Die bayerische Staatsregierung rüstet sich gegen die vom Bundestag beschlossene Teil-Legalisierung von Cannabis: Die Vorbereitungen für eine "zentrale Kontrolleinheit für Anbauvereinigungen" beim Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) laufen, wie Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) nach einer Kabinettssitzung in München sagte. "Wir werden dafür sorgen, dass Bayern trotz der Cannabis-Legalisierung nicht zu einer Kiffer-Hochburg wird."
20 neue Planstellen für Kontrolleinheit
Laut Gerlach sollen 20 neue Planstellen für die Kontrolleinheit entstehen. Sie rechne für die Erstausstattung mit einmaligen Sachkosten in Höhe von 4,7 Millionen Euro sowie zusätzlich mit jährlichen Sachkosten von 1,2 Millionen Euro, die durch den "Legalisierungs-Irrsinn" entstünden.
Dabei sind die Personalkosten noch gar nicht enthalten. Diese hängen nach Angaben eines Ministeriumssprechers davon ab, "wie diese Stellen letztlich besetzt werden". Vorgesehen sei ein nord- und ein südbayerischer Standort, erläuterte Gerlach: Erlangen und Oberschleißheim. Das Ministerium beginne sofort damit, die Einheit einzurichten: "Dafür gibt es bereits einen Aufbaustab am LGL."
Die Kontrolleure werden der CSU-Politikerin zufolge Anträge von Anbauvereinigungen sehr streng überprüfen. Genehmigte Vereinigungen würden engmaschig einmal im Quartal sowie anlassbezogen kontrolliert. "Auch die Verfolgung und die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit den Anbauvereinigungen wird Aufgabe der zentralen Kontrolleinheit sein." Darüber hinaus würden die Kreisverwaltungsbehörden zusammen mit der Polizei die Einhaltung der geplanten Konsumverbotszonen überwachen.
Laut Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) wird die Polizei für den "gewohnt strengen Vollzug" sorgen, den Schwarzmarkt und den "unrechtmäßigen Umgang mit Cannabis" bekämpfen. Auch nach der Teil-Legalisierung solle sich niemand sicher fühlen.
Staatskanzleichef: Bayern wird "kein Eldorado für Kiffer"
Der Staatskanzleichef sprach mit Blick auf das Cannabis-Gesetz von einem "politischen Sündenfall". Er prognostizierte einen "Kontrollverlust mit Ansage" und einen "Rückschlag für den Rechtsstaat". Die Staatsregierung stelle sich "entschlossen" gegen die schon im Denkansatz falsche Entscheidung, "die in einer geradezu grotesken Weise umgesetzt werden soll". Dadurch entstehe ein "Bürokratiemonster".
Der Freistaat werde das Gesetz so vollziehen, "dass klar ist, dass man hier nicht das Eldorado für Kiffer" haben werde, kündigte der CSU-Politiker an. Auch Gerlach stellte klar, dass Bayern kein "lauschiges Plätzen zum Kiffen" sein werde, "ganz im Gegenteil". Wer Cannabis anbauen oder konsumieren wolle, sei "mit Sicherheit anderweitig besser aufgehoben" als in Bayern.
Das neue Cannabis-Gesetz
Das neue Gesetz sieht vor, dass für Volljährige von 1. April an im öffentlichen Raum der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum erlaubt sein wird. In der privaten Wohnung soll man bis zu 50 Gramm aufbewahren können. Angebaut werden dürfen dort auch gleichzeitig drei Pflanzen.
Für Minderjährige bleiben Erwerb, Besitz und Anbau von Cannabis komplett verboten. Untersagt wird Kiffen unter anderem auf Spielplätzen, in Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen, Sportstätten und jeweils in Sichtweite davon - also in 100 Metern Luftlinie um den Eingangsbereich.
