Es sind nur zehn Zeilen, doch sie halten Münchens Polizei seit Tagen auf Trab: Mails mit Bombendrohungen, teils auf arabisch, in den meisten Fällen mit fast identischen Inhalten. In München waren mittlerweile bereits 15 Einrichtungen betroffen, bayernweit 37, wie BR24 aus Polizeikreisen erfahren hat. Meist trifft es Schulen, aber auch Kindergärten und Gemeindeverwaltungen haben schon Drohungen erhalten.
Eines haben die Botschaften in Bayern laut Polizeiinformationen gemeinsam: Sie kommen per Mail. Drohungen am Telefon soll es bislang nicht gegeben haben. Eine vergleichsweise simple Methode, das sagen auch die Ermittler: "In der Tat ist es durch die Möglichkeit, eine Mail gleichzeitig an viele Adressen zu verschicken, einfacher geworden, Drohungen weit zu verbreiten. Allerdings kann ein Teil der Mails in Spam-Ordnern landen und wird dann spät oder gar nicht beachtet."
Münchener Schulen nicht geräumt - Ermessensspielraum der Polizei
Wenn die Mails beachtet werden, sorgen sie für großes Aufsehen: Zahlreiche Schulen mussten in den vergangenen Tagen evakuiert werden, Sprengstoffhunde suchten die Gebäude ab. In München entschied sich die Polizei gegen Räumungen. Das liege unter anderem daran, dass die Mails einen sehr ähnlichen Wortlaut aufweisen, heißt es. "Durch den Spam-Charakter und die Erkenntnis, dass viele andere Schulen am Tag zuvor ebenfalls Drohungen erhalten hatten, ohne dass Bomben gefunden wurden, erschien die Lage als nicht bedrohlich". Trotzdem: Man nehme die Drohungen ernst.
Das unterschiedliche Vorgehen ist auch dadurch zu erklären, dass jeweils die örtlichen Polizeibehörden für die Ermittlungen zuständig sind. Und die entschieden nach Ermessen, ob ein großer Einsatz notwendig ist oder ein Fall "auf kleiner Flamme" gehalten werde, wie es im Polizeijargon heißt. Beim Landeskriminalamt werden die Fälle derzeit bayernweit gesammelt.
Drohmails teils "mit bodenlosen Rechtschreibfehlern"
Wer steckt nun also hinter den Botschaften? In einigen Fällen seien die Mails mit "Hamas" unterzeichnet worden, berichten Medien. Doch sind die Verfasser tatsächlich Anhänger der islamistischen Terrororganisation? Bewunderer? Oder Trittbrettfahrer, die sich an der allgemeinen Drohkulisse beteiligen wollen?
Aus bayerischen Polizeikreisen ist zu erfahren, dass sich nicht alle Botschaften auf den Krieg in Israel und Gaza beziehen, auch der Ukraine-Krieg sei thematisiert worden. Dabei gehe die Reichweite von orthografisch korrekt verfassten Schreiben bis hin zu Mails mit "bodenlosen Rechtschreibfehlern". Man gehe zudem davon aus, dass die Botschaften mit einem Übersetzungsprogramm erstellt wurden.
Auch deshalb vermutet die Polizei verschiedene Verfasser, einige davon dürften durchaus ein politisches Motiv verfolgen. Auch Trittbrettfahrer befinden sich laut Polizei mit hoher Wahrscheinlichkeit unter den Schreibern: Menschen, die sich wichtig machen wollen, womöglich gar Witzbolde, "die schulfrei haben wollen".
Eltern sofort informieren - und wenn ja, wie?
Dass an der Schule ihres Kindes eine Bombendrohung eingegangen ist, haben Eltern in diesen Tagen auf unterschiedliche Weise erfahren. Sie sei per Mail von der Schulleitung informiert worden, schildert eine Mutter, deren Kind das Gymnasium München-Moosach besucht. Andere Eltern haben aus Whatsapp-Gruppen oder aus der Presse von Drohmails erfahren. Die Frage, ob Eltern umgehend informiert werden sollten, will der Bayerische Elternverband nicht pauschal beantworten. Das hänge von der Bedrohungslage ab. Wichtige Informationen könnten etwa über Elternvertretungsgremien weitergegeben werden.
"Unser Sohn ist sehr aufgeklärt und wir haben ihm schnell erklärt, dass solche Drohungen oftmals 'schlechte Scherze' sind", erzählt eine Mutter im Gespräch mit BR24, deren Kind eine Schule besucht, die ebenfalls betroffen war - allerdings nicht in Bayern, sondern im Ruhrpott. Dennoch sei es sehr wichtig, dass das Thema in der Klasse besprochen werde. "Ich weiß von Kindern aus Kriegsgebieten, dass sie traumatisiert sind und vermute, dass sie das bestimmt belastet", meint sie mit Blick auf Mitschüler ihres Sohnes, die aus der Ukraine nach Deutschland gekommen sind.
Auch das Münchener Schulamt teilt mit: Die Kommunikation von Krisenfällen sei im Sicherheitskonzept der jeweiligen Schule beschrieben und werde auf den jeweiligen Notfall abgestimmt. Hier helfen den Schulen unter anderem Experten für Krisenintervention, zum Beispiel sogenannte KiBBS-Teams, die aus Schulpsychologen bestehen.
Den Tätern drohen bis zu drei Jahre Haft
Glücklicherweise haben sich die Mails bislang immer als leere Drohungen herausgestellt. Doch auch, wenn keine Bombe platziert wurde, haben sie schwere strafrechtliche Folgen für die Absender: Wer eine Drohbotschaft verfasst, kann dafür wegen "Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten" mit einer dreijährigen Freiheitsstrafe belegt werden. Auch Geldbußen sind möglich.
Das, was der Gesetzgeber umständlich als "Störung des Friedens" beschreibt, meint konkret, dass bereits das Vortäuschen einer Straftat schwere Folgen für andere Menschen haben kann: Wenn der Unterricht unterbrochen werden muss, Kinder nach Hause geschickt werden müssen, die Polizei eingreifen muss, und Eltern sich Sorgen machen, dann ist dieser Straftatbestand auf jeden Fall erfüllt.
Im Video vom 23. Oktober: Bombendrohungen an Schulen in Bayern
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