Personalmangel, verschobene Operationen und gleichzeitig Virologen sowie Intensivmediziner, die hohe Infektionszahlen begrüßen – wie passt das zusammen? In den vergangenen Tagen hatten sich die Hiobsbotschaften vor allem aus den oberfränkischen Krankenhäusern gehäuft. So hat das Bezirkskrankenhaus Bayreuth kurzfristig einen Aufnahmestopp für neue Patienten verhängt. Am Klinikum Bamberg finden momentan nur noch unaufschiebbare Operationen statt. Auch die Sana-Klinik in Hof sieht sich an ihrer Belastungsgrenze.
Die München Klinik verfügt über vier kommunale Krankenhäuser in der Landeshauptstadt und damit über 3.000 Betten. Dr. Axel Fischer, der Vorsitzende der Geschäftsführung, erklärt: "Die Intensiv- und Notfallversorgung ist weitgehend sichergestellt. Aber es werden kapazitätsbedingt bereits wieder deutlich weniger verschiebbare Operationen durchgeführt als noch vor einigen Wochen."
Hoher Krankenstand beim medizinischen Personal
Überall werden zwei Gründe für die aktuelle, medizinische Versorgungslage angeführt: Die stark gestiegene Zahl von SARS-CoV-2-Infektionen und erkranktes Krankenhauspersonal. In manchen Kliniken fällt derzeit jeder zehnte Arzt oder Pfleger aus. Neben Erkältungen haben momentan besonders viele Mitarbeiter selbst mit einer Corona-Infektion zu kämpfen. Manche sind zehn oder mehr Tage infektiös und fallen dann wegen der Infektionsschutzverordnung teilweise mehr als zwei Wochen aus. Entsprechend muss deshalb das Personal von den Normalstationen für die Notfall- und Intensivversorgung abgezogen werden. Das führt dann zu Verschiebungen und Ausfällen bei der Grundversorgung.
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Personalmangel: "Aus Corona nichts gelernt"
Zehntausende unbesetzte Stellen in der Pflege – auch vor Corona war die Situation schon sehr angespannt. Während der Pandemie kündigten viele aufgrund der großen Belastung und schlechter Bezahlung. Und jetzt? Fehlt noch mehr Personal.
Aus Sicht von Fischer von der München Klinik hat die Politik keine geeigneten Maßnahmen getroffen, um den desolaten Zustand in der Pflege abzustellen: "Außer ein paar Prämien ist nicht viel passiert. Die Strukturen in den Krankenhäusern und in der Pflege wurden nicht reformiert. Man hat also aus Corona nichts gelernt und jetzt gehen wir mit einer weiter verschärften Personalsituation in den dritten Corona-Winter." Zudem fehlten vielen Kliniken Einnahmen aus den OPs, die nicht stattfinden können, außerdem kämpfe man mit gestiegenen Materialkosten – gleichzeitig gebe es keinen finanziellen Ausgleich vom Staat mehr. Für 2023 sieht Fischer daher "extremste Schwierigkeiten für die Daseinsvorsorge" auf Deutschland zukommen.
Deutlich mehr, aber viel weniger schwere Covid-Fälle
Aktuell werden mehr als 160 Covid-Patienten in den vier kommunalen Krankenhäusern der Landeshauptstadt versorgt. Vor einem Jahr war diese Zahl einstellig. Auch im Münchner Universitätsklinikum rechts der Isar werden derzeit über 60 Patienten mit einer Corona-Infektion behandelt. Fünf von ihnen benötigen eine intensivmedizinische Betreuung. Anästhesist und Stationsleiter Dr. Markus Heim erklärt, dass es derzeit keine Patienten gebe, die wegen einer Corona-Infektion hier versorgt werden müssten. Vielmehr hätten sie eine andere, schwere Erkrankung und zudem das Coronavirus und müssten deshalb isoliert werden.
Grafik: Anzahl Corona-Intensivpatienten pro Tag in Bayern
"Je höher die Zahlen jetzt, desto optimistischer für den Herbst"
Prof. Gerhard Schneider, Direktor der Anästhesiologie und Intensivmedizin am Klinikum rechts der Isar, beschreibt die aktuelle Situation als sehr stabil: "Die hohen Inzidenzen sollten uns eher beruhigen. Wir sehen keine ganz schweren Verläufe mehr und nur sehr wenige schwere. Wir arbeiten auf eine endemische Situation hin. Das heißt, das ist nicht mehr das SARS-CoV-2-Virus, das ganz schreckliche Folgen hat. Sondern wir haben jetzt ein Virus, das sich verbreiten wird und gegen das wir einfach eine natürliche Immunität brauchen. Im Moment ist es also gar nicht so schlecht, dass es sich sehr verbreitet, bei allen Nachteilen, die es vielleicht bietet."
Mit Blick auf den Herbst erklärt Schneider: "Je höher die Zahlen jetzt sind, desto optimistischer bin ich für den Herbst und Winter. Natürlich können wir nicht voraussagen, welche neuen Varianten es geben könnte, aber wenn es so bleibt, haben wir kein Problem."
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Virologe: "Neue Varianten müssen uns keine Angst machen"
Dr. Christoph Spinner beobachtet als Pandemiebeauftragter der Universitätsklinik und als Virologe die Situation seit zweieinhalb Jahren genau. Auch er geht davon aus, dass es mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft neue Covid-Varianten geben wird. Möglicherweise seien sie schon längst entstanden, die Wissenschaft habe sie nur noch nicht entdeckt.
"Das an sich muss uns aber keine Angst machen, denn unser Immunsystem verfügt über verschiedene Werkzeuge zur Abwehr von SARS-CoV-2. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine infektiösere Variante, also eine sogenannte Killervariante, auftritt, ist zwar theoretisch möglich, aber aus meiner Sicht sehr unwahrscheinlich. Denn die Immunkompetenz in der Bevölkerung ist deutlich gestiegen", erklärt Spinner. Wichtig sei es, durch entsprechende Booster-Impfungen oder natürlichen Kontakt dafür zu sorgen, dass die Immunkompetenz in der Allgemeinbevölkerung und vor allem bei Risikopersonen hoch genug bleibe. So wäre die Wahrscheinlichkeit schwerer Varianten eher gering.
Grafik: Corona-Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner der vergangenen 7 Tage je Landkreis
Weniger Betten, entlastetes Personal?
Trotz dieser beruhigenden Einschätzung aus virologischer Sicht sorgen sich die Kliniken bayernweit darum, wie sie mit den zu geringen Pflegekapazitäten den Herbst und Winter bestreiten sollen. Fischer von der München Klinik ist der Auffassung, dass es in Deutschland zu viele Krankenhäuser gibt, die um die Mitarbeiter kämpfen. Durch eine Reduzierung der Bettenanzahl könnte man die Stationen wieder bedarfsgerecht besetzen und die Dauerüberlastung der Pflegenden in den Griff bekommen.
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