Anbauvereinigungen ab 1. Juli
Anbauvereinigungen mit bis zu 500 Mitgliedern sollen ab 1. Juli die Droge zum Eigenbedarf und zur nicht gewerblichen kontrollierten Weitergabe anbauen dürfen. Gesundheitsministerin Gerlach kritisierte, das Gesetz sei ein "Konjunkturprogramm für den Schwarzmarkt": Denn den Konsum wolle der Bund ab 1. April erlauben, die Anbauvereinigungen könnten aber erst ab 1. Juli Genehmigungen beantragen. "Das dauert dann wieder eine Zeit. Das heißt: Da ist ein Zwischenraum von einigen Monaten - mindestens." Sie frage sich, wo das Cannabis in dieser Zeit herkommen solle.
Bayern will Gesetz zumindest verzögern
Die Staatsregierung hofft laut Gerlach, das Gesetz im Bundesrat am 22. März noch aufhalten oder zumindest verzögern zu können. "Wir haben einen Antrag gestellt, das Gesetz wirklich noch mal vollständig zu stoppen." Die CSU-Politikerin räumte aber ein, dass es keine allzu großen Chancen auf einen Erfolg gebe, "weil wir das einzige Bundesland sind, das keine Ampel-beteiligten Parteien hat".
Gute Chancen sehe sie, dass das Gesetz zumindest verschoben werde. "Weil sich parteiübergreifend Kritik und Widerstand auch in anderen Ländern regt zu Punkten des Cannabis-Gesetzes. Das betrifft insbesondere die Tatsache des rückwirkenden Straferlasses - dass unglaublich viele Akten geprüft werden müssen von der Justiz." Der Freistaat werde sich daher für die Einberufung eines Vermittlungsausschusses starkmachen.
Gerlach: Prävention wird ausgebaut
Die Ministerin kündigte zudem einen weiteren Ausbau der Prävention an. Seit November 2022 seien in Workshops bereits 550 Schulklassen der Jahrgangsstufen acht bis zehn erreicht worden. Dafür seien 250 Moderatorinnen und Moderatoren qualifiziert worden. Geplant sei, weitere 200 Moderatoren auszubilden. "Ziel sind bis zu 1.500 Schulbesuche pro Jahr." Darüber hinaus würden 14 Präventionsfachkräfte ausgebildet, "die dann in den Regierungsbezirken die Schulungen weiterer Moderatorinnen und Moderatoren übernehmen".
SPD wirft Staatsregierung "Hysterie" vor
Der SPD-Rechtsexperte im Landtag, Horst Arnold, wirft der Staatsregierung "überaktive Hysterie am falschen Platz" vor. "Tatsache ist doch, dass die bisherige Kriminalisierungspolitik in der Bundesrepublik fehlgeschlagen ist. Die Zahlen steigen an, die Akzeptanz von Cannabis auch bei der jungen Bevölkerung ist in der Tat noch groß", sagte Arnold dem BR.
Es gelte nun, auf eine neue Ebene zu kommen: "Beratungsgespräche im Rahmen der Straffreiheit werden wesentlich einfacher werden, weil dann dieser Kriminalitätsdruck weg ist." In der Teil-Legalisierung lägen wesentlich mehr Chancen als Gefahren.
"Dieses Problem besteht seit über 40 Jahren"
Für Jugendliche verändere das Cannabis-Gesetz nichts, es sei nach wie vor alles strafbar, betonte Arnold. "Im Gegenteil: Die Abgabe von Cannabis an Minderjährige ist sogar als Verbrechen erhöht worden." Man dürfe jetzt nicht Panik verbreiten, dass Cannabis-Kriminalität von heute auf morgen plötzlich das größte Problem sei. "Dieses Problem besteht seit über 40 Jahren", sagte er.
"Ich war lang genug Staatsanwalt und auch Richter und weiß, dass diese kleinkriminellen Sachverhalte nach wie vor erheblich zu Buche schlagen. Und deswegen ist die Prävention wichtiger als die Kontrolle von solchen Institutionen." Die für die zentrale Kontrolleinheit vorgesehenen Millionen solle man daher lieber in die Prävention stecken.
Zum Audio: Staatsregierung will Cannabis-Anbau strikt kontrollieren
Dieser Artikel ist erstmals am 12. März 2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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