Mehr als die Hälfte der in Bayern heimischen Fischarten steht mittlerweile auf der Roten Liste. Besonders gefährdet und teilweise vom Aussterben bedroht sind Fluss-Fischarten wie die Nase, die Äsche oder der Huchen, wie sie zum Beispiel in der schwäbischen Iller noch vorkommen.
Gefährdete Fischarten werden nachgezüchtet und ausgewildert
Im schwäbischen Fischereihof in Salgen werden diese Arten nachgezüchtet, um sie auszuwildern und die natürlichen Restbestände damit zu stützen. Besonders wertvoll seien die ausgewachsenen Laich-Fische, die jedes Jahr neuen Nachwuchs hervorbringen. "Dieser Laichfischbestand und dessen Nachkommen sind essentiell für den Erhalt der gefährdeten Arten in den freien Gewässern", sagt Isabell Schwegel vom Fischereihof.
Ein neuer Zaun soll die Fische nun vor dem Fischotter schützen: zwei Meter hoch, aus Stahlgitter und Stromdrähten, auf 600 Metern Länge. Vor wenigen Wochen erst hat ein Angler ein Exemplar an einem Bach in der Nähe fotografiert. Die Fischer sind alarmiert, auch weil Flüsse eben nicht durch Zäune geschützt werden können.
Fischereiexperte warnt vor Verlust bedrohter Arten
Eine Verbreitungskarte des Bayerischen Landesamts für Umwelt (LfU) zeigt, dass sich das in Bayern einst nahezu ausgerottete Tier von Osten her kommend immer weiter in Richtung Westen ausbreitet. Der schwäbische Fischereifachberater Oliver Born befürchtet, dass die fischfressende Marder-Art bald auch die Iller am westlichen Rand Bayerns erreichen wird. "Die letzten adulten Nasen, die wir hier in der Iller noch haben, ungefähr 100 Stück, die versammeln sich während ihrer Laichzeit alle auf einem Platz", sagt er. Und: "Wenn dann der Fischotter in diese Gebiete eindringt, laufen wir Gefahr, in ganz kurzer Zeit all diese wichtigen Laichtiere zu verlieren."
Auch Philipp Roser vom bayerischen Landesfischereiverband warnt angesichts der zahlreichen gefährdeten Fischarten in Bayern. Zum Problem werde der Fischotter dann, wenn in Gewässern nur noch kleine Restpopulationen gefährdeter Fischarten vorhanden sind. Wenn diese Fische sich dann zur Laichzeit im Flachwasser oder in kleinen Seitenbächen eines Flusses versammeln, "und der Fischotter dort einfällt, dann kann es problematisch werden für diese Fische", so Roser.
Fischer fordern punktuellen Abschuss des Otters
Der Verband fordert, dass Fischotter in solchen "sensiblen Gewässerabschnitten" punktuell entnommen, also abgeschossen werden dürfen. In Fischzuchten ist der Abschuss aufgrund einer Erweiterung der Artenschutzrechtlichen Ausnahmeverordnung aus dem Jahr 2024 in Einzelfällen bereits rechtlich möglich. Die Bayerische Staatsregierung hatte die Verordnung angepasst, nachdem die Schäden in Teichwirtschaften in Ostbayern immer massiver geworden waren.
An freien Gewässern werden bislang keine Genehmigungen erteilt – auch wenn es aus dem bayerischen Umweltministerium dazu auf Anfrage heißt, "nach dem Bundesnaturschutzgesetz sei eine Entnahme von besonders und streng geschützten Arten wie dem Fischotter 'zum Schutz der natürlich vorkommenden Tier- und Pflanzenwelt'" möglich.
"Sicher nicht derjenige, der die Nase zum Aussterben bringt"
Der Bund Naturschutz Bayern (BN) befürwortet es, dass Fischotter an freien Gewässern bisher nicht geschossen werden dürfen. Die Fische litten vielmehr unter Gewässerverbauungen oder Schadstoffen. Die solle man zuerst beseitigen, anstatt Jagd auf den Fischotter zu machen, sagte Christine Margraf, Leiterin des Naturschutzreferats beim BN in München. An der Isar bei Freising etwa, einer renaturierten Flusslandschaft mit Kiesbänken, Seitengewässern und Auwäldern könne man sehen, dass die Koexistenz von Fischotter und Fischen funktioniere. Der Fischotter sei "sicher nicht derjenige, der die Nase zum Aussterben bringt".
Angst vor "einem weiteren Prädator"
An der stark verbauten Iller laufen die Renaturierungsmaßnahmen noch. Und weil immer noch nur wenige Abschnitte des Gewässers zur Fortpflanzung der letzten Nasen geeignet seien, seien diese sehr wohl in großer Gefahr, glaubt Fischereifachberater Oliver Born. Wenn nun mit dem Fischotter zusätzlich etwa zu fischfressenden Vögeln wie dem Kormoran oder dem Gänsesäger "ein weiterer Prädator" für die Fische hinzukomme, "dann laufen wir Gefahr, dass all diese Maßnahmen ihre Wirkung nicht mehr entfalten können", so Born.
Es scheint ein Wettlauf mit der Zeit zu sein im Konflikt zwischen dem geschützten Fischotter einerseits – und vom Aussterben bedrohten Fischarten andererseits.
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