Markus Söder (Archivbild)
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Schaden für Demokratie? Kritik an Söder-Vorstoß

Schaden für Demokratie? Kritik an Söder-Vorstoß

Den bayerischen Ministerpräsidenten Söder stört die "zunehmende Blockade" von Windrädern und Solarparks durch Bürgerentscheide: Er will höhere Hürden für Bürgerbeteiligung. Opposition und Verbände warnen vor Schaden für die Demokratie.

Über dieses Thema berichtet: BR24live am .

Im oberbayerischen Marktl am Inn ist es aus Sicht der Staatsregierung noch einmal gutgegangen: Beim Bürgerentscheid stimmte am Sonntag eine Mehrheit für den Bau von Windrädern im Staatswald. Zur Abstimmung stand ein etwas abgespeckter Kompromiss, für den Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) intensiv geworben hatte. Denn im Chemiedreieck bei Altötting soll Bayerns größter Windpark entstehen – ein Prestigeprojekt für die Staatsregierung. Einen Dämpfer für die Pläne hatte es im Januar gegeben, als in der Gemeinde Mehring die Bürger gegen Windräder stimmten. Ein weiteres Nein in Marktl galt es daher unbedingt zu verhindern.

Nach dem Willen des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) soll es künftig schwerer werden, mit einem Bürgerentscheid gegen wichtige Bauprojekte vorzugehen. In seiner Regierungserklärung zur Modernisierung Bayerns beklagte Söder am Donnerstag, manche Vorhaben in Bayern würden "von den Bürgern selbst gern gebremst". Das solle sich ändern. Opposition und Verbände schlagen Alarm und warnen vor einer Schwächung der Demokratie.

Söder: "Gerne als Blockade eingesetzt"

Direkte Demokratie sei zwar ein hohes Gut, betonte Söder. Allerdings seien 2023 mehr als 50 Prozent aller Bürgerbegehren in Deutschland aus Bayern gekommen. "Warum? Weil wir viel weitergehende Regelungen haben als alle anderen Bundesländer", sagte der Ministerpräsident. "Bürgerentscheide können befrieden, aber sie werden zunehmend auch gerne als Blockade eingesetzt."

Laut Söder muss nun die richtige Balance "zwischen Allgemeinwohl und Partikularinteressen" gefunden werden. Der CSU-Politiker sieht hier "Veränderungs-, Diskussions- und Verbesserungsbedarf". Er kündigte einen "breit angelegten gesellschaftlichen Runden Tisch zur Weiterentwicklung von Bürgerentscheiden" unter der Leitung von Ex-Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU) an.

Zudem brauche es auf EU- und Bundesebene eine Abschaffung des Verbandsklagerechts: "Es kann nicht sein, dass ortsfremde NGOs in jeder Gemeinde das Vorankommen behindern." Auch CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek verlangte: "Wir müssen über die Bürgerbeteiligungsinstrumente reden."

CSU-Grundsatzprogramm: "Land der Bürgerentscheide"

Damit deutet sich bei der CSU ein Kurswechsel an. Das Grundsatzprogramm, das die Partei vor einem Jahr beschlossen hat, betont die Bedeutung der Bürgerbeteiligung für die Akzeptanz politischer Entscheidungen. Bayern sei das "Land der Volks- und Bürgerentscheide", heißt es in dem Papier: "Nirgends sonst in Deutschland gibt es so viele direkt-demokratische Entscheidungen wie in Bayern. Direkt-demokratische Instrumente bereichern und ergänzen die parlamentarische Demokratie. Sie haben befriedende Wirkung."

Darüber hinaus reagierte die bayerische Staatsregierung schon seit der Amtszeit von Söders Vorgänger Horst Seehofer (CSU) auf Proteste gegen Projekte vor Ort immer wieder mit weitreichenden politischen Zugeständnissen. Bei den großen Stromtrassen beispielsweise setzte Seehofer die teure und aufwändigere Erdverkabelung durch. Für Windräder kam die umstrittene 10H-Abstandsregel. Später legten CSU und Freie Wähler gemeinsam vorübergehend den Bau von Flutpoldern an der Donau auf Eis.

