner unserer Kolleginnen und Kollegen bei dem heutigen Einsatz verletzt worden; und darüber sind wir sehr dankbar", so die Gewerkschaft der Polizei.

    Das israelische Außenministerium teilte mit, es seien keine Mitarbeiter des Konsulats verletzt worden. Im Konsulat habe es eine Gedenkfeier zum Olympia-Attentat in München 1972 gegeben, deshalb war es den Angaben zufolge geschlossen. Am 5. September 1972 hatte die radikale Palästinenserorganisation "Schwarzer September" einen Anschlag auf die israelische Olympiamannschaft verübt und dabei zahlreiche Geiseln genommen.

    War der mutmaßliche Täter bewaffnet?

    Zum Ablauf des Einsatzes sagte ein Sprecher der Polizei, der verdächtige Mann sei gesehen worden, wie er mit einer Langwaffe, also einer großen Schusswaffe, agierte. So hatte der Tatverdächtige mit einem älteren Karabiner samt angebautem Bajonett das Feuer eröffnet. Laut Innenminister Herrmann hatte er die Waffe erst in den letzten Tagen gekauft. "Der Verkauf einer solchen Waffe wäre so bei uns nicht zulässig gewesen", so Herrmann im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk.

    Nach Angaben der Polizei gab es einen Schusswechsel zwischen fünf Beamten und dem Tatverdächtigen, mit mehreren Schussabgaben sowohl des Verdächtigen als auch der Polizisten.

    Welche Folgen hat der versuchte Anschlag?

    Trotz des versuchten Anschlags hält Herrmann das Oktoberfest für sicher. Er sieht auch keinen Anlass für eine weitere Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen. "Wir haben wieder bestmögliche Vorkehrungen getroffen, Sicherheitsvorbereitungen. Wir werden die Lage genau beobachten, aber ich freue mich trotzdem auf ein, wie ich hoffe, doch entspanntes Oktoberfest", sagte er dem BR.

    Die Schutzmaßnahmen seien in den vergangenen Jahren ständig verstärkt worden, sagte Herrmann. Dazu gehörten Schutzpoller, die Anschläge mit etwa Lkw verhindern sollen, umfassende Zugangskontrollen, Sicherheitsdienste und viel Polizeipräsenz.

    Mit Blick auf die Radikalisierung der Täter in sozialen Medien kündigte Herrmann eine Prüfung der Präventions-Konzepte an: "Wir werden natürlich auch in Bayern darüber reden müssen: Welche Schlüsse müssen wir daraus ziehen? Wie gehen wir mit Menschen um, wo wir erkennen, dass sie sich für die IS-Ideologie interessieren? Dass sie vielleicht sich selbst radikalisieren? Da werden wir in Bayern auf jeden Fall unsere Konzepte überprüfen und sehen, wie können wir da noch aufmerksamer sein."

    Wie reagieren die Betroffenen?

    Generalkonsulin Talya Lador Fresher zeigte sich nach dem mutmaßlichen Anschlagsversuch auf das Israelische Generalkonsulat erschüttert. "Wenn man die Aufnahmen des Schusswechsels sehe, "können wir nur Gott und der Polizei danken, dass es am Ende ohne Verletzte" ausgegangen sei.

    Dass sich der Verdacht auf einen versuchten Terroranschlag nun erhärtet, überrascht die Generalkonsulin wenig. "Wir haben von Anfang an das Gefühl gehabt, dass wir Ziel eines Attentats waren", betonte sie. Bereits Ende Mai habe es einen Anschlagsversuch gegeben, allerdings "nicht so schlimm, wie heute, kein Vergleich." Eigentlich hätten heute zum 52. Jahrestag des Attentats auf israelische Sportler bei den Olympischen Spielen in München viele Erinnerungsveranstaltungen stattfinden sollen, berichtete Lador Fresher. Das habe man "leider canceln" müssen, "aber unser Arbeitsleben ist nicht normal, schon seit dem 7. Oktober" (dem Überfall der Hamas auf Israel, Anm. d. Red.).

    Wie reagiert die Bundespolitik?

    Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach von einem "schwerwiegenden Vorfall". Sie wolle aber nicht spekulieren, es gelte abzuwarten. Es sei sehr bitter, dass sich der Vorfall ausgerechnet vor dem NS-Dokumentationszentrum und dem israelischen Generalkonsulat ereignet habe.

    "Antisemitismus und Islamismus haben bei uns keinen Platz", schrieb auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf X und lobte die Einsatzkräfte.

    Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) warnte am Rande ihrer Nahostreise vor Antisemitismus in Deutschland: "Wir stellen uns gegen jeden Extremismus, egal aus welcher Ecke er kommt", sagte sie. Baerbock warnte allerdings vor Spekulationen. Zunächst müssten die Hintergründe des Vorfalls aufgeklärt werden.

    Mit Informationen von dpa

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