Katharina und Andreas Wimmer auf der Weide neben einer Kuh mit Hörnern
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Biobauern: Früher oft belächelt – und heute?

Biobauern: Früher oft belächelt – und heute?

20 Hektar Betriebsgröße – vor 100 Jahren und heute. Kann davon eine Bauernfamilie leben? Der Bio-Hof der Wimmers in Bergen im Chiemgau ist nicht größer geworden, aber vielfältiger. Ein Beispiel, wie sich Öko-Landwirtschaft in Bayern entwickelt hat.

Über dieses Thema berichtet: Unser Land am .

"Wachsen oder weichen" - dieses Motto der europäischen Agrarpolitik seit den 1960er Jahren hat die Wimmers nie interessiert. In den letzten 100 Jahren ist der Bauernhof flächenmäßig nicht gewachsen. Vor dem Zweiten Weltkrieg hatte der Hof 20 Hektar Wiesen und heute auch noch. Nur die Anzahl der Kühe ist gestiegen: von damals fünf Kühen auf heute 28. Das ist aber deutlich weniger als der aktuelle bayerische Durchschnittsbetrieb mit 44 Kühen. Doch den Wimmer reicht das, sie wollen nicht größer werden. Funktioniert ihr Betriebskonzept deshalb, weil es ein Öko-Bauernhof ist?

Früher wurde der Biobauernhof belächelt

Der Betrieb der Wimmers hatte schon immer mehrere Standbeine: Milchviehhaltung, ab den 60er Jahren kamen Urlaubsgäste, sogenannte Sommerfrischler auf den idyllisch gelegen Hof im Chiemgau und der Bauer ging zur Arbeit, als Holzknecht. In den 90er Jahren dann eine mutige Entscheidung, erinnert sich Bäuerin Katharina Wimmer: "Mein Papa und noch einer waren die ersten im Dorf, die umgestellt haben auf Bio und das war schon ein bisschen exotisch. Der Grund: Mein Papa wollte keinen Kunstdünger und keine Pflanzenschutzmittel mehr, einfach weniger Chemie und mehr Natur." Die Familie wurde damals belächelt, heute ist der Biohof ein Erfolgsrezept.

Biobauern galten früher als "Exoten"

Bereits in den 1970er Jahren stellten in Bayern einige wenige Landwirte auf Bio um. Sie wollen nicht immer mehr Masse produzieren, aus ihren Böden und ihren Tieren nicht immer mehr herausholen, sondern "zurück zu den Wurzeln". Sie wurden aber nicht nur belächelt, sondern auch angefeindet, denn sie stellten die konventionelle Landwirtschaft infrage. Dennoch stieg ihre Zahl im Laufe der Jahrzehnte kontinuierlich. Im Jahr 2001 gab Deutschlands erste grüne Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast dann ein konkretes Ziel aus: "Wir wollen und werden in zehn Jahren den ökologischen Landbau auf einen Anteil von 20 Prozent bringen."

Bio-Ziele der Politik werden nicht erreicht

Ende 2023 waren es deutschlandweit allerdings erst 11,4 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche, die ökologisch bewirtschaftet werden. In Bayern sind es ein bisschen mehr: 13,6 Prozent der Fläche. Seit 2019 steht im bayerischen Naturschutzgesetz: Bis zum Jahr 2030 sollen 30 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche in Bayern ökologisch bewirtschaftet werden. Dass dieses Ziel erreicht wird, ist unwahrscheinlich. Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) gestand vor kurzem ein, das sei noch ein weiter Weg, aber man könne schließlich niemanden zwingen, auf öko umzustellen und man könne die Verbraucher auch nicht zwingen, öko zu kaufen.

Hofschlachtung statt Kälbertransport

Biobauer Andreas Wimmer, der auf den Hof in Bergen eingeheiratet hat, ist zufrieden: "Wir stehen jeden Tag dahinter und haben eine wahnsinnige Freude dabei." Seine Frau Katharina und er haben klare Entscheidungen getroffen. Ihnen waren Tiertransporte ein Dorn im Auge. Viele Kälber aus Bayern werden zum Mästen nach Norddeutschland oder Spanien transportiert. Auch die Kälber der Wimmers wurden früher am Zuchtviehmarkt in Traunstein versteigert und gingen dann auf die Reise. Jetzt zieht ein benachbarter Partnerbetrieb die Kälber groß. Nach zwei bis drei Jahren kommen sie fertig gemästet zurück auf den Hof der Wimmers. "Wir vermarkten jedes Tier, das bei uns geboren wird, bei uns am Hof", erklärt Andreas Wimmer. Regelmäßig kommt ein Metzger auf den Betrieb. Es gibt einen Zerlegeraum und einen kleinen Hofladen.

Nur wenige Biobauern haben kuhgebundene Kälberhaltung

Exoten sind die Wimmers aber nicht nur deswegen: Sie betreiben in ihrem Stall auch muttergebundene Kälberaufzucht. Das heißt, Kuh und Kalb werden nicht sofort nach der Geburt getrennt, sondern die Kälber dürfen einige Zeit bei der Mutter bleiben und am Euter trinken. Das praktizieren in ganz Deutschland nur rund 100 Öko-Betriebe. Es ist mit zusätzlichem Arbeitsaufwand verbunden und außerdem bedeutet es weniger Milch, die in der Molkerei abgeliefert werden kann. In vielen Betrieben wird nach den ersten Tagen statt Kuhmilch billigerer Milchaustauscher an die Kälber verfüttert.

Auf Demeter-Betrieben haben Kühe Hörner

Erst vor kurzem sind die Wimmers noch einen weiteren Schritt gegangen: Sie sind jetzt Mitglied beim Demeter-Verband. Demeter-Bauern wirtschaften nach strengeren Kriterien als andere Bio-Betriebe. So dürfen etwa Kälber nicht enthornt werden. Doch das "Exotische" bringt auch wirtschaftliche Vorteile: Demeter-Milch wird besser bezahlt als normale Bio-Milch. "Ich bin zufrieden, wie der Betrieb dasteht", sagt Biobäuerin Katharina Wimmer. In Bayern gibt es nur 510 Demeter-Betriebe, die meisten davon haben, so wie die Wimmers, Direktvermarktung und viele bieten auch Urlaub auf dem Bauernhof an. Die seit 1924 von Demeter-Mitgliedern praktizierte biologisch-dynamische Landwirtschaft basiert auf den landwirtschaftlichen Konzepten des  Anthroposophen Rudolf Steiners.

Im Video: Vom Mangel zum Überschuss: Landwirtschaft 1960 - 1990

Andreas Heiß aus Dötting (Lkr. Eichstätt) mit seinem Vater auf dem damals neuen Mähdrescher von Claas, Bild von 1964
Bildrechte: Andreas Heiß, colourbox.com/Evgeny Karandaev; Montage: BR
Videobeitrag

Vom Mangel zum Überschuss: 100 Jahre Landwirtschaftsgeschichte

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