Eine Krankenpflegerin versorgt auf einer Intensivstation einen Covid-19-Patienten. (Symbolfoto)
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Sachsen muss sich nach Angaben der Landesärztekammer auf eine Triage vorbereiten

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Corona: Kliniken bereiten sich auf Verlegungen vor – und Triage

In Sachsen erwartet die Landesärztekammer in den kommenden Tagen Triage-Situationen. Auch die Krankenhäuser in Bayern sind im Alarmmodus. Eine Verlegung von Covid-Patienten in andere Bundesländer steht kurz bevor.

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Sachsen muss sich nach Angaben der Landesärztekammer auf eine Triage vorbereiten. Es stünden im Freistaat nur noch wenige Betten auf den Intensivstationen zur Verfügung, sagte der Präsident der Landesärztekammer, Erik Bodendieck, dem Sender NDR Info.

Landesärztekammer erwartet Triage in den kommenden Tagen

Wenn sich daran nichts ändere, müsse über eine Auswahl nachgedacht werden, wer behandelt werde und wer nicht. "Wir müssen triagieren, und das werde ich diese Woche mit meinen Kolleginnen und Kollegen in den Kliniken noch mal besprechen", so Bodendieck. Triage bedeutet, dass Mediziner aufgrund von knappen Ressourcen entscheiden müssen, wem sie zuerst helfen.

In einem weiteren Interview mit dem Deutschlandfunk sagte Bodendieck, dass die Behandlung aller Patienten zurzeit noch leistbar sei. Bei den Prognosen gehe er aber davon aus, dass Sachsen in den nächsten Tagen so in die Belastung hineingehe, dass zwei Menschen um ein Bett "kämpfen müssen". Die Überlegung sei dann, wer die besseren Aussichten auf einen Erfolg der Behandlung habe. Ungeimpfte hätten im Fall einer sogenannten extrakorporalen Beatmung, die bei akutem Lungenversagen eingesetzt wird, "eine sehr schlechte Überlebenschance".

Auch bayerische Kliniken im Alarmmodus

Auch in Teilen Bayerns ist die Situation laut dem Vorstandsvorsitzenden der Kliniken Südostbayern, Uwe Gretscher, kritisch. Bei den Kliniken Südostbayern liege die Intensiv-Bettenauslastung derzeit bei 95 Prozent und das, obwohl die Kliniken, wenn möglich, Patienten in andere bayerische Kliniken verlegten. Laut Gretscher werden Patientenverlegungen aber aufgrund der steigenden Infektionszahlen in anderen Regionen zunehmend schwieriger.

Momentan sei nur noch die absolute Notfall-Versorgung gewährleistet, alle nicht dringlichen Operationen seien bis auf Weiteres verschoben, auch für Tumorpatienten. Das sei für die betroffenen Personen "sehr bitter", so Gretscher. Das Krankenhauspersonal blicke trotz der ab Mittwoch geltenden Verschärfung der Corona-Regeln sorgenvoll auf die nächsten zwei Wochen, denn die Maßnahmen würden erst verzögert wirken. Ob es zu einer Triage-Situation kommen wird, sei zum jetzigen Zeitpunkt noch offen. Zusammen mit der Ethikkommission bereite man sich sicherheitshalber intern darauf vor.

Neu-Ulm beginnt schon frühzeitig mit Triage-Vorbereitung

Im Landkreis Neu-Ulm wird bereits bei einer aktueller Intensivbetten-Belegung von derzeit rund 80 Prozent ein Triage-Team gegründet. Das geht aus einem Schreiben an Mediziner hervor, das Landrat Thorsten Freudenberger (CSU) mitunterzeichnet hat. Für die Zusammenstellung des Triage-Teams seien die Krankenhäuser selbst zuständig, sagte eine Landkreis-Sprecherin der Deutschen Presseagentur.

Das österreichische Bundesland Salzburg hatte schon in der vergangenen Woche die Triage-Vorbereitung begonnen, weil die Behandlung aller Patienten nach geltenden Standards schon bald nicht mehr garantiert werden könne. Laut Mitteilung der Salzburger Kliniken soll das Team künftig darüber beraten, wer noch intensivmedizinisch behandelt werden kann und wer nicht.

Vergangenen Donnerstag hatte bereits der Regierungspräsident der Oberpfalz, Axel Bartelt, an alle Krankenhäuser mit Covid-19-Patienten appelliert, sich vorsorglich auf sogenannte Triage-Entscheidungen vorzubereiten, da demnächst der Zeitpunkt kommen werde, wo nicht mehr alle intensivpflichtigen Patienten auf den eigens dafür eingerichteten Intensivstationen behandelt werden könnten. 

Grafik: Intensivpatienten in Bayern

Divi-Präsident fordert weitere Maßnahmen der Politik

Der Präsident der Intensivmediziner-Vereinigung Divi, Gernot Marx, appellierte an die Politik, sich für den Fall einer weiter ungebremsten Corona-Ausbreitung zu wappnen. Falls das vorige Woche beschlossene Paket nicht ausreichend greife, sollten für den 9. Dezember zusätzliche Maßnahmen gegen die vierte Welle vorbereitet werden, sagte Gernot Marx in einer Videoschalte. Viele Intensivstationen stünden wegen der im Vergleich zu 2020 deutlich höheren Inzidenzen erneut an der Belastungsgrenze.

Der wissenschaftlich-medizinische Divi-Leiter Christian Karagiannidis sagte, es gebe große regionale Unterschiede in Deutschland. In Bayern seien 30 Prozent der Patienten auf Intensivstationen Coronapatienten – in NRW lediglich 10 Prozent. Wenn die Dynamik so weitergehe, würden bundesweit Verlegungen von Notfallpatienten notwendig.

Die Divi erfasste zuletzt bundesweit 3.675 Corona-Patientinnen und -Patienten, die intensivmedizinisch behandelt werden müssen, wovon 51 Prozent invasiv beatmet werden. Allein in der vergangenen Woche seien 1.887 neue Covid-19-Intensivpatienten dazugekommen, so Marx. Derzeit stünden rund 4.000 Notfallbetten weniger bereit als im vergangenen Jahr; das hänge vor allem mit fehlenden Pflegekräften zusammen.

Video: Divi-Leiter Karagiannidis zu Corona-Patienten-Verlegungen

Der Leiter des Divi-Intensivregisters, Christian Karagiannidis, geht davon aus, dass Covid-Patienten aus Bayern in andere Bundesländern verlegt werden müssen.
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Der Leiter des Divi-Intensivregisters, Christian Karagiannidis, geht davon aus, dass Covid-Patienten aus Bayern verlegt werden müssen.

💡 Was bedeutet "Triage"?

Der Begriff "Triage" bezeichnet in der Medizin eine Methode, um im Fall einer Katastrophe oder eines Notfalls die Patienten auszuwählen, die zuerst eine medizinische Versorgung erhalten. Das Wort kommt aus dem Französischen und bedeutet übersetzt "Auswahl" oder "Sortieren".

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