Der Memminger Oberbürgermeister Jan Rothenbacher, Partnerschaftsbeauftragte Alexandra Hartge und Übersetzerin Anna Kolomiiets sprechen vor einem Bildschirm in Tschernihiw mit dem Bürgermeister von Tschernihiw Oleksander Lomako.
Bildrechte: BR/Katrin Nöbauer

Bayerisch-ukrainische Städtepartnerschaft in Kriegszeiten

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Bayerisch-ukrainische Städtepartnerschaft in Kriegszeiten

Die Städte Memmingen und Tschernihiw verbindet seit mehr als 30 Jahren eine enge Freundschaft. Besuche sind seit Corona und dem russischen Angriffskrieg ausgesetzt, nicht aber der Kontakt. Die Bürgermeister haben jetzt weitere Hilfen vereinbart.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Schwaben am .

Nach einigen Internetproblemen geht sie los, die Videoschalte, bei der sich der neue Memminger Oberbürgermeister Jan Rothenbacher (SPD) und sein ukrainischer Amtskollege Oleksander Lomako erstmals in ihren neuen Funktionen kennenlernen. Mit Glückwünschen und Dank für die bisherige Unterstützung startet das Gespräch, aber auch mit Beileid. Im August traf ein russischer Luftangriff einen belebten Platz in Tschernihiw. Menschen starben, Verletzte seien teils noch immer im Krankenhaus, berichtet Lomako.

Zerstörung und Tote zu Beginn des Kriegs in der Ukraine

Tschernihiw liegt im Norden der Ukraine und war vom Einmarsch der russischen Truppen im Frühjahr 2022 direkt betroffen. Auf die Frage, wie die Lage vor Ort sei, erzählt Lomako, dass die Stadt eine der am meisten zerstörten Städte in der ersten Hälfte des russischen Angriffskriegs gewesen sei. Seitdem würden sie versuchen, wieder aufzubauen, was gehe - etwa Heizungen, Strom, Verkehr oder Schulen.

Das sei ohne internationale Unterstützung nicht möglich, so Lomako. Den Memmingerinnen und Memmingern dankte er für alle Hilfsgüter und Geldspenden, die sie seiner Stadt bereits haben zukommen lassen. Aber auch für den persönlichen Beistand, denn er wisse, dass viele Geflüchtete in der Partnerstadt untergekommen seien.

50.000 Euro für Ausstattung an Schulen in der Ukraine

Bürgermeister Rothenbacher sagte gleich zu Beginn des Gesprächs weitere 50.000 Euro für Tschernihiw zu. Lomako und er einigten sich darauf, dass diese für die Ausstattung an Schulen verwendet werden sollen. 80 Prozent der Schulen wurden laut dem ukrainischen Bürgermeister im Frühjahr 2022 zerstört, mittlerweile könnten aber fast alle Kinder wieder in Präsenz unterrichtet werden. Seitdem seien auch Bombenkeller an Schulen renoviert oder neu gebaut worden. Benötigt würde nun gerade technische Ausstattung, etwa für den Fremdsprachen- oder Ernährungsunterricht. Als weitere Hilfe versprach Rothenbacher für nächstes Frühjahr außerdem die Lieferung eines 360 kW starken Notstromaggregats. Die Stadt würde weiterhin Spenden sammeln, betonte er.

Der Bürgermeister von Tschernihiw ist optimistisch - trotz der Lage

Auch wenn er weiterhin mit russischen Angriffen rechne, bleibe er doch optimistisch, meint Lomako. Zur Verdeutlichung erzählt er von seiner nächsten Sitzung, in der es darum geht, wie die Stadt sich in den nächsten zehn Jahren entwickeln will - gerade auch ökologisch - denn trotz Bombardierung denke man an die Zukunft. Gerade diese Einstellung finde er besonders beeindruckend, erzählt Oberbürgermeister Rothenbacher hinterher. Das Gespräch empfand er als ergreifend. Von den Memmingern bemerke er vor allem große Anteilnahme. Sie würden die Situation durch ihre Freunde in Tschernihiw viel direkter mitkriegen, als nur über Bilder von Raketenangriffen in den Nachrichten.

Viele Freundschaften zwischen Memmingern und Menschen aus Tschernihiw

Auch Alexandra Hartge, die in Memmingen die Städtepartnerschaft betreut, erzählt, dass sie Neuigkeiten aus Tschernihiw zwar auch über ihre offiziellen Kanäle erhält, vorher aber schon permanent ihr Handy gehe. Die Beziehungen der beiden Städte bestehen seit Anfang der 90er, seit 2009 ist die Städtepartnerschaft offiziell eingetragen. In dieser langen Zeit seien viele Freundschaften entstanden, erzählt Hartge. Im Rahmen der Bildungspartnerschaft besuchten sich bis 2020 jährlich Menschen - zum Beispiel aus Schulen oder Handwerksbetrieben - aus beiden Städten gegenseitig und tauschten etwa technisches oder pädagogisches Wissen aus. Doch es gehe nicht nur darum: An der Partnerschaft würden Menschen mit ihren Herzen hängen, erzählt Hartge.

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