Kritik von SPD und Grünen

Entsprechend verwundert zeigt sich SPD-Fraktionschef Florian von Brunn über Söders Vorstoß. "Jahrelang hat die CSU, auch Markus Söder, die Leute auf die Bäume getrieben gegen die Windkraft, hat den Protest richtig angeheizt, hat sogar einen Windkraft-Stopp in Bayern verhängt", betont von Brunn auf BR24-Anfrage. Und wenn Bürger jetzt gegen Windräder seien, wolle man ganz hohe Hürden für Bürgerbegehren. Von Brunn kündigt Widerstand an: Die SPD wolle mehr Demokratie, nicht weniger. "Es gibt gute andere Wege, ohne Verlust von Demokratie solche Projekte zu beschleunigen."

Grünen-Fraktionsvize Johannes Becher sagte im Plenum mit Blick auf den geplanten Runden Tisch: "Reden kann man immer". Für die Grünen aber gelte: "Wir sind beim Bürokratieabbau dabei. Beim Demokratieabbau sind wir nicht dabei."

ÖDP droht mit neuem Volksbegehren

Außerhalb des Landtags schlägt die ÖDP Alarm. Deren Landeschefin Agnes Becker, Mit-Initiatorin des erfolgreichen Volksbegehrens "Rettet die Bienen", warnt: "Wenn Söder die direkte Demokratie angreift, korrigieren wir das mit einem neuen Volksbegehen 'Mehr Demokratie in Bayern!'"

Der Landesvorsitzende des Bunds Naturschutz, Richard Mergner, hält für den Schutz des Allgemeinwohls sowohl Verbandsklagen als auch Bürgerentscheide für nötig. "Diese zu kritisieren und für das eigene Politikversagen verantwortlich zu machen, schadet der Bürgerbeteiligung und letztlich auch der Demokratie", beklagt er. Beschleunigung für sinnvolle Infrastrukturmaßnahmen bekomme man nur durch mehr Personal, gute Bürgerbeteiligung und vor allem eine frühzeitige Prüfung von Alternativen.

Freie Wähler wollen Ausbau der Bürgerbeteiligung

Gespannt darf man sein, wie die Frage der Bürgerbeteiligung in den nächsten Wochen innerhalb der Regierungskoalition diskutiert wird. Denn Söders Koalitionspartner, die Freien Wähler, haben sich eigentlich auf die Fahnen geschrieben, die direkte Demokratie noch auszubauen. In ihrem Landtagswahlprogramm forderten sie im vergangenen Jahr unter anderem eine "Absenkung der Mindestbeteiligung bei Bürgerentscheiden" und eine Verlängerung der Bindungswirkung von Bürgerentscheiden auf zwei Jahre.

FW-Fraktionschef Florian Streibl reagiert auf BR24-Anfrage zurückhaltend: "Einem runden Tisch und Dialog verweigern wir uns nicht." Bürgerbegehren seien grundsätzlich ein Instrument, das im Sinne des Gemeinwohls eingesetzt werden müsse, um einer lokalen Gegebenheit gerecht zu werden. Es sei aber eine Abwägung von Gemeinwohl und Eigeninteressen vorzunehmen.

Piazolo: Sind mit direkter Demokratie gut gefahren

Der Chef der Münchner Freien Wähler, Ex-Kultusminister Michael Piazolo, geht im BR-Interview nicht direkt auf Söders Aussagen ein, stellt aber grundsätzlich klar: "Ich bin ein großer Freund der direkten Demokratie." Er habe selbst ein Bürgerbegehren gegen die dritte Startbahn in München sowie zwei Volksbegehren als Beauftragter begleitet und sei der Auffassung, "dass wir in Bayern mit den Mitteln der direkten Demokratie sehr gut gefahren sind". Denn direkte Demokratie sei immer auch eine Möglichkeit, "in eine unmittelbare Kommunikation mit den Bürgern einzutreten und für seine Argumente zu kämpfen und zu werben".

Der geplante Runde Tisch soll nach dem Willen Söders bis Jahresende Vorschläge erarbeiten. Schon jetzt ist klar: Dem bayerischen Ministerpräsidenten droht beim Thema höhere Hürden für Bürgerentscheide viel Widerstand.

Video: Söders Aussage zum Runden Tisch

Ministerpräsident Söder im Landtag
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