"Das ist die Seele eines Klaviers und für den Klang verantwortlich!" Thomas Hilz öffnet den Deckel seines Konzertflügels in seinem Wohnzimmer. Der Blick richtet sich zuerst auf die mit rund 30 Tonnen Zuggewicht verspannten Saiten und den bronzefarben lackierten Rahmen aus Gusseisen. Unscheinbar darunter ist das Teil, das der Pockinger Unternehmer meint. Der Resonanzboden. Ohne ihn würde man kaum etwas hören, wenn der Hammer gegen eine Saite schlägt. "Die Saite verdrängt zu wenig Luft", erklärt Thomas Hilz. Erst wenn die Schwingungen der Saite über einen Buchensteg auf den Resonanzboden übertragen werden, sind Töne hörbar. Thomas Hilz‘ Unternehmen, die Holzwerke Strunz, produzieren diese Resonanzböden aus hochwertigstem Fichtenholz seit mehr als 200 Jahren. Das Familienunternehmen, das mittlerweile in der siebten Generation besteht, beliefert damit alle namhaften Klaviermanufakturen auf der ganzen Welt.
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Nur das perfekte Holz klingt
Alles andere als filigran ist der Weg eines Fichtenstamms bis in einen edlen Konzertflügel. Thomas Hilz und sein Sohn Maximilian suchen sich jeden einzelnen Baum persönlich aus. Dieses sogenannte Tonholz wächst in der Regel in einer Höhe ab 800 Meter im Alpenraum. Dort gedeihen die gesuchten Fichten sehr langsam. "Die Jahresringe sind manchmal so nah aneinander, dass man sie nicht mehr zählen kann", erklärt der Firmenchef auf dem Holzlagerplatz. Er schätzt, dass die rund fünf Meter langen Stämme zwischen 150 und 350 Jahre alt sind. "Da wird man schon ehrfürchtig!" Thomas Hilz kauft seine Rohware nur in den Wintermonaten, denn dann stehen die Bäume nicht im Saft. Das ist wichtig für den aufwendigen Trocknungsprozess und entscheidend für den späteren Klang.
Zuschnitt muss passen
Auch wenn es nicht so aussieht: Die wertvollen Stämme werden im Sägewerk wie rohe Eier behandelt. Der Zuschnitt erfolgt nach einem bestimmten Muster. "Man muss aufpassen, dass wir im Holz nur stehende Jahresringe haben", weiß Maximilian Hilz. Nur so können die Bretter später zu Resonanzböden verarbeitet werden. Dementsprechend werden die Stämme ähnlich wie ein Kuchen zerschnitten. Anschließend trocknen die Bretter erst an der Luft, später in Trockenkammern und einer klimatisierten Halle. Ein ausgeklügeltes System, wie’s genau abläuft, ist ein Firmengeheimnis, das von Generation zu Generation weitergegeben wird. Stolz geht Thomas Hilz durchs Lager und zeigt auf Stapel voller Resonanzholz. Und auf andere Bretter: "Die haben alle liegende Jahresringe", lacht der Unternehmer, "aus denen machen wir Klaviertasten". Es werden unzählige.
Nur wenig Holz erfüllt hohe Ansprüche
In den Werkshallen ist es laut. Dort laufen Sägen, Hobel und Schleifmaschinen. Stets haben die insgesamt 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen prüfenden Blick auf die Fichtenbretter. Denn von den riesigen Stämmen taugen am Ende nur rund eineinhalb Prozent als Resonanzholz. "Das ist der äußere Teil des Baumes, der astfrei sein muss", sagt Maximilian Hilz. Es braucht einen geübten Blick, um brauchbares von unbrauchbarem Holz unterscheiden zu können. "Wir werfen aber nichts weg", betont der 30-Jährige. Das nicht für Resonanzböden geeignete Holz - dafür muss wirklich alles perfekt sein - wird im Unternehmen entweder für den Bau von Piano-Rahmen oder für den Möbel- und Innenausbau verwendet.
Möbelbau hilft in der Krise
Die Nachfrage nach Klavieren ist weltweit deutlich gesunken. Der Boom während der Corona-Zeit ist vorbei. Damals haben sich offenbar viele ein Instrument zugelegt. Dementsprechend gut war auch das Geschäft in Pocking. Inzwischen scheinen die Menschen weniger Zeit für die Musik zu haben, der Markt stagniert. Kein Grund aber für die Familie Hilz, zu jammern. Das Personal kann mit seinem Knowhow eben auch Holz für Fenster, Türen oder Möbel produzieren. Und keineswegs werden gar keine neuen Klaviere mehr gebaut.
Die Suche nach dem perfekten Brett
Ein Resonanzboden für einen Konzertflügel besteht aus circa 20 einzelnen Brettern. Arbeiter suchen sie wie in einem Puzzlespiel zusammen. Maserung, Farbe und die Jahresringe müssen passen. "Es gibt keinen Lehrberuf Resonanzbodenleger", sagt Maximilian Hilz. Man müsse einfach viel Erfahrung haben, um das perfekte Bild zu bekommen: "Es gibt keine zwei gleichen Massivholzbretter. Aber wir versuchen die einzelnen Bretter so zu kombinieren, dass die fertige Platte wie ein furniertes Werkstück aussieht, wo jedes Brett gleich ist." Sobald alle passenden Bretter aneinandergefügt sind, werden sie in einem speziellen Verfahren zusammengeleimt, geschliffen und nach der Endkontrolle zu den Kunden gebracht. Dort ist es dann an den Klavierbauern, dem Resonanzboden den letzten Schliff zu verpassen.
Klimawandel macht Unternehmer Sorgen
Den perfekten Resonanzboden für die besten und teuersten Flügel der Welt bekomme man nur, wenn man die richtigen Bäume findet, weiß Thomas Hilz. Seit mehr als 30 Jahren ist der Unternehmer in ganz Europa unterwegs. Kein Stamm kommt in sein Werk, ohne dass er ihn vorher gesehen hat. "Aber der Klimawandel macht uns Sorge", mahnt er. Weil es auch in den Hochlagen immer wärmer und trockener wird, kommt die Fichte unter Druck. Das ist eine Baumart, die es kühl und feucht mag. Außerdem bedroht der Buchdrucker (ips typographicus), eine auf Fichten spezialisierte Borkenkäferart, die Bäume. "Die Qualität wird in den letzten Jahren immer schlechter", weiß Thomas Hilz. Das bedeutet, seine Suche nach den perfekten Stämmen wird aufwendiger. Denn eine Alternative zum Resonanzboden aus perfektem Fichtenholz gibt es nicht.
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