Martin Becher (Bayerisches Bündnis für Toleranz).
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Bündnis für Toleranz: Geschäftsführer Becher tritt ab

Mit der Aufschrift "Mein Mampf" auf einem Imbissstand wurden einst Neonazis in Wunsiedel auf die Schippe genommen. Hinter der Aktion stand das Bayerische Bündnis für Toleranz. Dessen Geschäftsführer, Martin Becher, tritt nun ab.

Über dieses Thema berichtet: regionalZeit - Franken am .

Zwölf Jahre lang hat Martin Becher das Bayerische Bündnis für Toleranz geprägt, jetzt ist Schluss. Das 2005 gegründete Bündnis mit Sitz in Bad Alexandersbad bei Wunsiedel braucht nun einen neuen Geschäftsführer. Am Donnerstag wird Becher in Pfeffenhausen im Landkreis Landshut verabschiedet, eine weitere Verabschiedung in Oberfranken ist für den 27. September geplant.

In den Ruhestand wolle Becher allerdings nichts gehen. Stattdessen möchte er einer Anfrage der Evangelischen Landeskirche nachkommen und ein Demokratienetzwerk aufbauen, erklärte er im Interview mit der regionalZeit auf Bayern2.

"Der unfreiwilligste Spendenlauf Deutschlands"

Im Interview blickte Becher auch zurück auf seine Amtszeit und eine Aktion, mit der "weltweite Aufmerksamkeit" erregt wurde, wie er sagt. Becher spielt dabei auf eine Veranstaltung an, als rund um den Volkstrauertag einmal mehr Neonazis zum Grab des sogenannten Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß gekommen waren. "Wir haben den Aufmarsch der Neonazis umgewandelt", sagt Becher.

Dazu hatte der Wunsiedler Stadtrat ein Kriegerdenkmal kurzfristig per Beschluss zum Mahnmal für den Frieden umgewidmet. Zusätzlich wurden dort 203 weiße Kreuze aufgestellt, die die Namen der Opfer rechtsextremistischer Morde seit 1989 tragen.

Unter dem Titel "Rechts gegen Rechts – Der unfreiwilligste Spendenlauf Deutschlands" sorgte Wunsiedel für Aufsehen: Für jeden gelaufenen Meter der Neonazis wurden zehn Euro an die Neonazi-Aussteigerorganisation "Exit" gespendet. Mit Plakaten und Aufschriften auf der Straße wurde zudem versucht, die Neonazis dazu zu zwingen, den Marsch von sich aus abzusagen.

Heute stellt Becher zufrieden fest, dass "diese Neonazis heute weniger Aufmerksamkeit haben als vor zehn oder 15 Jahren. Und dass heute weniger Leute zu ihren Umzügen kommen". Inzwischen wurde das Grab von Rudolf Heß aufgelöst. Die rechtsextreme Szene trifft sich dennoch weiterhin zu Aufmärschen in Wunsiedel.

"New York Times" greift Aktion in Wunsiedel auf

Im Rückblick glaubt Becher zudem, die Neonazis seien damals sprachlos gewesen, weil sie gegen Ironie kein Gegenmittel gefunden hätten. "Gegen Humor kann man nicht mit Gewalt vorgehen", erklärt Becher im Hinblick auf einen Verpflegungsstand bei dem Spendenmarsch, der den Titel "Mein Mampf" trug. Aktionen wie solche sprachen sich sogar bis in die USA herum: Unter der Überschrift "How to make Fun of Nazis" publizierte die "New York Times" im August 2017 einen Artikel und verwies darin auf die Methoden, die in Wunsiedel praktiziert wurde.

Becher glaubt nicht nur, dass sich solche Aktionen gelohnt haben, sondern auch, dass es immer mehr Menschen gebe, die sich für die Demokratie einsetzen. Zuletzt hätten sich Organisationen dem Bayerischen Bündnis für Toleranz angeschlossen, die sich das laut Becher vor zehn Jahren nicht hätten vorstellen können – "die aber inzwischen sagen: 'Jetzt ist ein Punkt erreicht, wo wir uns deutlich positionieren müssen.'"

Justizvollzugsbeamte schließen sich Bündnis für Toleranz an

Als Beispiel nannte Becher den Verband der Justizvollzugsbediensteten. Dass die Mitarbeitenden von Gefängnissen, die auch mit Neonazis zu tun haben, sich dem Bündnis angeschlossen haben, mache Becker Hoffnung, dass immer mehr Verbände und Vereine sich "pro Demokratie" positionieren wollen.

Auch der Bayerische Landtag ist seit 2009 Mitglied im Bayerischen Bündnis für Toleranz. Aus Sicht der AfD-Fraktion werden dadurch das staatliche Neutralitätsgebot und die Abgeordnetenrechte verletzt. Der Verfassungsgerichtshof bestätigte allerdings die Rechtmäßigkeit der Mitgliedschaft. Die Bayerische Verfassung sei weder wertneutral noch wolle sie das sein, sondern sie sei von dem Willen getragen, dass die freiheitliche demokratische Grundordnung des Staates – unter Einsatz der Mittel der wehrhaften Demokratie – erhalten bleiben müsse.

Am Donnerstagabend verabschiedet das Bayerische Bündnis für Toleranz nun seinen langjährigen Geschäftsführer. Zugleich feiert das Bündnis seinen 18. Geburtstag. Bei den Feierlichkeiten in Pfeffenhausen im Landkreis Landshut werden zahlreiche prominente Gäste erwartet, darunter Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), Kardinal Reinhard Marx, Josef Schuster, Präsident des Landesverbands der Israelitischen Kultusgemeinden, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, Bernhard Stiedl, Vorsitzender des DGB Bayern und Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern.

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