Im Strafverfahren um ein unwirksames Krebsmittel hat die Staatsanwältin heute auf Freiheitsstrafen plädiert. Wegen gewerbsmäßigen Betrugs in mehreren Fällen forderte sie für die angeklagte Heilpraktikerin aus Schrobenhausen eine Gesamtstrafe von 3 Jahren und 10 Monaten. Für den mitangeklagten und vorbestraften Unternehmer aus Ingolstadt, den die Anklägerin als "Kopf der Betrugsmasche" einstuft, plädierte sie auf zwei Gesamtstrafen: einmal 2 Jahre und 7 Monate und dazu eine weitere Gesamtstrafe von 5 Jahren 5 Monaten.
BG-Mun als "Universalheilmittel" gegen Krebs und HIV angepriesen
Im Zentrum des Prozesses steht das laut Sachverständigen wirkungslose Präparat BG-Mun. Die Angeklagten hatten es gegenüber Krebspatienten als "Universalheilmittel" gegen Krebs und andere schwere Krankheiten, auch gegen HIV, angepriesen. Dutzende von Kranke haben diesen Schilderungen Glauben geschenkt und teils viele Tausend Euro für BG-Mun gezahlt. Mehrere von ihnen sind mittlerweile verstorben.
Staatsanwältin: Schwerstkranke, die sich an letzten Strohhalm klammern, betrogen
In ihrem Plädoyer machte die Anklägerin deutlich, dass für sie nach fast zwei Jahren, rund hundert Zeugen und Sachverständigen sowie ungezählten Beweisen feststeht, dass die beiden Angeklagten in mindestens 17 Fällen "schwerstkranke Menschen, die sich an den letzten Strohhalm geklammert haben, betrogen haben". Diesen Krebspatienten haben demnach die 57-jährige Heilpraktikerin und der 68-jährige Unternehmer das wert- und "wirkungslose Mittel BG-Mun" zu horrenden Preisen verkauft und "ihnen Heilung versprochen und das nur aus einem Grund, um sich zu bereichern". So sieht es die Staatsanwältin. Die Verteidiger haben das stets bestritten.
Seit Juni 2021 muss sich die heute 57-jährige Frau aus Schrobenhausen gemeinsam mit einem 68-jährigen Ingolstädter Unternehmer vor dem Landgericht Ingolstadt verantworten - wegen gemeinschaftlichen Betrugs in zahlreichen Fällen. Im Laufe des Prozesses wurde die Anklage auf knapp 20 Fälle beschränkt, um das langwierige Verfahren zu verschlanken.
Ehemalige Patienten der Heilpraktikerin und Angehörige von verstorbenen Krebspatienten haben vor der Strafkammer ausgesagt. Sie haben geschildert, wie die Angeklagten den kranken Menschen das Produkt BG-Mun als das Mittel der Wahl gegen ihr Leiden angedient und ihnen Heilung in Aussicht gestellt haben.
Auch nach den ersten Todesfällen lief BG-Mun-Geschäft weiter
Mehrere Sachverständige sowie ein vom Gericht in Auftrag gegebenes Gutachten haben ausführlich dargelegt, dass BG-Mun zum Großteil aus Proteinen und Zucker besteht und keine therapeutische Wirkung hat, folglich ungeeignet ist, um Krebs und andere schwere Krankheiten zu therapieren.
Nach Überzeugung der Staatsanwältin wussten die beiden Angeklagten genau, dass BG-Mun keine Heilwirkung hat. In ihrem Plädoyer wies sie darauf hin, dass die Heilpraktikerin und der Unternehmer auch dann noch das Produkt als Krebsmittel anpriesen und verkauften, als bereits 2017 erste mit BG-Mun versorgte Krebspatienten verstorben waren. Die Anklägerin bezeichnete den Ingolstädter Unternehmer als "Erfinder der Betrugsmasche". Mit der Heilpraktikerin habe er beim Vertrieb des angeblichen Wundermittels vertrauensvoll zusammengearbeitet.
