Viel Lob für den Koalitionsvertrag, bei dem der Bauernverband als Partner eigens erwähnt wird, gab es bei der Landesversammlung des Bayerischen Bauernverbands in Herrsching. Historisch sei das. Diesen Erfolg bei den Landwirten konnten Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) und Wirtschaftsminster Hubert Aiwanger (Freie Wähler) gemeinsam für sich verbuchen. Und bis auf eine spitze Bemerkung der Landwirtschaftsministerin, wonach Politik eben "kein Ponyhof" sei und mit der sie den Verlust ihrer Zuständigkeit für Staatsforsten und Jagd quittierte, war von einem Showdown nichts zu bemerken. Es dürfe nicht um Streitigkeiten zwischen "irgendwelchen Persönlichkeiten" gehen. "Mir kommen scho irgendwie z'samm", sagte die CSU-Politikerin.
Dafür liegt jetzt der Tourismus in ihrer Zuständigkeit. Kaniber sprach von einer guten Entscheidung. In Herrsching wurde Einigkeit demonstriert. Da war von Schulterschluss die Rede und von der "Bauernfamilie", die in Bayern zusammenhält .
Pestizide sollen in Bayern freiwillig reduziert werden
Thema war auch das Aus der EU Pflanzenschutz-Richtlinie, deren Ziel es war, den Einsatz von Pestiziden bis 2030 um 50 Prozent zu reduzieren. Jetzt sei der Weg frei für einen "ehrlichen Green Deal", sagte Bauernverbandspräsident Günther Felßner. Für die Ziele der Landwirtschaft bei der Lebensmittelversorgung oder beim Anbau von Energiepflanzen wäre es falsch gewesen, so Felßner, "Pflanzenschutzmittel in vielen Gebieten ganz zu verbieten". Die Entscheidung des EU-Parlaments sei deswegen gut für die Menschen in Europa, für die Landwirtschaft, aber auch für die Nachhaltigkeit, den Klima- und Umweltschutz sowie die Ernährungssicherung.
Sollte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne – trotz der in der EU verlängerten Zulassung von Glyphosat – den Wirkstoff in einem deutschen Alleingang verbieten wollen, erwägt Bayern laut Kaniber dagegen zu klagen. Sie sei enttäuscht, dass die Leistungen der Branche im Bereich der Pestizidreduktion nicht akzeptiert würden. So strebe auch Bayern eine fünfzigprozentige Reduzierung an, allerdings freiwillig. "Jeder wie er kann in seinem Betrieb", so lautet das Motto der Ministerin. Bayern habe bei den Ackerkulturen in den letzten vier Jahren schon 20 Prozent eingespart und bei den Sonderkulturen sogar 26 Prozent.
Einigkeit im Kampf gegen Flächenstilllegungen
Auch im Kampf gegen Flächenstilllegungen weiß der Bauernverband die Landwirtschaftsministerin auf seiner Seite. Günther Felßner kämpft gegen den Flächenfraß, der zum Verlust von landwirtschaftlichen Flächen führt: "Wenn ich zum Beispiel sehe, dass der Supermarkt 2.000 Quadratmeter Verkaufsfläche und 20.000 Quadratmeter ebenerdigen Parkplatz im Außenbereich baut – das können wir besser machen. Mit einer Tiefgarage, mit einem Supermarkt im Erdgeschoss, mit Büros und Wohnen obendrüber und am Dach eine Photovoltaikanlage". Solche Mehrfachnutzungen könnten die Bauern auch auf landwirtschaftlichen Flächen realisieren. "Man muss es uns nur tun lassen", sagt Felßner und wirbt für eine Änderung der Baugesetze.
Außerdem sei es nicht nachvollziehbar, warum für ökologisch sinnvolle Maßnahmen wie Freiflächen-Photovoltaikanlagen oder den Hochwasserschutz Ausgleichflächen nötig sind. Michaela Kaniber ging es darüber hinaus um die von der EU geplanten Flächenstilllegungen von vier Prozent für mehr Biodiversität. Bayern werde "auf der Matte stehen" und dagegen kämpfen.
Nicht nur Kritik an der Politik der Grünen
In 30 Jahren Globalisierung sei die Politik bei Standards und Fairness nicht weitergekommen, klagte Felßner. Mit unfairem Wettbewerb müsse Schluss sein. Es könne nicht sein, dass Waren importiert werden dürfen, die weit unter europäischen Standards produziert sind. Hier lobte Felßner ausdrücklich den Parteitagsbeschluss der Grünen, der sich gegen Importquoten aussprach. Die Interessen der Bauern müssten beim Mercosur-Abkommen, das derzeit mit südamerikanischen Staaten verhandelt wird, berücksichtigt werden, so Felßner.
In fast allen anderen Punkten dagegen gab es Kritik an der Politik von Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir. Mehr Tierwohl gehe nur mit finanzieller Unterstützung der Bauern. Manche der Vorgaben seien Utopien, "die keiner umsetzen kann", so Kaniber. Deswegen kämpfe sie auch so für den Erhalt der Kombihaltung, also der teilweisen Anbindehaltung von Kühen, die aber sommers auf der Weide sind.
Statt Politik gegen die Bauernschaft zu machen, werde sie in Bayern mit den Bauern diskutieren. Ein sogenannter "Praktikerrat" aus Bauern, Verwaltungsleuten und Politikern soll ab nächstem Frühjahr Vorschläge für eine bessere gemeinsame Agrarpolitik der EU ab 2028 ausarbeiten. Weite Teile von Kanibers Rede, klangen wie Wahlkampf. Kein Wunder, die Europawahl im nächsten Jahr rückt näher.
Wild und Wald - bei Aiwanger und Kaniber
Was die Waldpolitik angeht, beschwor Jagdminister Aiwanger ein gemeinsames Vorgehen von Waldbauern und Jägern. In der Frage der Förderung der natürlichen Verjüngung müssten sich alle an einen Tisch setzen, um vernünftige Lösungen zu finden. Gemeint ist der Abschuss von Rehen, die mit ihrem Verbiss mancherorts den Waldumbau stark behindern. Der Waldpakt jedenfalls werde weiter gelten und auch eingehalten, so Aiwanger und Kaniber unisono.
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