Knalltrauma und Hörstörungen, Kopfschmerzen, eine Fleischwunde und schlaflose Nächte – so schildern Opfer des Böllerwurfs heute vor Gericht die Folgen. Ein Fan der TSG Hoffenheim muss sich als Hauptangeklagter vor dem Landgericht Augsburg verantworten. Seit dem Spiel gegen den FCA in Augsburg im November sitzt er in Untersuchungshaft. Auch drei mutmaßliche Mittäter stehen vor Gericht.
Vierzehnjähriger berichtet von Fleischwunde durch Böllerexplosion
Ein neun Jahre alter Junge berichtet im Gerichtssaal, er habe zwei Wochen lang unter Kopfschmerzen gelitten. Er habe ein Knalltrauma und Höreinbußen gehabt, ergänzt seine Mutter. Eine weitere Mutter berichtete von Schlafstörungen, weil sie immer wieder das Bild vor sich habe, wie sich ihre Tochter nach dem Knall schreiend die Ohren hält. Ein Vierzehnjähriger berichtete von einer Fleischwunde am Bein und einer zurückgebliebenen Narbe – verursacht durch ein Teil des während des Fußballspiels in Augsburg explodierten Böllers. Weitere Zeugen geben an, dass sie Hörbeeinträchtigungen davontrugen, die zum Teil bis heute anhalten.
Böllerwerfer bittet um Entschuldigung
Der Hauptangeklagte bat die Opfer heute nach deren Aussagen auch persönlich um Entschuldigung. Am Vormittag hatte er die Tat bereits eingeräumt. Sein Anwalt verlas eine Erklärung, in der der 28-Jährige mitteilte, dass er nur einen "ordentlichen Knall" habe verursachen wollen. Menschen habe er nicht verletzen wollen. Es tue ihm "von Herzen leid", ließ er seinen Anwalt verlesen. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 28-Jährigen die Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion sowie gefährliche Körperverletzung vor. Den Mitangeklagten legt die Staatsanwaltschaft Beihilfe dazu zur Last.
Chat-Nachrichten belasten Hoffenheim-Fans
Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft hatten sich die vier Angeklagten vor dem Bundesligaspiel zwischen dem FC Augsburg und der TSG Hoffenheim am 11. November 2023 abgesprochen und den Böllerwurf geplant. Die Staatsanwaltschaft stützt sich bei ihrer Anklage unter anderem auf Chatprotokolle. Darin geht es etwa um die Frage, wie man die Böller an den Eingangskontrollen vorbeischmuggelt. Man könnte sie etwa "unter den Eiern in der Hose" ins Stadion bringen, lautete einer der Vorschläge.
Video von Bundesligaspiel zeigt Böllerwurf
Während des Prozesstags wurde eine Videoaufnahme aus dem Stadion im Gerichtssaal abgespielt. Eine Kriminalbeamtin erklärte, auf den Bildern sei "zweifelsfrei" zu sehen gewesen, dass der Hauptangeklagte den Böller geworfen und ein zweiter Angeklagter ihm ein Feuerzeug gereicht hatte. Auf den Resten des explodierten Böllers wurden nach der Tat Genspuren des Hauptangeklagten festgestellt. Auf einem Böller, der während der Bundesligapartie nicht explodierte, wurden außerdem DNA-Spuren eines Mitangeklagten festgestellt.
Feuerzeug stammte von Mitangeklagtem
Der 31-jährige Mitangeklagte, von dem das Feuerzeug für den Böllerwurf stammte, ließ wie der Hauptangeklagte eine Erklärung verlesen. Die Böller habe er während der Zugfahrt nach Augsburg gesehen, sich aber nichts weiter dabei gedacht. Während des Spiels zwischen dem FCA und der TSG habe ihn der Hauptangeklagte dann nach seinem Feuerzeug gefragt. Er habe es ihm gegeben und dann gesehen, dass es nicht darum ging, eine Zigarette anzuzünden. Er sei aber nicht von etwas Gefährlichem, sondern von einer Art Silvesterkracher ausgegangen. Die Explosion beschrieb der 31-Jährige als "Höllenschlag".
Zwei Angeklagte bitten nach Böllerwurf persönlich um Entschuldigung
Die übrigen beiden Mitangeklagten äußerten sich selbst. Ein 28-Jähriger gab sich geläutert. "Böller haben absolut nichts im Stadion verloren, es tut mir leid, dass die Leute verletzt worden sind, das war nie meine Intention", sagte er und bedauerte insbesondere, dass Kinder verletzt wurden. Die Opfer bat er, seine Entschuldigung anzunehmen. Auch ein 35 Jahre alter Mitangeklagter bat um Entschuldigung und distanzierte sich von dem Böllerwurf. Dem Hauptangeklagten will er noch geraten haben, die Böller in den Müll zu werfen. Die Ultra-Szene der TSG Hoffenheim habe den Böllerwurf scharf verurteilt. Er habe Drohanrufe bekommen, schilderte der 35-Jährige und sei zusammen mit den anderen Angeklagten beschimpft worden.
Schöffe im FCA-Stadion – Prozess musste vertagt werden
In der vergangenen Woche war der Prozess nach der Verlesung der Anklageschrift vertagt worden. Einer der Schöffen war selbst beim Spiel des FC Augsburg gegen die TSG Hoffenheim zugegen gewesen und hatte den Böllerwurf im Stadion miterlebt. Zwei Strafverteidiger stellten deshalb einen Befangenheitsantrag. Einen Befangenheitsantrag hatte es zuvor bereits gegen den Vorsitzenden Richter Christoph Kern gegeben. Kern ist Präsident des Bayerischen Fußballverbandes (BFV) und damit auch Vorstandsmitglied des Deutschen Fußballbundes (DFB). Diesen Befangenheitsantrag lehnte das Landgericht vor Prozessbeginn ab.
Fortsetzung des Böllerwurf-Prozesses am Dienstag
Am Dienstag (26.03.24) soll der Prozess vor dem Landgericht Augsburg fortgesetzt werden. Dann sollen weitere Zeugen zum Böllerwurf im Stadion des FC Augsburg gehört werden.
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