Schon von weitem sind laute Trommeln und Rasseln zu hören, die auf dem Münchner Marienplatz am Samstag Teil der Demonstration "Randgruppenkrawall" sind. Rund 70 Demonstranten sind dem Aufruf zum Protest des Behindertenverbands Bayerns gefolgt und aus ganz Deutschland angereist.
Für mehr Rechte und Sichtbarkeit
Es geht um Akzeptanz, Inklusion und Gleichberechtigung für Menschen mit Behinderung. Das ist auch Steve Nolan wichtig, der im Rollstuhl sitzt. "Ich bin hier, weil ich für die Behindertenrechte kämpfe. Einfach nur, um meine Rechte als behinderter Mensch durchzusetzen. Nur weil ich nicht gehen kann, bin ich nicht weniger wert" sagt er. Auch die anderen Teilnehmern und Teilnehmerinnen wollen bei dem Protest Gesicht zeigen.
Forderung: Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention
In klaren Worten fordern die Demonstranten die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Das ist ein völkerrechtlicher Vertrag über die Rechte von Menschen mit Behinderung, der Betroffenen zufolge in Deutschland kaum eingehalten wird. Zum Beispiel sei die vollständige Barrierefreiheit immer noch nicht im öffentlichen Raum gegeben, sagt Patricia Koller, Vorsitzende des Behindertenverbands Bayern und Veranstalterin der Demo. Ein Beispiel seien die Arbeitsbedingungen für Menschen mit Behinderung. "In den Werkstätten für Menschen mit Behinderung bekommen viele einen lächerlichen Stundenlohn von 1,36 Euro. Diese Menschen arbeiten Vollzeit und haben kaum Arbeitnehmerrechte", kritisiert Koller.
Oft würden auch die Beschwerden von behinderten Menschen im öffentlichen Raum nicht ernst genommen werden, daher brauche es ein funktionierendes Beschwerde-System, eine Anlaufstelle für Menschen mit Behinderung. "Wir werden oft ignoriert, daher brauchen wir das, um ernst genommen zu werden", sagt Koller.
Wichtiger Schritt: "Anerkennung als Opfer des Nationalsozialismus"
Ein großes, zentrales Thema auf der Demo ist auch der Umgang mit Menschen mit Behinderung in der NS-Zeit. Über den Massenmord an Menschen mit Behinderung spricht auf der Bühne auch Professor Michael von Cranach. Der Münchner Psychiater befasst sich seit Jahrzehnten mit diesem Thema. Noch immer müsse darum gerungen werden, dass alle Menschen gleichberechtigt behandelt würden - das müsse sich ändern. Da stimmt ihm auch Aktivistin Patricia Koller zu und fordert: "Uns ist wichtig, dass die Menschen mit Behinderung, die damals umgebracht worden sind, dass diese endlich als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt werden."
Redner aus ganz Deutschland vertreten
Auf der Bühne sprechen nicht nur Menschen mit Behinderung selbst, sondern auch Politiker und Politikerinnen unterschiedlicher Parteien und Aktivisten. Zu Wort kommen zum Beispiel die Autorin und Aktivistin Fadumo Korn, Martina Neubauer (Bündnis 90/ Die Grünen), Julika Sandt (FDP), Sören Pellmann (Die Linke) oder Ruth Waldmann (SPD) oder Christian Ude (SPD), der ehemalige Oberbürgermeister von München.
Ude befürwortet den Protest in seiner Rede. "Es wird Zeit, dass sich endlich Gruppen wie Menschen mit Behinderungen vernehmen lassen", sagt Ude und erntet großen Applaus. Das Thema müsse mehr Gehör finden. Es sei richtig, heute Krawall zu machen, damit Menschen mit Behinderung nicht mehr als Randgruppe gesehen würden.
Genau das wünscht sich auch Koller: "Ich will mehr Respekt, dass wir mehr ernst genommen werden und die Menschen mehr Rücksicht auf uns nehmen."
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!