Riesige Gewinnspanne, aber: BG-Mun ohne Heilwirkung und ohne Zulassung
Die Gewinnspanne der mutmaßlichen Betrüger war riesig. Laut Staatsanwältin haben die Angeklagten das Mittel BG-Mun jeweils für vierstellige Eurobeträge an die Patienten verkauft. Zehn Ampullen sollen die Patienten der Heilpraktikerin für jeweils 5.900 Euro erworben haben. Die Herstellung kostete dagegen nur einen Bruchteil davon. Strafschärfend wirkte für die Staatsanwältin deshalb der teils hohe Vermögenschaden bei den Betrugsopfern, teils um über 50.000 Euro, aber auch der große immaterielle Schaden für die Krebspatienten. Insgesamt geht der Schaden in die Hunderttausende. Deswegen hat die Staatsanwältin heute auch die Einziehung von Wertersatz bei den Angeklagten beantragt. Allein bei dem Unternehmer sollen über 240.000 Euro eingezogen werden.
Dem Präparat BG-Mun fehle zudem die nach § 21 AMG (Arzneimittelgesetz) erforderliche Zulassung, betonte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer. Auch habe der Lieferant wichtiger Inhaltsstoffe mehrfach darauf hingewiesen, dass diese nicht für medizinische Zwecke verwendet werden dürfen. Trotzdem empfahl die Heilpraktikerin die Einnahme von BG-Mun, manchen ihrer Patienten sogar per Spritze subkutan. Damit sieht die Anklägerin auch den Straftatbestand des In-Verkehrbringens eines nicht zugelassenen Arzneimittels erfüllt.
Lange Prozessdauer durch zahlreiche Beweisanträge der Verteidigung
Die insgesamt sechs Verteidiger der beiden Angeklagten haben im Laufe der knapp zwei Jahre laufenden Prozesszeit immer weitere Beweisanträge gestellt, wobei die Staatsanwältin wiederholt bezweifelt hat, dass damit noch ein zusätzlicher Erkenntnisgewinn erzielt werden kann. Teilweise wurden die Beweisanträge von der Strafkammer zurückgewiesen – "wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit". Unter anderem haben die Verteidiger die Vernehmung eines Arzneimittelexperten beantragt, der mittlerweile verstorben ist. Der Sachverständige hatte in einem Fernseh-Beitrag die Wirksamkeit von BG-Mun als Krebsheilmittel bestritten. Die Strafkammer hatte diesen Antrag wegen "Unerreichbarkeit des Beweismittels" zurückgewiesen.
Verteidiger lehnten früheren Deal des Gerichts ab
Das Gericht hatte den beiden Angeklagten bereits Ende 2021 einen Deal vorgeschlagen. Im Kern lautete das Angebot des Gerichts damals für die Heilpraktikerin: Reduzierter Strafrahmen von zwei Jahren und zwei Monaten bis zwei Jahre und zehn Monate gegen Geständnis und Zahlung von rund 68.500 Euro zur Schadenswiedergutmachung. Auch dem mitangeklagten mutmaßlichen Hersteller von BG-Mun hatte das Gericht einen Deal angeboten: Gegen ein Geständnis sollte sich seine Freiheitstrafe ebenfalls reduzieren - zwischen fünf Jahren und vier Monaten und sechs Jahren. Die Angeklagten sollen den Deal des Gerichts jedoch abgelehnt haben.
Neben Betrug auch Titelmissbrauch
Neben Betrug wird der Heilpraktikerin auch Titelmissbrauch vorgeworfen. Sie hatte auf Werbeflyern den Titel Professorin geführt. Dieser Professorentitel stammt von einer Bildungseinrichtung in den USA, die selbst in den USA nicht als Universität anerkannt ist. Wie der Vorsitzende Richter im Laufe des Prozesses vortrug, erkennt die deutsche Kultusministerkonferenz diesen Titel hierzulande nicht an und bezeichnet ihn als "Schmuckzertifikat".
Urteil wohl im Mai
Die nächsten Verfahrenstermine sind am 2. und 16. Mai. Am ersten Termin werden die Verteidiger der Heilpraktikerin plädieren, am nächsten die Verteidiger des Unternehmers. Für den 22.05.2023 wird das Urteil erwartet. Zu den Terminen wird der angeklagte Unternehmer aus der U-Haft vorgeführt. Die angeklagte Heilpraktikerin aus Schrobenhausen befindet sich auf freiem Fuß.
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