Eine Impfpflicht noch vor der nächsten Corona-Welle. Das fordert Bayern Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Aus der Opposition gibt es mit Ausnahme der AfD Zustimmung und auch Verbände aus Wirtschaft und Medizin befürworten die Impfpflicht.
CSU-Vorstand für allgemeine Impfpflicht
Söder selbst hatte lange für eine Impfpflicht nur für bestimmte Berufsgruppen geworben. Seit kurzem fordert er aber eine Pflicht für alle. Bei der CSU-Vorstandssitzung am Montag hätten sich alle Teilnehmer dafür ausgesprochen. "Eine partielle Impfpflicht schafft Ungerechtigkeit. Warum nur bestimmte Berufssparten?", so der Parteichef. Wichtig sei jetzt, aus der Corona-Endlosschleife rauszukommen.
Auch Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek hält es für richtig, dass man jetzt über eine "allgemeine Impfpflicht" spreche und nicht über eine "berufsgruppenspezifische". Es solle nicht der Eindruck entstehen, dass eine bestimmte Berufsgruppe für etwas verantwortlich ist. All das müsse im Bund geregelt werden, so Holetschek nach den Beratungen der Gesundheitsminister der Länder weiter. Dann werde man sehen, wie sich die Länder dazu stellen.
Laut CSU-Generalsekretär Markus Blume sprach sich auch eine große Mehrheit der CSU-Mitglieder für die Impfplicht aus. Das Ergebnis einer Befragung über das Wochenende, an der mehr als 10.000 Mitglieder teilgenommen hätten, sei eindeutig: 80 Prozent hätten sich dafür ausgesprochen.
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Freie-Wähler-Chef Aiwanger sieht offene Fragen
In der Koalition scheint Söder damit auf Gegenliebe zu stoßen. Der parlamentarische Geschäftsführer der Freien Wähler im Landtag, Fabian Mehring, plädierte gegenüber BR24 für die Einführung einer Impfpflicht. Mehring sagte, wenn die Impfquote bis Weihnachten nicht über 80 Prozent liege, "führt im neuen Jahr wohl kein Weg an einer allgemeinen Impfpflicht vorbei". Tabu bleiben kann eine Impfpflicht laut Mehring nur dann, "wenn ausreichend viele Menschen erkennen, dass Impfen jetzt erste Bürgerpflicht ist".
Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger sieht zuvor noch reihenweise ungeklärte Fragen. "Wir müssen jetzt mal im möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens genau klären, was man überhaupt unter Impfpflicht versteht", sagte der stellvertretende bayerische Ministerpräsident der Deutschen Presse-Agentur. Aiwanger hatte sich selbst erst vor Kurzem gegen Corona impfen lassen. "Mit Polizei abholen und zwangsweise impfen? Wohl nicht. Geldstrafe? Wie hoch, wie oft, für wen? Auch Minderjährige? Oder erst ab einem Alter, wo man statistisch gesehen mit Corona gehäuft auf Intensiv landet?", fragte Aiwanger. Zudem müsse man klären, was verfassungsrechtlich überhaupt möglich sei, betonte er.
Bayern: Grüne und SPD stehen Impfpflicht positiv gegenüber
Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze sagte: "Wenn wir den Albtraum Corona und die dazugehörigen Einschränkungen beenden wollen, gehört eine Debatte über eine allgemeine Impfpflicht jetzt ergebnisoffen geführt. Ich stehe einer allgemeinen Impfpflicht sehr offen gegenüber und halte sie persönlich für ein mittlerweile unvermeidbares Instrument zum Niederringen der Pandemie." Ihr Co-Fraktionschef Ludwig Hartmann betonte allerdings auch, zunächst müssten laut Verfassung mildere Instrumente ausgereizt sein, um die Impfquote zu steigern.
SPD-Fraktionschef Florian von Brunn argumentierte ebenfalls, Söder und die Freien Wähler wollten mit der Impfpflichtdebatte offenbar von ihrem Versagen beim Impfen in Bayern ablenken. "Trotzdem müssen wir aber ernsthaft eine allgemeine Impfpflicht in Erwägung ziehen", argumentierte von Brunn.
Aus Sicht des bayerischen FDP-Fraktionschefs Martin Hagen käme eine allgemeine Impfpflicht als Notfallmaßnahme gegen die vierte Welle zwar zu spät. Er könne aber "das wachsende Unverständnis für Impfverweigerer nachvollziehen". Um Corona auf Dauer in den Griff zu bekommen, "sollten Politik, Wissenschaft und Gesellschaft diese Debatte gründlich und in Ruhe führen". Für den stellvertretenden Vorsitzenden des bayerischen Ethikrates, den Münchner Soziologen Armin Nassehi, wäre eine allgemeine Impfpflicht die "ultima ratio".
Einzig die AfD-Fraktion bleibt strikt bei ihrem Nein: "Wir sind grundsätzlich gegen jeden Impfzwang", sagt ihr gesundheitspolitischer Sprecher Andreas Winhart.
Auch Wirtschaftsverbände fordert die Pflicht zur Impfung
Nicht nur in der Politik, sondern auch in der Wirtschaft und der Medizin mehren sich die Stimmen für eine allgemeine Impfpflicht. So auch bei der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw). Angesichts des "dramatischen Infektionsgeschehens in weiten Teilen Bayerns" und der sich immer weiter verschärfenden Lage in den Krankenhäusern führe "an einer allgemeinen Impfpflicht kein Weg vorbei", sagte Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Sie müsse so schnell wie möglich und noch im laufenden Jahr umgesetzt werden.
"Es geht jetzt darum, den Gesundheitsschutz der Bevölkerung insgesamt in den Vordergrund zu stellen. Mit Überzeugungsarbeit sind wir nicht weit genug gekommen", sagte Brossardt. Die Pflicht sei inzwischen leider notwendig, da die Impfquote in Deutschland und speziell in Bayern zu niedrig sei. Die Menschen, die sich nicht impfen ließen, brächten sich und andere in Gefahr, das Gesundheitssystem an seine Grenzen. Zudem sei ohne Impfen auch die wirtschaftliche Entwicklung gefährdet.
Bayern Kassenärzte unterstützen Impfpflicht
Für die Einführung einer allgemeinen COVID-19-Impfpflicht sprach sich bereits am vergangenen Samstag die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) in München aus. Der Vorstand der KVB rief die Öffentlichkeit dazu auf, sich jetzt impfen zu lassen. Eine allgemeine COVID-19-Impfpflicht sei unumgänglich, um die Corona-Pandemie mit vereinten Kräften endlich eindämmen zu können. Unter einem Tweet von BR24 wiederholte der Verband seine Forderung, versehen mit dem derzeit vielbenutzten Hashtag "#impfpflichtjetzt".
Auch der ärztliche Leiter des Fürther Impfzentrums, Michael Hubmann, setzt in der Corona-Pandemie auf eine Impfpflicht für Erwachsene. Im Interview mit der radioWelt von Bayern 2 sagte Hubmann: "Wir werden nicht alle erreichen mit der Freiwilligkeit. Ich bin auch Mitglied im Vorstand der Kinder- und Jugendärzte in Bayern und wir haben uns als Kinderärzte entschieden, in die Diskussion die Forderung nach einer Impfpflicht für Erwachsene einzubringen." Zur Begründung sagte Hubmann: "Weil wir glauben, wenn wir andere Länder anschauen, dass wir sonst diesen letzten entscheidenden Schritt einfach nicht mehr erreichen werden."
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