Schon am Tag nach dem Blitzmarathon treten Autofahrer in Bayern laut einer Studie das Gaspedal wieder etwas fester. Dabei sollen sie mit dem Aktionstag eigentlich sensibilisiert werden, sich an Geschwindigkeitsbegrenzungen zu halten.
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Blitzmarathon soll "wachrütteln"
Der Blitzer-Aktionstag, der bis 6 Uhr am Samstagmorgen dauerte, sollte Aufmerksamkeit schaffen. Rasen könne töten, "unser Blitzmarathon soll wachrütteln", betont Bayerns Innenminister Joachim Herrmann seit Jahren gebetsmühlenartig. Und dennoch gehen den Behörden jedes Jahr tausende Raser ins Netz. Seit 2016 wird der Blitzmarathon an einem bestimmten Tag im Jahr durchgeführt. Abgesehen vom Corona-Jahr 2021 wurden dabei stets über 8.000 Geschwindigkeitsdelikte festgestellt.
Passauer Studie senkt Optimismus
Die wachgerüttelten Autofahrer verfallen schnell wieder in alte Muster. Eine Studie der Universität Passau, die im vergangenen Jahr veröffentlicht wurde, kam zu dem Ergebnis, dass der Effekt eines Blitzmarathons nach dem Aktionstag schnell wieder verhallt. Stefan Bauernschuster ist Professor für Public Economics und einer der Studienautoren. Zu BR24 sagte er: "Wir haben gesehen, dass reine Aufklärungs- und Informationskampagnen bei Rasern nicht funktionieren."
Zusammen mit einer Kollegin hat er Daten aus den Jahren 2011 bis 2014 deutschlandweit ausgewertet und analysiert. Am Aktionstag selber, sagt er, sei durchaus ein Effekt zu erkennen gewesen. Die Menschen seien wegen der Kontrollen langsamer gefahren und dadurch seien die Zahl der Unfälle und die Zahl der leicht Verletzten bei Verkehrsunfällen um circa acht Prozent gesunken.
Längerer Blitzmarathon – längerer Effekt
"Tempolimits wirken", sagt der Ökonom, "und es wirkt, wenn Menschen Sanktionen fürchten." Auf Autobahnen ohne Tempolimit sei an Tagen des Blitzmarathons die Zahl der Unfälle nicht zurückgegangen. In Bayern dauerte der Blitzmarathon bis einschließlich 2015 im Anschluss an den deutschlandweiten Aktionstag noch eine ganze Woche länger, mit dem entsprechenden Effekt. "Was wir sehen, ist, dass die Effekte so lange bestehen, wie die Blitzer aufgebaut sind. Sind die Blitzer einen Tag aufgebaut, finden wir einen Tag lang einen Rückgang von Unfällen. Sind die Blitzer eine Woche aufgestellt, finden wir den Effekt eine Woche lang. Sobald die Blitzer abgebaut sind, sind die Effekte stets verschwunden", erklärt Bauernschuster.
Eine Grafik zeigt die Beobachtungen der Studie auf Landkreisebene. Dort gibt es in Deutschland durchschnittlich 2,4 Unfälle pro Tag. An einem Blitzmarathon-Tag gingen die Unfälle um durchschnittlich 0,2 zurück. Das entspricht einem Rückgang der Unfälle um acht Prozent. Unmittelbar nach dem Blitzmarathon stiegen die Unfälle aber wieder auf Normalniveau.
Grafik: Die Auswirkungen der Blitzmarathons
Bayerns Innenministerium will trotzdem am Aktionstag festhalten. Der Blitzmarathon sei ein Baustein des Verkehrssicherheitsprogramms. Es sei schon ein Erfolg, wenn sich Autofahrer bewusst Gedanken über die Tempolimits auf ihrer Route machten. "Denn nicht alle Geschwindigkeitsverstöße passieren mit Vorsatz, sondern auch aus Nachlässigkeit oder unbedacht", heißt es aus dem Ministerium. Darüber hinaus verweist das Innenministerium darauf, dass es seit Jahren die Geschwindigkeitskontrollen intensiviert habe. Im vergangenen Jahr wurden 1,1 Millionen Geschwindigkeitsverstöße geahndet.
Auf Nachfrage, warum man den Blitzmarathon anstatt einer ganzen Woche seit ein paar Jahren auf einen einzigen Tag beschränke, heißt es aus dem Innenministerium, man habe sich entschieden, "den öffentlichkeitswirksamen Blitzmarathon wie andere Bundesländer auch auf 24 Stunden anzulegen." Gleichzeitig kommuniziere man aber auch "ganz klar, dass die Bayerische Polizei über den Blitzmarathon hinaus verstärkt Tempo-Kontrollen durchführen wird."
Geschwindigkeitsverstöße auf konstant hohem Niveau
Die Intensivierung der Kontrollen macht auf Raser derweil offenbar kaum Eindruck. Die Gesamtzahl der Geschwindigkeitsverstöße in Bayern pendelt laut dem Bayerischen Polizeiverwaltungsamt in den vergangenen zehn Jahren stets zwischen einer Million und rund 1,2 Millionen Verstößen. Beim Blitzmarathon am Freitag gab es zudem nur noch Kontrollen an 1.800 Stellen – in den vergangenen fünf Jahren waren es immer zwischen 1.900 und 2.200 gewesen.
Grafik: Geschwindigkeitsverstöße in Bayern
Blitzmarathon: Reine Geldmacherei?
Kritiker werfen den Ländern immer wieder vor, mit der Aktion lediglich Geld in die Kassen der Kommunen spülen zu wollen. Insbesondere nach Inkrafttreten der Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) im November 2021 müssen Verkehrsteilnehmer jetzt bei Geschwindigkeitsverstößen mit höheren Bußgeldern und mehr Punkten in Flensburg rechnen. Um diesem Argument den Wind aus den Segeln zu nehmen, werden die Messstellen in der Regel bereits im Vorfeld veröffentlicht.
Grundsätzlich sind in Bayern die Gemeinden, Märkte und Städte für die Geschwindigkeitsüberwachung zuständig. Allerdings können diese frei entscheiden, ob sie die Radarkontrollen selbst durchführen, sich dafür in Zweckverbänden zusammenschließen oder sie der Polizei überlassen. Wenn die Kommunen in Eigenregie blitzen, müssen sie die Kosten der Überwachung tragen - dürfen dann aber auch die Bußgelder behalten.
Vom Tag des Blitzmarathons dürften die Bußgeldbescheide nur so in die Häuser flattern. Doch angenommen, es ginge den Kommunen nur ums Geld: Dann sollten sie lieber am Tag nach dem Aktionstag blitzen.
- Zum Artikel: "780 Verstöße bei rund 14.000 Verkehrskontrollen der Polizei"
Im Audio: Joachim Herrmann zum Blitzmarathon
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