Die Biogasanlage in Reimlingen, im Landkreis Donau-Ries
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Die Biogasanlage im nordschwäbischen Reimlingen gehört zu den wenigen in Bayern, die Biogas ins Erdgasnetz einspeisen können.

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Biogas statt russischem Erdgas: Branche sieht Potenzial

Doppelt so viel Biogas wie jetzt: Das ist möglich, heißt es aus der Branche. Damit ließe sich russisches Erdgas beim Heizen teilweise ersetzen. Angesichts des Ukraine-Kriegs vollzieht deshalb sogar der Bund Naturschutz eine Kehrtwende.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im BR Fernsehen am .

Deutschland und andere Länder Europas wollen nach dem Angriff auf die Ukraine unabhängiger von russischem Erdgas werden. Biogas, das hierzulande aus Gülle, Mist, Mais und anderen Pflanzen erzeugt wird, könnte eine Alternative sein und das importierte Erdgas zumindest zum Teil ersetzen.

Erst 22 Anlagen können Biogas ins Erdgasnetz einspeisen

Landwirt Karl-Heinz Geiß schließt die Tür zu einem beigen Container auf, drinnen herrscht ohrenbetäubender Lärm. In dutzenden dicken Rohren wird Biogas durch Membranen gepresst. "Hier wird Kohlendioxid abgefiltert und damit kann man nicht mehr unterscheiden, ob das Gas aus der Biogasanlage oder aus Russland kommt", sagt der Landwirt. Nach der Aufbereitung besteht das Biogas fast nur noch aus Methan und kann ins Erdgasnetz eingespeist werden.

Die Biogasanlage, die der Landwirt zusammen mit vier Kollegen in Reimlingen im Nördlinger Ries betreibt, ist selten. Hier wird aus Biogas nicht nur Strom, sondern auch Gas zum Heizen produziert. Das können bisher erst 22 der gut 2.500 Anlagen in Bayern.

Hälfte der Gasimporte aus Russland ließe sich ersetzen

Aber vielleicht ist genau das die Zukunft. Innerhalb von fünf bis zehn Jahren könnte die Biogasproduktion verdoppelt werden, heißt es beim Fachverband Biogas in Freising. Damit ließe sich die Hälfte der Gasimporte aus Russland ersetzen. Dafür brauche es aber ein klares Signal aus der Politik, dass die Biogasanlagen weiterhin benötigt würden, sagt der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Claudius da Costa Gomez, dem BR. Auch müssten Genehmigungen schneller erteilt werden.

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Kurzfristig sei eine Steigerung von 20 Prozent möglich

Schon kurzfristig könnte die Biogasbranche sogar 20 Prozent mehr Gas liefern, schätzt da Costa Gomez. Dazu müsste die Deckelung von Anlagen wegfallen, die zurzeit bewirkt, dass viele Biogasanlagen nicht unter Volllast fahren. Mit dieser Maßnahme würden aber auch die Vorräte an Mais und Gülle, mit denen die Bakterien gefüttert werden, schneller aufgebraucht.

Bund Naturschutz vollzieht Kehrtwende

Die Bakterien in den Biogasanlagen zersetzen vor allem Maissilage. Der dadurch verstärkte Maisanbau in Regionen mit viel Biogas – wie im Norden Schwabens – wird deshalb schon lange von Naturschützern kritisiert. Von Monokulturen und Maiswüsten war oft die Rede.

Deshalb ist es umso bemerkenswerter, was der Vorsitzende des Bund Naturschutz in Bayern, Richard Mergner, am Donnerstag auf einer Pressekonferenz gesagt hat. Neue Maisfelder für mehr Biogas seien "das kleinere Übel", wenn es dafür beim Atomausstieg bleibe. Generell ist der Bund Naturschutz aber dafür, dass der Ausbau hin zu mehr Biogas vor allem mit mehr Gülle, Mist und dem Schnitt von Blühflächen gelingt.

Umweltbundesamt sieht zusätzliches Biogas kritisch

Zusätzliche Maisfelder? Die brauche es gar nicht, heißt es beim Fachverband Biogas. Es ginge auch mit "alternativen Energiepflanzen" so da Costa Gomez – also zum Beispiel Gras oder Durchwachsene Silphie, eine gelbblühende Pflanze die bis zu drei Meter hoch wird und ursprünglich aus Nordamerika stammt. Mehr Fläche für Biogas kann aber auch bedeuten: Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion.

Klar ist in diesem Zusammenhang die Position des Umweltbundesamtes. Eine Sprecherin teilt dem BR auf Anfrage mit: "Forderungen, die produzierten Biogasmengen zu erhöhen, um damit vermeintlich unabhängiger von russischem Gas zu werden, betrachten wir kritisch. Neben anderen Aspekten der Nutzungskonkurrenzen um landwirtschaftliche Fläche sollten dabei unseres Erachtens Risiken für die (globale) Ernährungssicherheit derzeit im Vordergrund stehen."

Potenzial steckt deshalb wohl noch in den Bioabfällen aus Privathaushalten oder in Gülle und Mist aus der Tierhaltung, die sowieso da sind. Erst gut ein Viertel davon landen nämlich in Biogasanlagen.

Solarparks effizienter als Mais

Um mit Biogas zu Heizen, müssten viele Anlagen noch in Aufbereitungsanlagen für das Erdgasnetz investieren. Das würde Jahre dauern – könnte Biogas aber unverzichtbar machen, wenn auf russisches Erdgas verzichtet werden soll. Im Gegensatz dazu sei Strom aus Biogas ineffizient, sagt Energieforscher Michael Sterner von der Ostbayerischen Technischen Hochschule in Regensburg: "Es ist de facto so, dass Wind- und Sonnenenergie die günstigste Form sind, den Strom zu ernten, mit dem geringsten Flächenverbrauch. Ich mache einen ganz einfachen Vergleich: Mit einem Hektar Solarpark können Sie so viel Strom erzeugen, wie mit 40 Hektar Biogas-Mais."

Landwirte in Reimlingen wollen auf Gülle und Mist setzen

In Reimlingen setzen Landwirt Karl Heinz Geiß und seine Kollegen deshalb auch auf Gülle und Mist. Sie haben einen Antrag gestellt, dass die – neben Mais und Getreide – bei ihnen auch in die Biogasanlage kommen dürfen. Sie könnten die Biogasanlage unter anderem mit neuen Gärbehältern erweitern und so die Leistung der Anlage um 50 Prozent steigern. Geiß ist der Meinung, dass Biogas ein Baustein sein kann, um unabhängiger von Gasimporten aus Russland zu werden.

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