Wie steht es um unsere Resilienz? Also die Fähigkeit des Staates und der Gesellschaft, Krisen und Bedrohungen – sei es militärischer oder wirtschaftlicher Natur – zu bewältigen. Um diese Frage zu diskutieren, wurden Expertinnen und Experten für Sicherheitspolitik in den Europaausschuss des Landtags eingeladen. Vor allem im Umgang mit hybriden Bedrohungen besteht nach deren Einschätzung noch erheblicher Handlungsbedarf.
"Wir werden getestet"
Die Bedrohungslage in Deutschland sei seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr so hoch gewesen wie heute, sagt Brigadegeneral Thomas Hambach, Kommandeur des Landeskommandos Bayern. Täglich erlebe die Bundeswehr Cyberangriffe, Spionage und Sabotage. "Wir werden getestet", so Hambach. Er verweist auf Drohnenflüge über Bundeswehr-Einrichtungen und das Zerschneiden von Kabelbäumen an Schiffen in der Werft.
"Und warum? Erstens, um uns zu zeigen, dass man es kann, und zweitens, um zu testen, wie wir reagieren. Welche Schutzmaßnahmen haben wir getroffen? Wehren wir uns?" Der Brigadegeneral appelliert: "Es muss darum gehen, schnellstmöglich verteidigungsbereit zu werden" – sowohl materiell als auch mental. Es sei entscheidend, "im Kopf willens zu sein, das eigene Land zu verteidigen".
Mehr Bewusstsein für Desinformation schaffen
Das Gefahrenpotenzial von Desinformationen aus dem Ausland sei hoch, sagt Nathalie Rücker vom Institute for Strategic Dialogue in Berlin. Tausende automatisierte Bots aus Russland würden gezielt Menschen in Deutschland ansprechen, um falsche Informationen zu verbreiten.
Ein Blick auf unsere europäischen Nachbarn zeige wirksame Gegenmaßnahmen: Finnland habe beispielsweise die Medienbildung und Extremismusprävention intensiv gefördert. "Man hat sich angeschaut, welche Maßnahmen die größte Wirkung haben und was wirklich funktioniert", erklärt Rücker. Um gegen Desinformation vorzugehen, reiche es nicht aus, nur zu reagieren – etwa durch Faktenchecks. Vielmehr müsse die Bevölkerung konkret darin geschult werden, die Motive und Ziele hinter Desinformationen zu erkennen.
Dafür brauche es nicht nur Programme für junge Menschen, sondern insbesondere auch für Erwachsene, die nicht mit sozialen Medien aufgewachsen sind.
Investitionen in kritische Infrastruktur
Kritische Infrastruktur – also die Energie- und Wasserversorgung, Krankenhäuser und der Verkehrssektor – muss auch in Krisenlagen funktionieren, betont Albrecht Broemme, Vorstandsvorsitzender des Zukunftsforums Öffentliche Sicherheit e.V.: "Hier gibt es einen immensen Investitionsbedarf."
Dazu zähle auch die öffentliche Verwaltung. "Wir müssen uns darauf einstellen, Zeiten zu erleben, in denen unser normales Gefüge über Monate hinweg massiv gestört ist", so Broemme. Diese Einschätzung teilt auch Markus Rinderspacher (SPD): "Wir brauchen eine Risikoanalyse für unsere kritische Infrastruktur." Es müsse mehr Geld bereitgestellt werden, um hybride Bedrohungen abzuwehren. "Das betrifft nicht nur die Bundeswehr, sondern auch die öffentliche Infrastruktur und die Verwaltung im Freistaat Bayern."
"Jeder Einzelne kann etwas tun"
Auch der Landtagsabgeordnete Gerhard Hopp (CSU) ist überzeugt, dass große Anstrengungen erforderlich sind, um die Demokratie wehrfähiger zu machen. Sein Fazit nach der Expertenanhörung: "Jeder Einzelne kann etwas tun."
Aus Sicht von Martin Böhm (AfD) lag in der Debatte ein zu großer Fokus auf bundespolitischen Themen. Der Landtag könne eher die kleineren, konkreten Dinge beeinflussen, beispielsweise "wie die Wasserversorgung mit Notstromaggregaten ausgestattet ist".
Die Vorsitzende des Europaausschusses, Ulrike Müller (Freie Wähler), betont: "Wir dürfen nicht nur sagen 'Geld für die Bundeswehr', wir müssen auch sagen 'Geld für unsere Kommunen'." Die Landkreise müssten so ausgestattet sein, dass sie im Notfall handlungsfähig bleiben.
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