Am Landgericht München wird der Prozess um den sogenannten "Badewannenmord" von Rottach-Egern neu aufgerollt. Um kurz nach neun Uhr betrat der beschuldigte Manfred Genditzki - gekleidet in eine dunkle Hose und ein weißes Hemd - schnellen Schrittes und in Begleitung seiner Frau den Gerichtssaal. Dort will er endgültig seine Unschuld beweisen. Am Ende des ersten Prozesstages sagte Genditzki: "Bisschen stressig, aber es geht mir ganz gut."
Verteidigung rechnet "fest mit einem Freispruch"
In der Neuauflage des Prozesses am Landgericht München wurde am Mittwochmorgen zunächst die Anklageschrift verlesen. Es handelt sich dabei nach wie vor um die Version von 2009: Die Staatsanwaltschaft ging damals davon aus, dass Manfred Genditzki mit dem Mord an einer Seniorin die Unterschlagung von Geld vertuschen wollte. Im Urteil wurde dann ein Streit als Tatmotiv genannt.
Diesmal rechnet Rechtsanwältin Regina Rick "fest mit einem Freispruch", wie sie heute vor Verhandlungsbeginn noch einmal bekräftigte. Dass sie so lange um ein Wiederaufnahmeverfahren kämpfen musste, erklärt sie sich mit dem "Beharrungsvermögen der bayerischen Strafjustiz" und "mangelnder Fehlerkultur". Rick: "Das war die größte Hürde."
Erneutes Verfahren mit 20 Verhandlungstagen
"Es ist so, dass wir jetzt tatsächlich wieder bei Null anfangen, alle Fragen sind offen, und genauso halten wir es auch in entlastender und belastender Frage", sagte Anne Leiding, Sprecherin der Staatsanwaltschaft München, am Morgen.
"Wir gehen ganz objektiv nochmal von vorne an die Sache dran und hören uns alles nochmal an, so handhabt es auch das Gericht." Sprecherin der Staatsanwaltschaft München
Dafür brauche es auch die wahrscheinlich 20 Hauptverhandlungstage. Leiding: "Es ist jetzt nicht so, dass mit einem Wiederaufnahmeverfahren alles schon feststeht – es gibt ein erneutes öffentliches Verfahren, wo alle Dinge auf den Tisch kommen."
"Badewannenmord"-Prozess: Angeklagter beteuert Unschuld
Der Angeklagte Manfred Genditzki bestreitet weiter jede Schuld. Er habe die Seniorin in Rottach-Egern nicht umgebracht und ihr "keinerlei Gewalt angetan", hieß es in einer von Rechtsanwältin Regina Rick verlesenen Erklärung. Überhaupt sei Genditzki "noch nie gewalttätig in Erscheinung getreten" und habe sich noch niemals "geprügelt" – auch nicht im Gefängnis.
Dort saß er 13 Jahre, weil er 2010 wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt worden war. Er soll die 87-Jährige im Oktober 2008 in Rottach-Egern bewusstlos geschlagen und in ihrer Badewanne ertränkt haben – in einer Wohnanlage, in der er als Hausmeister zuständig war.
Genditzkis Schwester hofft auf Unschuldsbeweis
Die Besuchertribüne an diesem Mittwoch ist mit Familie und Freunden gefüllt, die Genditzki all die Jahre beigestanden haben. Darunter seine Schwester Sybille Ockert, die der Gang ins Gericht viel Kraft gekostet habe, sagte sie in einer Verhandlungspause.
Nun hofft sie, dass ihr Bruder seine Unschuld beweisen kann. "Er hat immer gesagt: Ich möchte, dass das bewiesen wird, dass das für meine Kinder bewiesen wird, dass meine Kinder nicht mit Zweifeln durch die Welt laufen und sich irgendwann mal überlegen, ist da vielleicht doch eine Kleinigkeit dran oder ist da keine dran", erzählt Ockert. Ihre Empfindung an diesem wichtigen Tag: "Heute habe ich das erste Mal das Gefühl, dass man überhaupt ernst genommen wird".
Angeklagter arbeitete im Gefängnis als Hausmeister
Die Zeit in Haft beschreibt der heute 62-Jährige als "Auf und Ab der Gefühle". Die Arbeit in der JVA habe ihm wieder auf die Beine geholfen, so Genditzki. In Stadelheim war er als Hausarbeiter beschäftigt. An Selbstmord habe er in seiner Haftzeit nicht gedacht.
Nachdem er aus dem Gefängnis entlassen wurde, habe er sich "unheimlich gefreut, die Familie zu sehen". Vor allem auf seine beiden Enkel, die er noch gar nicht kannte, sei er sehr gespannt gewesen. Auch auf seine Kinder und seine Frau habe er sich gefreut, so Genditzki.
Während er im Münchner Gerichtssaal Angaben zu seinem Lebenslauf machte, wirkte er nicht nervös, sondern eher selbstbewusst, agil und zugewandt. Er beantwortete Fragen des Gerichts und erweckte den Eindruck, als wolle er generell Dinge korrekt geklärt haben – egal ob bei der Polizei, seinem Chef oder vor Gericht.
Genditzki ein Mörder? Oder war es ein Unfall?
Die Richter in früheren Verhandlungen waren überzeugt: Der Hausmeister der Wohnanlage brachte die Seniorin, um die er sich jahrelang gekümmert hatte, nach einem Streit 2008 um. Zwar hob der Bundesgerichtshof das erste Urteil auf, doch auch in der nächsten Verhandlung blieb es beim Schuldspruch. Jahrelang kämpfte die Münchner Anwältin Regina Rick um ein Wiederaufnahmeverfahren – schließlich mit Erfolg.
Ausschlaggebend waren ein Gutachten, wonach die Seniorin später als bis dahin angenommen gestorben ist, und eine Computersimulation. Diese zeigt, dass die 87-jährige Seniorin auch bei einem Unfall in die Badewanne gestürzt und dort ertrunken sein könnte.
Vergangenen August stellte das Landgericht München fest, dass kein dringender Tatverdacht mehr bestehe. Manfred Genditzki kam nach exakt 4.912 Tagen hinter Gittern frei. Jetzt wird der Fall komplett neu aufgerollt. Fast 40 Zeugen und ein Dutzend Sachverständige sind geladen, und es sind Termine bis in den Juli angesetzt.
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