Die Stadt Regensburg hat am Montag offiziell das Archiv der Jüdischen Gemeinde online gestellt. Die originalen Dokumente lagern in mehreren Kartons in Jerusalem. Dort wurden sie eineinhalb Jahre digitalisiert und jetzt zugänglich gemacht.
Nazis hatten Archiv zu eigenen Forschungszwecken beschlagnahmt
Die Geheime Staatspolizei und der Sicherheitsdienst (SD) der Nazis hatten das Archiv der Jüdischen Gemeinde Regensburg zu eigenen Forschungszwecken beschlagnahmt und im Staatsarchiv Amberg gelagert. Nach 1945 erhielt die Jüdische Gemeinde das Archiv zurück. Zeitweise wurde es in Regensburger notdürftig in einer Likörfabrik gelagert. In den 1950er-Jahren wurde es mit den Archiven jüdischer Gemeinden aus Bayern nach Israel gebracht. "Die Jüdische Gemeinde hat heute ihr Gedächtnis zurückbekommen", sagte Ilse Danziger, die Vorsitzende der Jüdische Gemeinde zufrieden. Wenn Forschende nachgefragt haben, musste sie immer die Auskunft geben: "Wir haben nichts." Das ist jetzt anders, freut sich Ilse Danziger.
Viele Akten bislang unbekannt
Das Archiv der Jüdischen Gemeinde umfasst 43.000 Blatt und reicht bis etwa ins das Jahr 1940. Viele Akten waren bislang nicht bekannt. Für die Forschung ist die Digitalisierung des Archivs ein Quantensprung, sagt Bildungsreferent Hermann Hage. Einzelne Akten waren bekannt, etwa wenn Forschende nach Israel geflogen sind um zu einzelnen Aspekten wie dem Bau der 1912 eingeweihten Synagoge zu forschen, die 1938 von den Nazis in Brand gesteckt und wenig später abgebrochen worden ist. Sie stand ebenfalls am Brixener Hof, unweit des neuen Gemeindezentrums das 2019 eingeweiht worden ist.
Listen mit emigrierten Juden
Dokumente wie eine handschriftliche Liste der bisher ausgewanderten Jüdinnen und Juden aus dem Jahre 1937 und 1938 war bislang überhaupt nicht bekannt. Darauf findet sich auch Gerda Farntrog, die mit ihren Geschwistern nach Palästina ausgewandert war. Die Eltern von Gerda, Jakob und Rosa Thekla Farntrog haben es nicht mehr geschafft das Land zu verlassen. Sie wurden deportiert und Opfer der Shoah. An Jakob und Rosa Thekla Farntrog erinnern heute Stolpersteine vor dem Haus Rote Hahnengasse 7 in Regensburg.
Geschichte der jüdischen Gemeinde ist Stadtgeschichte
Bezahlt hat die Digitalisierung, die rund 40.000 Euro gekostet hat, die Stadt Regensburg. "Die jüdische Gemeinde ist die älteste in Bayern und die Geschichte der jüdischen Gemeinde ist Stadtgeschichte", betonte Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer (SPD), deshalb war es für die Stadt selbstverständlich, die Kosten zu übernehmen. Auch die israelische Generalkonsulin Carmela Shamir zeigte sich glücklich, dass das Archiv digitalisiert worden ist. Auch sie erinnerte an die lange Geschichte der Juden in Deutschland, schließlich wurde in diesem Jahr an "1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" erinnert.
Archivbestände aus dem 19. Jahrhundert bis 1940
Die Archivbestände, die vom 19. Jahrhundert bis ins Jahr 1940 reichen, sind relativ unbekannt und völlig unerforscht, betont Lorenz Baibl, der Leiter des Stadtarchivs. Eine ganze Palette von historischen Themen stehen jetzt für Forscher bereit. Von der Geschichte der jüdischen Schule über den Synagogenbau bis zum Friedhof an der Schillerstraße, der im nächsten Jahr 200 Jahre alt wird. In den Dokumenten sind auch Pläne des Taharahauses auf dem Friedhof, das derzeit saniert wird und museal genutzt werden soll.
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