Sonntagvormittag beim Global Elternverein in Nürnberg: Ein Dutzend Kinder und Jugendliche im Alter von sechs bis 17 Jahren sitzen in einem Klassenraum und rezitieren eine Sure des Koran. Allah erklärt, was die Gläubigen tun müssen, um ins Paradies zu kommen – keinen Alkohol trinken sowie Vater und Mutter ehren. Jeden Sonntag kommen sie hierher zum Unterricht in Hocharabisch, um den Koran selbst lesen zu können. Selbst in den Sommerferien. "Am Anfang war das schon schwer", findet Samira.
Eltern unterrichten Hocharabisch
Es sind die Eltern selbst, die ihre Kinder hier unterrichten. Sie kommen aus verschiedenen afrikanischen Ländern mit einer eigenen islamischen Tradition. Diese wollen die Eltern ihren Kindern nahebringen. Viele der Jungen und Mädchen, die den Koranunterricht besuchen, bekommen beim Global Elternverein aber auch Nachhilfe für normale Schulfächer. "Die helfen mir gut, wir lernen deutsch und wir lernen, um gute Noten zu bekommen und in gute Schulen zu gehen", erzählt Abdul.
Global Elternverein Nürnberg: Mehr als Nachhilfe
Wobei das Wort Nachhilfe eigentlich nicht ausreichend beschreibt, was der Global Elternverein im Nürnberger Stadtteil St. Leonhard leistet. Natürlich geht es darum, den Kindern zu helfen, dass sie im Unterricht mitkommen. Zugleich versuchen die Nachhilfelehrer, ihnen Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten zu vermitteln, zum Beispiel wie kürzlich durch einen Workshop in Selbstverteidigung. "Wir arbeiten stark daran, dass sie auch selbstbewusster werden, dass sie auch sehen, dass es viele Möglichkeiten in Deutschland gibt, etwas aus sich zu machen", erläutert der Vorsitzende Eddie Kayiira.
Studierende mit Migrationsgeschichte unterrichten
Bei der Gründung des Global Elternvereins 2004 gaben vor allem Lehrer im Ruhestand Nachhilfe. Inzwischen sind es meist Studentinnen und Studenten mit Zuwanderungsgeschichte. Sie wissen genau, wie es ihren Schützlingen geht. Sie kennen die Selbstzweifel, das Gefühl, mit den deutschen Kindern nicht mithalten zu können. Der Vorsitzende Eddie Kayiira etwa musste im Alter von zwei Jahren mit seiner Mutter aus Uganda fliehen. Er erlebte, wie sich die Mutter mit verschiedensten Jobs durchschlagen musste, weil ihr ugandisches Abitur nicht anerkannt wurde. Heute hat sie ein eigenes Unternehmen mit mehreren Mitarbeitern. Eddie Kayiiras Schullaufbahn führte über eine Ausbildung und den zweiten Bildungsweg zum Studium. Heute ist er erfolgreicher Wirtschaftsinformatiker und ein Vorbild für die Nachhilfeschüler.
Vorbilder geben Mut und Selbstbewusstsein
Vorbilder sind gerade für Kinder mit Migrationshintergrund wichtig, sagt der Vorsitzende. Deshalb hat der Global Elternverein kürzlich in einem Projekt solche Vorbilder zu sich eingeladen. Eine afrikanische Ärztin war dabei, die erst vor ein paar Jahren nach Deutschland kam, die Sprache neu lernen musste und im Raum Nürnberg als Medizinerin arbeitet. Oder der Nürnberger Oberbürgermeister Marcus König (CSU), der mit einem Hauptschulabschluss und ohne Studium zunächst in der Bankenbranche und jetzt in der Politik erfolgreich ist. "Viele Kinder und Jugendliche können es gar nicht glauben, dass sie trotz verschiedener Herkunft und Religion etwas schaffen können", sagt Eddie Kayiira.
Nachhilfelehrer helfen auch bei Kummer
Solche Vorbilder geben den Kindern und Jugendlichen Mut und Selbstvertrauen: Auch ich werde meinen Weg finden! Die Nachhilfelehrer beim Global Elternverein verstehen sich als Lebensbegleiter und Mutmacher. Ihre Schüler dürfen sie auch am Abend oder am Wochenende anrufen – egal, ob sie in der Schule etwas nicht verstanden oder privaten Kummer haben. Die Kinder und Jugendlichen sind dankbar dafür. Viele kommen gerne zur Nachhilfe. Beim Global Elternverein fühlen sie sich verstanden. Das Geheimnis sei die Kommunikation auf Augenhöhe, sagt Nachhilfelehrerin und Informatik-Studentin Nina Wilhelm. "Man kann mit ihnen sprechen, man kann sie ernst nehmen, und das bekommt man auch zurück."
Global Elternverein mehrfach ausgezeichnet
Im Übrigen können nicht nur Kinder mit ausländischen Wurzeln zur Nachhilfe beim Global Elternverein kommen. Auch deutsche Kinder mit Schulproblemen sind willkommen – deshalb hat sich der Verein den Namen "global" gegeben. Unterstützung und Zuspruch brauchen schließlich alle Kinder, egal aus welchem Land sie kommen. Die Arbeit des Vereins wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem 2021 mit dem Bayerischen Integrationspreis. 2018 war er Finalist beim Bayern 2-Wettbewerb "Gutes Beispiel".
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