Der 70-jährige Busfahrer Richard Balzer
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Busfahrer Richard Balzer am Steuer

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Bayern: Zahl der Rentner im Job steigt um fast 50 Prozent

Bayern: Zahl der Rentner im Job steigt um fast 50 Prozent

Immer mehr Menschen im Alter zwischen 65 und 75 Jahren in Bayern bleiben weiterhin berufstätig. In bestimmten Branchen herrscht akuter Arbeitskräftemangel. In einigen Firmen geht es ohne die "Alten" gar nicht mehr.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Niederbayern und Oberpfalz am .

Rente – das war früher häufig gleichbedeutend mit Reisen, Unabhängigkeit und endlich Zeit für sich selbst. Doch für viele Rentnerinnen und Rentner in Bayern sieht der letzte Lebensabschnitt mittlerweile ganz anders aus. Einige wollen weiterarbeiten, weil sie körperlich fit sind und ihre langjährigen Erfahrungen im Job einbringen wollen. Andere wiederum müssen weiterarbeiten, um Geld zu verdienen, weil die Rente nicht reicht. Das bestätigt auch eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Gut 43 Prozent der Befragten nennt finanzielle Gründe für die Arbeit im Rentenalter. Laut IAB sind vor allem Frauen auf ein Hinzuverdienst zur Altersrente angewiesen.

Ohne arbeitende Rentner wird es nicht gehen

Für Thomas Würdinger sind die Zahlen der arbeitenden Rentnerinnen und Rentner kein flüchtiger Trend. Der Vorsitzende der Geschäftsführung Agentur für Arbeit in Weiden ist davon überzeugt, dass die Spitze des Eisberges noch gar nicht erreicht sei. In den kommenden zehn Jahren geht die Generation der "Baby-Boomer" in Rente. Das sind alle Menschen, die zwischen 1950 und 1964 geboren wurden. Allein für die Nordoberpfalz bedeutet das ein Verlust von gut 10.000 Arbeitskräften. Und dieser Personenkreis produziert derzeit Waren, Dienstleistungen und Güter im Wert von einer Milliarde Euro, die plötzlich nicht mehr hergestellt werden, berichtet Würdinger im BR-Interview.

Die Branche ist entscheidend

Ob in der Rente gearbeitet wird oder nicht, kommt auch auf die Branche an, erklärt Thomas Würdinger. Im Gesundheitsbereich, Einzelhandel sowie im Bereich Verkehr und Logistik arbeiten Menschen gerne länger, auch über die Regelaltersgrenze hinaus. Schlusslicht hingegen sind laut Würdinger Berufe zum Beispiel in der Sicherheitsbranche. Es kommt seiner Meinung nach aber auch auf die Rahmenbedingungen in den Firmen und Unternehmen an. Wie können beispielsweise Rentnerinnen und Rentner weiterbeschäftigt werden? "Es müssen Bedingungen geschaffen werden, damit auch in Zukunft mehr Menschen nach Erreichen des Rentenalters arbeiten können", so Thomas Würdinger. Denn nur so kann seiner Meinung nach der Fachkräftemangel ein wenig abgefedert werden.

Dringend gesucht: Fachkräfte, egal wie alt!

Ein Lied über den Fachkräftemangel kann auch Jörg Bruckner singen. Der Busunternehmer aus Sulzbach-Rosenberg sucht händeringend nach neuen Fahrern. Im Gespräch mit dem BR erzählt Bruckner, dass er auf der Stelle drei neue Busfahrer einstellen könnte, doch es fehlt an Bewerbern. Aktuell arbeiten in dem Oberpfälzer Unternehmen 48 Busfahrer, fünf davon sind Rentner. "Wir haben einen akuten Fahrermangel. Ohne diese Rentner wüsste ich gar nicht, wie wir den Betrieb aufrechterhalten könnten", berichtet der Busunternehmer. Die großen Vorteile seiner "Rentner-Fahrer" sind laut Bruckner nicht nur langjährige Erfahrung, sondern auch Flexibilität und Zuverlässigkeit.

4.000 "Rentner-Busfahrer" in Bayern

Mit 70 Jahren lenkt Richard Balzer noch den Schulbus. Er ist seit 1996 im Busunternehmen der Familie Bruckner in Sulzbach-Rosenberg. Aufhören kommt für ihn nicht infrage. Seitdem er in der Rente ist, arbeitet er zusätzlich fast Vollzeit. Die Rente aufbessern ist für ihn nur ein Grund, warum er noch arbeitet. Er fühlt sich fit und ist Busfahrer aus Leidenschaft, erklärt er. Er freut sich vor allem über die Kommunikation mit seinen Fahrgästen. Manche kennt er schon seit Jahrzehnten und mittlerweile fährt er sogar schon deren Kinder zur Schule. Die Omnibusunternehmen in Bayern sind besonders hart vom Fachkräftemangel betroffen. Aktuell fehlen in Bayern rund 4.000 Fahrerinnen und Fahrer. Diese Zahl wäre deutlich höher, wenn nicht ebenso viele Rentnerinnen und Rentner in Teil- oder Vollzeit aushelfen und die Busse am Laufen halten würden, berichtet Stephan Rabl, der Geschäftsführer des Landesverbands Bayerischer Omnibusunternehmen.

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Busfahrer Richard Balzer (links) mit den Busunternehmern Jörg und Peter Bruckner

Bei BMW sind Rentner die Experten

Auch der Auto- und Motorradhersteller BMW kennt die wichtige Ressource Rentner. Deshalb hat das Unternehmen 2019 ein "Senior Expert Programm" gegründet. Das Programm ermöglicht es ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, als Senior Experts zeitweise ins Unternehmen zurückzukehren und ihr Wissen einzubringen, erklärt Saskia Graser, BMW-Sprecherin für die Standorte Regensburg und Wackersdorf. Dadurch könne der Bedarf an Arbeitskräften gedeckt werden und das jahrelang aufgebaute Wissen an die jüngere Generation weitergegeben werden, so die Unternehmenssprecherin weiter. Damit die generationsübergreifende Zusammenarbeit funktioniert, werden bereits jetzt Führungskräfte dafür geschult.

Rentner: Lösung für den Fachkräftemangel?

Für Thomas Würdinger von der Agentur für Arbeit in Weiden können arbeitende Rentner nur teilweise etwas gegen den Fachkräftemangel bewirken. Seiner Meinung nach gelingt es nur, wenn Fachkräfte aus dem Ausland angeworben werden. Außerdem sollten seiner Meinung nach neue Rahmenbedingungen für Menschen geschaffen werden, die nach Erreichung des Rentenalters weiterhin arbeiten wollen. Konkret meint er zum Beispiel das Einführen von flexiblen Arbeitszeitmodellen.

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