Acht Männer und Frauen sitzen im Gastraum der Bahnhofsmission in Passau. Sie wärmen ihre Finger an einer heißen Tasse Tee und essen Sandwiches. Ein paar unterhalten sich und lachen, andere sitzen allein – vertieft in ihre Gedanken oder Sorgen. Die dürften zuletzt größer geworden sein.
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Immer mehr Zulauf
Die Nachfrage nach Lebensmitteln ist in den vergangenen Monaten stark gestiegen. Sowohl kleine Bahnhofsmissionen wie die in Hof und Ingolstadt als auch größere wie die in Würzburg und München berichten: Die Armutsbevölkerung nimmt zu.
Neben Obdachlosen kommen immer mehr Menschen mit Arbeit und Wohnung in die Bahnhofsmission, denen das Geld zum Leben nicht reicht. "Vor fünf Jahren gab es unseres Wissens keine oder nur wenig Gäste, die trotz Wohnung und Arbeit um Lebensmittel bitten mussten. Diese Gruppe ist massiv gewachsen", sagt Sonja Gaja, stellvertretende Geschäftsführerin der Bahnhofsmissionen in Bayern. Gerade die Gruppe der Menschen mittleren Alters und der Rentner wird größer.
"Rente reicht nicht zum Leben"
Auch in Passau holt sich Rentnerin Sabine eine kleine Mahlzeit ab und grüßt dabei die ehrenamtlichen Helfer mit Namen. Sie ist seit zehn Jahren Stammgast. "Ich habe als Mode-Verkäuferin gearbeitet, bin aber schon lange Rentnerin, weil ich aus gesundheitlichen Gründen nicht länger als fünf Minuten stehen kann. Ich gehe auch zur Tafel. Mir reicht die Rente nicht zum Leben", erzählt sie.
Der Bedarf an materieller Hilfe ist in Bayerns Bahnhofsmissionen seit 2019 um 30 Prozent gestiegen, teilt die Bahnhofsmission mit. In Bayerns größter Bahnhofsmission in München hat sich der Bedarf mehr als verdreifacht.
Bahnhofsmission in Passau breit aufgestellt
Die gestiegene Nachfrage nach Lebensmitteln fordert die Bahnhofsmissionen. "Der große Bedarf bringt uns an die Grenzen des Machbaren", wird der Würzburger Einrichtungsleiter in dem katholischen Magazin "Gemeinde Creativ" zitiert.
Die Leiterin der Passauer Bahnhofsmission, Angelika Leitl-Weber, hingegen sagt: "Wir sind sehr gut aufgestellt." Zu Spenden von Bäckern, Supermärkten und Imbissen aus der Region kommt, dass sonntags Studentinnen kochen und neuerdings ein Schulkoch Essen vorbeibringt.
Schulkoch sorgt dafür, dass Reste nicht mehr im Müll landen
Frank Meurer kocht täglich für 400 Kinder in Passauer Kindergärten und Grundschulen. Bis vor Kurzem lief es so: Was den Kindern zu viel war, landete im Müll. Doch damit ist seit Jahresbeginn Schluss. Meurer hat mit den Schulen und Kindergärten vereinbart, etwas weniger Gerichte auszuliefern und in der Küche zurückzuhalten.
Wenn die Kinder noch Hunger haben, liefert er nach. Sind sie aber satt, fährt er die übrigen Essen zur Bahnhofsmission. Das sind im Schnitt 20 Portionen pro Tag. "Das sind Menschen, von denen ich nie gedacht hätte, dass sie auf ein warmes Essen angewiesen sind. Und ich denke: Wenn man was tun kann, sollte man was machen", sagt er.
Ab dieser Woche veranstaltet Meurer Spenden-Dinner. Mit dem Geld will er Essen für die Bahnhofsmission fest einkalkulieren. Damit er nicht mehr vom Appetit der Schulkinder abhängig ist.
💡 Was ist die Bahnhofsmission?
Die erste evangelische Bahnhofsmission wurde 1894 in Berlin gegründet. Insgesamt leisteten die 13 größtenteils ökumenisch geführten Bahnhofsmissionen in Bayern 2021 knapp 460.000 Mal Hilfe. Neben der Hilfe in Notsituationen gehört auch die klassische Unterstützung für Reisende am Bahnhof dazu.
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